Wer sammelt Selbstklebemarken? Warum Briefmarken ablösen kaum noch Spaß macht

Diese Briefmarken, inklusive Selbstklebemarken, warten darauf, vom Kuvert-Papier abgelöst zu werden.
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  • Diese Briefmarken, inklusive Selbstklebemarken, warten darauf, vom Kuvert-Papier abgelöst zu werden.
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Briefmarkensammler gehen einem Hobby nach, dass es in ein paar Jahrzehnten womöglich gar nicht mehr geben wird. Der Altersdurchschnitt in Sammlerkreisen von Postwertzeichen steigt kontinuierlich an. Auf renommierten Sammler-Treffen wie der Internationalen Briefmarken-Börse in München sind Besucher unter 50 Jahren eine verschwindend kleine Minderheit. Ganz hoffnungslos sind die Aussichten auf Sammlernachwuchs allerdings nicht. Einerseits gibt es ambitionierte Projekte in Schulen, die den Nachwuchs von Briefmarkensammlern fördern soll, andererseits hat beispielsweise der Verein Junge Briefmarkensammler in Bayern rund 400 Mitglieder. Meine Generation sammelt die bunten Marken auf Briefkuverts kaum noch. Die Generation danach wächst mit Selbstklebemarken auf. Die Kids von heute wissen unter Umständen nicht einmal mehr, dass sich Briefmarken vom Umschlag ablösen lassen.

Wer sammelt denn Selbstklebemarken?
Kein Wunder, schließlich flattern heute fast nur noch Briefe mit Selbstklebemarken ins Haus. Aufkleber mit Zacken – die Fachleute sprechen von „Zähnung“ - , Motiv und aufgedruckter Zahl. Vielen hartgesottenen Briefmarkensammlern “vom alten Schlag” macht es keinen Spaß, Selbstklebemarken vom Kuvert abzulösen, obwohl es bei Exemplaren aus Deutschland ohne Probleme möglich ist. Bei Selbstklebemarken werden Erinnerungen an Standard-Marken aus Spanien wach. Diese “Automatenmarken”, die nicht einmal eine Zähnung hatten. Von denen wussten Sammler bereits, dass sie wieder ewig im Wasser treiben und am Ende doch nicht vom Papier abzubekommen sind. Denn die Druckfarbe der spanischen Briefmarken ist wasserlöslich. Auch viele andere ausländische Selbstklebemarken lassen sich laut Oskar Klan, Chefredakteur des MICHEL-Katalogs, nicht gut im Wasser ablösen. Besonders sind ihm Marken aus den 1960ern aus Österreich und den Niederlanden im Gedächtnis geblieben. Klan empfiehlt, solche Marken mit traditioneller Gummierung sorgfältig auszuschneiden und nicht abzulösen, bevor mit Lösungsmitteln wie Benzin hantiert wird.

Briefmarken im persönlichen Design
Mit klassischen Briefmarken zum ins Album stecken hat das Porto von 2011 wenig gemein. Inzwischen können Grafik-Fans das Design für ihre Briefmarken selbst entwerfen. Die Vielfalt der Motive nimmt somit drastisch zu. Doch diese Art von Briefmarken zu sammeln, ist wenig sinnvoll, da sich wohl kaum Vollständigkeit erreichen lassen wird. Denn es gibt diese selbst gestalteten Briefmarken nicht als klassischen, von der Post herausgegebenen Druck, wodurch schlicht der Überblick fehlt. Als Konsequenz gewinnt die selbst gestaltete Briefmarke auch nicht an Wert. Sie hat in manchen Fällen einen ideellen Wert für den Absender und den Empfänger mit persönlichem Bezug dazu, ist aber für den typischen Sammlerkreis weniger relevant. Aber: “Unter den individuell gestalteten Marken befinden sich viele, die gerade für Motivsammler von großem Interesse sind. Diese werden durchaus gesucht und von den Initiatoren auch entsprechend gestaltet”, meint Klan. Welchen Wert eine selbstgestaltete Briefmarke eines Künstlers einmal erreicht, der erst in 20 Jahren berühmt wird, lässt sich jedoch nicht abschätzen.

Wer kennt den Wert des "Schwarzen Einsers"?
Es ist anzunehmen, dass auch die Werte für seltene Briefmarken über die Jahre hinweg schleichend fallen werden. Denn wo die Sammler aussterben, da finden sich keine Abnehmer mehr, die den Wert einer „blauen Mauritius“ oder der ersten deutschen Briefmarke von 1849, dem „Schwarzen Einser“ aus dem Königreich Bayern, kennen und schätzen. Fehlen die Sammler, sinkt fast zwangsläufig auch der Wert der einst hochgehandelten Briefmarken. Denn neben der Auflage bestimmt insbesondere die Nachfrage den Preis. So die Theorie. “Seltene Briefmarken mit Preisen von 50 000 € oder mehr werden auch unter dem Gesichtspunkt der Geldanlage erworben”, gibt Klan preis und vergleicht diese Marken mit Kunstgegenständen und Antiquitäten. “Ihr Besitz trägt auch zu Ruhm und Ansehen des Besitzers bei, auch in einer Öffentlichkeit außerhalb des Kreises der Briefmarkensammler”, sagt der Fachmann.

Briefmarken in Anmachsprüchen und Jugendkrimis
Die Generation vor mir und ihre Eltern sind noch mit Sprüchen aufgewachsen wie: „Darf ich dir meine Briefmarkensammlung zeigen?“Auch wenn der Spruch meist auf etwas ganz anderes abzielte, wenn ein Junge damit ein Mädchen ansprach, so gab es den ein oder anderen Knaben, der tatsächlich nur das Offensichtliche im Schilde hatte. Ohne Hintergedanken. Einer, der dem Mädel einfach nur seine bunten Bildchen mit der Zähnung zeigen wollte. Weil er besonders hübsche Motive mit Dinosauriern oder Autos darauf in sein Album einsortiert hatte. Oder er weil ein paar seltenere, wertvollere oder interessante Marken aus dem Ausland gesammelt hatte. Diese Generation ist noch mit Hörspielabenteuern und Jugendkrimis groß geworden, in denen der Diebstahl von Briefmarken noch Thema war. TKKG, Folge 17: „Die Doppelgängerin“, ist so ein Beispiel für Briefmarken in der Jugendliteratur und damit auch in der Jugendkultur.

Brieffreunde gesucht
Heute spielen Briefmarken kaum mehr eine Rolle für die Jugend - obwohl es an einigen Schulen Versuche gibt, den Nachwuchs wieder für Briefmarken zu begeistern. Autos sind dagegen immer noch cool und auch Dinosaurier sind zum Teil wieder hip – durch teure Dokus, moderne Ausstellungen, sowie in Abwandlung durch Zeichentrickserien und Sammelspielkarten aus Fernost. Doch die Uhr der Briefmarkensammlung tickt. In Jugendzeitschriften und in den Kleinanzeigen in Comics haben Generationen von Teenagern einst nach Brieffreunden gesucht. Dafür gab es bei einigen Heften sogar eine eigene Rubrik, die oft sogar den meisten Platz auf der Kleinanzeigen-Seite beanspruchte. „Brieffreunde gesucht“ ist inzwischen out. Das Internet mit seiner Möglichkeit, Nachrichten kostenlos per E-Mail zu verschicken, hat auch viel im Bereich “Brieffreunde wegen Briefmarken gesucht” kaputt gemacht.

E-Mails und soziale Netzwerke ersetzen Briefe
Ganz böse ist das Internet aber dann doch nicht. Denn während Briefmarkenbörsen eher zum Rentnertreff mutieren, schlagen bei Online-Auktionen Sammler unterschiedlichen Alters zu, wenn Briefmarken gehandelt werden. Dennoch: E-Mails, Messenger und soziale Netzwerke stehen hoch im Kurs, wenn es um die Übermittlung von Botschaften geht. Einen richtigen Brief ins weit entfernte Ausland zu schicken, ist ja auch limitiert in Sachen Platz und Gewicht und dazu unheimlich teuer in Sachen Porto und Druckkosten. Wer schreibt heute denn noch handschriftliche Briefe? Außerdem dauert es ausgesprochen lang, bis der Brief ankommt und noch viel länger, bis wieder einer zurückkommt. Wenn ihn die Post nicht ohnehin auf dem Weg verliert. Wer Briefe verschicken will, kann das inzwischen sogar bei der Post elektronisch machen. Mit elektronischer Briefmarke. Die kostet sogar. Aber sie ist nichts wert.

Sterben Briefmarkensammler aus? Interview mit Briefmarken-Fachmann Oskar Klan.

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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