Ein ereignisreiches Jahr
Gemischter Jahresrückblick

Sissi | Foto: Sabine Pollok
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Das Jahr neigt sich dem Ende zu und ich versuche mich an all die Abenteuer zu erinnern, die ich mit meinem Tagebuch erleben durfte. Gefühlt war unser Jahr wie eine Achterbahnfahrt. Es gab viele aufregende Momente, aber auch sehr große Herausforderungen.
Eines ist in jedem Fall sicher, ich habe dieses Jahr viele neue Freunde und Mitbewohner kennen gelernt und darf mich ohne Frage als die Chefin im Miezhaus bezeichnen. Das steht mir aber auch langsam zu.
Unsere Menschen haben mir erklärt, dass ich damit auch eine wichtige Aufgabe übernommen habe…ich bin mit für die Erziehung dieser ganzen jungen Lauser zuständig, die im Miezhaus neu einziehen und noch nicht ganz wissen, wie man sich gut in eine Gruppe einfügen sollte.
Ich gebe zu, dass mir das nicht immer leichtfällt, denn ich liege gerne in meinem Lieblingskuschelkorb oder strecke gelassen meine Pfoten aus, um vielleicht draußen in unserem Hof eine kleine Runde zu drehen. Konfliktmanagement ist nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung.
Daher, wenn sich 2 von diesen Frischlingen untereinander streiten, sehe ich es nicht gerade als meine Pflicht an, sofort für Ordnung zu sorgen. Manchmal müssen die Jungs und Mädels Dinge auch untereinander klären. Aber wenn sie sich per Zufall – oder sollte ich sagen Dummheit - direkt neben mir aufregen müssen und mich am Ende auch noch mit einem sanften Stupsen in die Unterhaltung einbeziehen, dann, ja dann gibt es keinen Weg dran vorbei, als dass ich Sissi zeige, was ich davon halte.
Ob ich jemand bestimmten meine, fragen Sie? Nun ja, sagen wir mal so, Konrad, Kasimir, Lisa und Lotta kennen mich mittlerweile sehr gut. Auch wenn sie junge Wilde sind, was sie auch sein dürfen, heißt das nicht, dass sie uns ältere Semester wie Granny oder mich über den Haufen rennen dürfen, wenn sie miteinander toben oder uns allen anderen das Futter wegnehmen dürfen.
Ich bin nicht streitsüchtig, aber ich liebe mein Frühstück, mein Abendessen und ein paar Snacks zwischendurch und möchte mich dabei nicht anknurren lassen oder mir das Essen gar unter der Nase wegziehen lassen.
Ja, unsere jungen Bewohner im Miezhaus sind wirklich sehr umtriebig. Da können Sie froh sein, dass Alfred und Moppel ein extra Zimmer haben, denn die beiden sind nicht so gut auf Artgenossen zu sprechen. Sie sind mehr reine Menschen-Katzen – das gibt es auch.
Wir sind ein echt bunter Haufen hier im Miezhaus und das trifft für das gesamten Katzenhaus zu.
Aber ich wollte Ihnen ja einen kleinen Jahresrückblick geben und nicht nur aus dem Miezhaus erzählen.

Zum Jahresanfang hat unser Albert das Tagebuch geführt und er hat mich gleich zu Beginn einmal richtig zum Schmunzeln gebracht. Das kommt nicht so oft vor, deswegen ist es mir so im Kopf hängen geblieben. Er hatte mir die Frage gestellt, ob es grüne Katzen gibt. Da musste ich wirklich schmunzeln, wollte es ihm aber nicht zeigen, um ihn nicht als "dumm" dastehen zu lassen und habe ihm gewissenhaft erklärt, dass das „grün“, welches er an einem Neuzugang gesehen hatte, nur eine Farbe von unseren Tattoos ist. Erstaunlicherweise wollte er dann nichts weiter über Tattoos wissen – vielleicht war er einfach nur beruhigt, dass wir Katzen nicht in grün auf die Welt kommen.
Oder er war einfach auch mit dem Tagebuch zu beschäftigt um ins Detail zu gehen, denn es gab eine richtig gute Nachricht zu vermelden: Familie Chincilla hatte eine gute neue Bleibe gefunden. Ich habe Familie Chincilla nie selbst kennen gelernt, aber ich hatte viel von ihnen gehört und wusste, dass sie ganz dringend ein neues Zuhause brauchen.
Unerwartete Auszüge wie dieser zu Beginn eines Jahres sind immer schön, es gibt einem das Gefühl, dass alles möglich ist.
Im März hat dann unsere liebe Bonny das Tagebuch übernommen und hat uns gleich mit einem richtigen Paukenschlag überrascht.
Unsere Menschen hatten die Nachricht erhalten, dass 56 Hunde dringend ein neues Zuhause brauchen.
Wie Sie wissen haben wir 10 Hundezwinger, einer davon soll an sich frei bleiben, um zur Not einen Fundhund dort unterbringen zu können und wir Katzen brauchen unseren Platz selbst.
Das hat selbst mich komplett sprachlos gemacht und ich habe hier ja schon einiges erlebt.
Und ja, ich weiß, das ist auch für mich eine leichte Rechnung: mehr Hunde als Zwinger.
Dennoch haben unsere Menschen in der Tat das scheinbar unmögliche doch möglich gemacht, alle Hunde gut untergebracht und letztendlich sind nur 18 Hunde bei uns eingezogen. „Nur“!
Aber ohne die Hilfe von anderen Tierheimen wäre es überhaupt nicht möglich gewesen und da zeigt es sich doch, dass man gemeinsam kleine Wunder wahr werden lassen kann.
Ich fand dies sehr beeindruckend.
Aber damit war diese Geschichte noch nicht zu Ende!
Im April kamen 8 Welpen bei uns zur Welt und im Mai dann nochmal 6 kleine Hundekinder.
Mit einem Schlag waren unsere Menschen 14-fache Welpen-Eltern. Wenn Sie nun anfangen zu rechnen, brauchen Sie mehr als Ihre 2 Menschenhände…ich habe meine 4 Pfoten angesehen und konnte sehr schnell erkennen, dass die auch nicht ausreichen.
18 erwachsene Hunde + 8 Welpen + 6 Welpen ergibt eine viel zu großen Zahl für 10 Zwinger!
Kein Wunder also, dass unser Hundehaus aus allen Nähten platzt und sich die Bewohner den Platz dort miteinander teilen müssen. Seit diesem Einzug – nennen wir es mal einen Einzug – halten die Hunde unsere Menschen ziemlich auf Trab. Besonders die 14 Welpen sind ein quirliger Haufen und bringen viel Leben ins Tierheim. Auch wenn 2 unserer Welpen mittlerweile ein Zuhause gefunden haben, so sind 12 Junghunde, denn das sind sie ja nunmehr, mehr als genug, um hin und wieder auch mit den Augen rollen zu müssen. Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, was das für eine Show ist, wenn diese Racker im Auslauf toben. Ich kann nur erahnen, wie viel Arbeit unsere Menschen mit ihnen haben.

Im Mai hat mich aber auch eine Nachricht aus dem Tagebuch vollkommen überwältigt. Bonny hat einen tollen Job als Tagebuch-Schreiberlin gemacht und als sie verkündet hat, dass Albert ausgezogen ist, war ich überrascht und einfach nur glücklich. Für mich kam es ganz unerwartet, mir hatte man immer nur gesagt, dass er beschäftigt sei und deswegen Bonny weiter das Tagebuch führen würde. Da haben mich die beiden ganz schön hinters Licht geführt.
Als Tagebuch-Schreiber bekommt man ein Gespür dafür, wenn sich etwas Tolles anbahnt. Ich bin mir sicher, dass die beiden auch darüber geredet haben, aber, um das Tagebuch in seiner Magie nicht zu stören, haben sie es für sich behalten.
Wir, die wir das Tagebuch schreiben, reden von seiner Magie, wenn es ganz besondere Auszüge gibt.
Wir haben hier ja immer wieder Bewohner, die lange bei uns sind oder die außergewöhnlich sind und deswegen viel Zeit im Tagebuch bekommen. Oft sind dies Schützlinge, die z.B. wegen ihrer Fellfarbe falsch eingeschätzt werden oder wegen ihres Alters nicht beachtet werden oder angeblich nicht hübsch oder perfekt genug sind.
Doch dieses Jahr konnten wir ein paar dieser schönen unerwarteten Auszüge im Tagebuch vermelden: Albert, Benno, Nica und Naomi, Dean und David, Peanut und Luis und auch 2 unserer Welpen Einstein und Ellen konnten ein neues Leben mit ihren eigenen Familie beginnen.
Verstehen Sie mich nicht falsch, es gab natürlich aus dem Katzenhaus noch mehr Auszüge, die alle wundervoll waren, aber es gibt selbst für mich immer wieder Bewohner, die mich besonders bewegen und deren Vermittlung ist für mich immer etwas sehr Spezielles.
Leider gab es in diesem Jahr aber auch die übergroße Herausforderung im Katzenhaus, dass wir sehr früh schon sehr viele Fundkatzen aufnehmen mussten und es scheint nach wie vor kein Ende in Sicht. Leider waren  und sind fast alle sehr krank. Ihr Zustand ist wirklich sehr erschreckend: verwahrlost, verfilzt, keuchend, keine Augen erkennbar, weil mit Schleim und Eiter zugeklebt, Parasiten an und in den kleinen Körpern, ich weiß nicht wann die Ausnahme eines so schrecklichen Bildes zur Regel geworden ist.
Diese Katzen, gerade die ganz jungen haben kaum eine Überlebenschance, aber unsere Menschen können nicht einfach nichts tun, denn das tun schon viel zu viele. Trotz intensiver Pflege mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Mitteln, konnten wir nicht alle retten. Ja, ich sage „wir“, denn wir hier, Bewohner und Menschen, gehören zusammen und jeder Verlust schmerzt uns alle zutiefst, denn jedes Leben ist wertvoll.
Ich weiß, es will keiner hören und schon gar nicht von mir, einer Katze, die in ihrem schönen Miezhaus sitzt, aber es muss Unterstützung her. Das gesamte Jahr über waren wir in unserem Katzenhaus einfach nur voll besetzt und am Ende des Jahres hat sich dies nicht geändert.
Unsere Menschen sind am Ende ihrer Kräfte und dennoch finden sie Zeit, mit uns allen zu kuscheln, zu spielen und uns das Gefühl zu geben, dass wir einen Wert haben, nicht nur ein notwendiges Übel sind.
Ich habe so viel erlebt, ehe ich hier eingezogen bin, das ich nie in Worte fassen möchte. Ich bin unseren Menschen unendlich dankbar, dass sie sich tagtäglich für mich und alle anderen Schützlinge aufopfern.
Unsere Menschen sind meine Lebensretter.
Aber auch Lebensretter haben irgendwann keine Kraft mehr und ich weiß nicht, was wir ohne unsere Menschen machen sollen.

Unser Tierheim ist klein, was ja an sich nicht schlimm wäre, wenn wir Bewohner nicht so viele geworden wären.
Die Zeiten scheinen sich geändert zu haben, aber unser Zuhause auf Zeit nicht. Die Gebäude sind alt und baufällig, wir Bewohner haben eindeutig zu wenig Platz und unsere Menschen haben an sich gar keinen Platz für sich selbst.
Wir alle kämpfen zusammen jeden Tag und dennoch finden unsere Menschen immer liebe Worte und Zeit für uns.
Das ist eine schöne Erfahrung, aber ich möchte unseren Menschen auch irgendwie etwas zurückgeben – ich weiß nur noch nicht wie. Wir Bewohner müssen doch auch irgendwie helfen können.
Haben Sie eine Idee?

Aber ich schweife mal wieder ein wenig vom Thema ab. Unser Jahr...

Nun da ist dann dieser eine Moment im Jahr, der mich nicht loslassen will. Am 14.06.2024 nachts verschwindet unsere Bonny aus dem Hundehaus. Ich möchte gar nicht mehr darüber reden, dass ich es mir nicht erklären kann, wie sie das Schloss geöffnet hat und einfach gegangen sein soll. Kein Hinweis, keine Spur, kein einziges Wort von ihr. Das lässt mich nach wie vor mit unendlich vielen Fragen zurück, die mich traurig und wütend zu gleichmachen.
Die Hoffnung ist, dass sie sich doch eines Tages meldet und es ihr gut geht, die Realität scheint aber, dass wir es nie erfahren werden. In stillen Momenten stelle ich mir vor, dass sie in einem schönen Zuhause lebt, sich an liebende Menschen ankuscheln kann und uns einfach nur vergessen hat. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie uns einfach so vergessen würde.
Nein, ich will nicht wirklich darüber reden, es wirft nur Fragen über Fragen auf, die ich gerade nicht stellen will.

Aber wir hatten dieses Jahr auch viele gute Momente.
Einer davon war sicherlich, dass wir von der Flut verschont blieben. Als das Wasser kam und so viel Schaden um uns herum angerichtet hat, haben unsere Menschen für unsere Sicherheit gesorgt. Wir alle konnten die Gefahr spüren. Tiere haben einen Sinn dafür, wenn etwas auf sie zukommt, das zur großen Bedrohung werden kann. Unsere Menschen haben geplant, gebaut und gegrübelt. Sie haben sich informiert und beständig an einem sogenannten Notfallplan gearbeitet. Es gab die Überlegung, uns alle umzuziehen, damit wir in Sicherheit sind. Können Sie sich vorstellen, was das für eine unfassbare Aufgabe gewesen wäre.
Aber letztlich konnten wir in unserem Tierheim bleiben und auch das Wasser kam nicht wirklich zu uns. Was für eine Erleichterung und welch unfassbar großes Glück wir damit hatten, können wir Bewohner wahrscheinlich gar nicht richtig verstehen.
Natürlich waren auch alle Auszüge in diesem Jahr für uns ein echtes Highlight. Vor allem Albert, Dean und David, Nica und Naomi und Peanut und Luis waren für mich unerwartet und wundervoll.
Solche Auszüge sind unser Hoffnungsschimmer, der uns nachts im Traum lächeln lässt.

Und dann plötzlich - wie ein großer Zaubertrick – Hokuspokus und das Jahr 2024 ist fast vorbei.
Es war bis hierhin anstrengend und aufreibend für unsere Menschen und uns und es ist noch nicht langsamer geworden.
Ich bin gespannt, was die letzten Wochen des Jahres bringen werden.
Trotz aller Schwierigkeiten werden wir positiv in die Zukunft blicken – hoffnungsvoll, immer mit dem Blick nach vorne und nicht zurück.
Wir hoffen, dass 2025 ein Jahr voller positiver Veränderungen und Erfolge wird. Wir hoffen auf mehr helfende Hände für unsere Menschen und ein neues Zuhause für viele von uns Bewohnern.
Denn jeder von uns hat eine zweite Chance verdient.
Ich möchte mich im Namen aller Bewohner und unserer Menschen bei Ihnen liebe Leserinnen und Leser bedanken für Ihre Treue und Anteilnahme.
Alleine können wir unsere Welt nicht ändern, nur gemeinsam können wir die Welt für uns Tiere hier ein kleines Stück besser machen. Sie wissen doch … ein kleines Steinchen kann eine große Welle auslösen.
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen eine gute Zeit und vergessen Sie uns nicht.

Ihre
Sissi

Tierheim Höchstädt

Bürgerreporter:in:

Sabine Pollok aus Dillingen

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