Hainhofen damals
WIRTSCHAFTSPOLITIK
… oder bloß a rechts Stammtischgschwätz
Was ihre religiöse Ausrichtung betraf, war sich die Hainhofer Männerwelt der 60er Jahre weitgehend einig, denn man war halt von Geburt an katholisch auf dem Land und so stand man(n) einträchtig während der Sonntagsmesse gemeinsam auf der Männerseite des Kirchenschiffs. Nach dem Gottesdienst gingen die Meinungen aber schnell und unerbittlich auseinander. Nein, nicht beim anschließenden Politisieren drunten vor der Schule, dafür war man halt auf dem Dorf von Geburt an christlich sozial geprägt und die paar Roten hatte man gut im Griff. Aber die Frage, wo man anschließend zum Frühschoppen einkehrte, spaltete die männliche Gesellschaft in zwei fundamentalistische Glaubensgemeinschaften: die einen gingen lieber "zum Otto" und die anderen "zum Dauner". Klar, es gab auch einige Männer, die ihr Hasen-Bier mal hüben oder drüben tranken, aber so ein eingeschworener Stammtischler verirrte sich äußerst selten in die andere Wirtsstube und wenn doch, wurde er von den dort fest verwurzelten Stammtischbrüdern mehr als kritisch beäugt. Beim Kartenspiel der Platzhirsche seine Gosch'n zu halten, war oberstes Gebot für den geduldeten Zaungast. Am einfachsten war die Zuordnung der Lokalität für uniformierte Vereinsmeier nach dem offiziellen Teil kirchlicher Feiertage wie Christi Himmelfahrt. Dann marschierte die Feuerwehr traditionell zum Mayr und die Schützen machten ihren Einkehrschwung bereits beim Dauner.
Ab den späten 60er Jahren zog es die Jugendlichen verstärkt ins "Lamm", denn dort war nur montags geschlossen, es gab einen Spielautomaten und ein kuscheliges Nebenzimmer samt Musikbox mit Knutschfaktor. Die Frauenquote war beim Dauner von jeher deutlich höher. Beim Mayr Otto drüben blieben hingegen die Mannsbilder eisern unter sich und selbst als am Ende nur noch einmal die Woche geöffnet war, hockte eine verschworene Gemeinschaft jeden Sonntagabend zur Bundesliganachlese am legendären runden Tisch. Der Tod der Stammtischkultur kam schleichend: Gemütlichkeit wurde unrentabel, die Wirte fanden keine Nachfolger, die Neubürger sitzen abends vor ihren internetfähigen Smart-TV. Heute gibt es im Dorf kein Wirtshaus mehr, Männer schafkopfen nicht mehr im rauchigen Frühschoppendunst, sie politisieren nicht mehr auf dem Kirchplatz, aber sie gehen ja auch nicht mehr zur Messe ...
Bürgerreporter:in:Helmut Weinl aus Neusäß | |
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