Mitreißende Boogie-Nacht
Gibt es in Holland Vulkane? Die Besucher der 9. Neusässer Boogie-Nacht beantworten diese Frage sicher mit einem begeisterten „ja“. Denn die Holländerin Anke Angell entpuppte sich als überschäumendes Temperamentbündel, Spitzenentertainerin, rasante Boogie-Pianistin – eine ganz seltene species im Gegensatz zu vielen männlichen Kollegen – und Blues-Bardin mit einer herrlich betörenden, sirenenhaften Stimme, einem Vulkan gleich, aus dessen unheimlichen Tiefen es brodelt, der aber zugleich heiße Lava in die Höhe schießen lässt.
Entdeckt wurde die gelernte Juristin von keinem Geringeren als von die Piano-Legende und bekenndem Oscar Peterson-Fan Little Willie Littlefield. Mit ihren musikalischen Qualitäten allein stellte sie die männlichen Kollegen an dem Abend schon in den Schatten. Ihr graziles Äußeres samt Lockenpracht verfehlte seine - natürlich einkalkulierte - Wirkung auch nicht. Ein Gesamtkunstwerk, ob sie raffiniert mit dem Gegensatz der Geschlechter kokettierte bei der Erklärung des „philosophischen“ Hintergrunds des Blues, Alkohol, Männer und Seitensprünge oder ob sie die Geschichte des Boogie erzählt, die die Geschichte der linken Boogie-Hand ist oder die Klassik umdeutet – damals waren Boogie-Rhythmen verboten, also musste man sie verpacken. Und das tat sie dann mit so manchem Säulenheiligen von Beethoven über Brahms. Als Frau Anke aus Holland dann auch noch den Radetzkymarsch zum Boogie umfunktionierte, dabei einen atemberaubend langen Atem bewies und die „Schöne blaue Donau“ zu einer rasanten Boogie-Arie umfunktionierte, gab es kein Halten mehr im Publikum, egal ob männlich oder weiblich.
Der keineswegs spröde Kieler Georg Schroeter hatte eingangs mit seinen freundschaftlichen „Musikschlachten“ und seiner bluesigen Stimme das Publikum schon mal in Stimmung gespielt. Peter Heger, der quirlige Initiator zeigte sich einmal mehr als umtriebiger Boogie-Könner auf allen Tasten, in allen Lebenslagen und Körperhaltungen und in allen Stilrichtungen, von „Alle meine Entchen“ bis zum „Fuchs, du hast die Gans gestohlen.
Nach der Pause bewies Schroeter als Mitglied des Albie-Donnelly-Trios außerordentliche Ensemble-Qualitäten. Obwohl es nicht einfach war, nach dem Vulkan Anke Angell anzutreten, punktete das excellente Trio auf Anhieb. Selbst Wolfgang Diekmann am Kontrabass erhielt Szenenapplaus. Und natür-lich Bandleader Albie Donnelly – auch er ein Multitalent. Mit herrlich rockiger Stimme besang er die Whiskey trinkende Lady – das ging runter wie Balsam. Mit dem Saxophon aber riss er das Publikum zu Beifallsstürmen hin. Das war vom Feinsten. Als dann alle Künstler zum gemeinsamen Show-Down auf die Bühne kamen, gab es kein Halten mehr im Publikum bei Klassikern wie „Route 66“ oder „Kansas City“.
Wie kann man diese Boogie-Nacht noch toppen, fragt man sich zurecht. Aber Peter Heger wird es bei der 10. Boogie-Nacht im März 2008 sicher wieder gelingen, wie diesmal Anke Angell und Albie Donnelly selbst Größen wie Axel Zwingenberger und Vince Weber vom letzten Jahr Paroli bieten konnten. Let’s Boogie all the Time.
Bürgerreporter:in:Kulturbüro Neusäß aus Neusäß |
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