Hainhofen damals
"GEH NÜBER ZUM SCHUR"

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Wenn die Besitzer wechseln und ihre Namen bleiben

Daß mir die Oma 20 Pfennig für ein Eis gab, war damals äußerst selten, denn die Generationen, welche die schmerzhaften Hungersnöte zweier Weltkriege erlitten hatten, waren auch in Zeiten des aufkeimenden Wirtschaftswunders noch sehr sorgsam im Umgang mit dem Inhalt der schmalen Lohntüten. Wenn sie sagte, ich solle damit "zum Schur nüber" gehen, wußte ich zwar genau, wo das Ziel meiner kindlichen Wünsche lag, aber wer dieser ominöse "Schur" sein sollte, habe ich als Kind nie verstanden.

Ich flitzte mit den zwei Zehnerle natürlich zum "Dauner". So nannten alle den Gasthof zum Lamm unterhalb der Kirche, "zum Schur" sagte außer der Oma keiner in meiner Familie zu dieser Wirtschaft. Ich dachte, das wäre vielleicht der Spitzname des stattlichen Wirts, aber vor diesem mordsdrum Mannsbild mit der kleinen Isetta hatte man als Lausbub gehörigen Respekt und man grüßte ihn deshalb stets artig mit "Herr Dauner". Drinnen in seinem Gasthaus gab es in den 60er Jahren das erste "Stängele-Eis". Dazu mußte man im Hausgang neben dem Zigarettenautomat die Klingel drücken, worauf sich das kleine Schiebefenster ratternd öffnete und einem eine der vielen Frauen das begehrte Eis aus der neumodischen Tiefkühltruhe holte. Für 20 Pfennig war dies eine Langnese "Einfach-Eiskrem", ein in Glanzpapier verpackter viereckiger Block aus Erdbeer-, Schoko- oder Vanilleeis, mit einem flachen Holzspatel als Handgriff. Erst mit den Jahren kam die englische Sprache in der Werbung immer mehr in Mode, dann hieß dieses Einsteiger-Eis auf einmal "Jolly".

Was es aber mit besagtem Herrn "Schur" auf sich hatte, hinterfragte ich erst viele Jahre später. Die Oma meinte damit den Martin Schurer, der das Gasthaus bis 1950 betrieb und den man sicher zur damaligen Dorfprominenz zählen konnte. Das Haus wird anno 1825 erstmals urkundlich erwähnt und als es 1887 von Anton und Maria Schurer erworben wurde, erhielt es erstmals den Namen „Gasthaus Schurer“. Im Jahre 1898 erbte Martin Schurer das Anwesen von seinen Eltern und mit seiner Ehefrau Josepha führte er es später unter dem Namen "Gasthaus zum Lamm von Martin Schurer" erfolgreich weiter, bis zur Übergabe an seinen Neffen Stefan Dauner. Das Bier für den Ausschank bezog man bis 1941 vom benachbarten Brauereigasthof Nikolaus Mayr. Martin Schurer war jedoch nicht nur ein anerkannter Wirt, sondern in seinem Amt als Bürgermeister stand er jahrzehntelang an der Spitze des Hainhofer Gemeinderats. Von 1919 bis zum Ende des 2. Weltkriegs war er durchgehend als Gemeindevorstand gewählt worden. Ein Schild an der rechten Eckes des Hauses, welches man auf alten Fotos erkennen kann, weist darauf hin, daß dieses Gasthaus am Kirchberg zugleich die "Wohnung des Bürgermeisters" war.

Meine Oma und ihren Hang zu althergebrachten Hausnamen verstand ich erst im Nachhinein durch eigene Erfahrung nur allzu gut, denn nach dem "Dauner-Wirt" übernahm seine Tochter Luise Schwemmreiter 1973 das Gasthaus zum Lamm und bekochte auch nach dem frühen Tod ihres Mannes die zufriedene Schar der Gäste bis zur Schließung des Betriebs im Jahr 2005. Trotzdem sind wir in all den Jahren nach wie vor niemals "beim Schwemmreiter", sondern stets "beim Dauner" eingekehrt. So ein Türschild ist halt meist schneller ausgetauscht, als der liebgewordene Name und die lange Tradition, die sich hinter den Buchstaben verbergen.

Bürgerreporter:in:

Helmut Weinl aus Neusäß

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