Hainhofen damals
DIE FEUERTAUFE IM OSTERBRUNNEN
ÜBER EINEN BRAUCH, DER NICHT IN DER DORFCHRONIK STEHT
Seit einigen Jahren wird in Hainhofen von vielen freiwilligen Händen der Pfarrgemeinde der kleine Brunnen im Hof des ehemaligen Gasthofs zum Lamm in einen farbenprächtigen Osterbrunnen verwandelt. Pünktlich zum Palmsonntag wird er festlich geschmückt, um die Vorübergehenden mit seinen frühlingshaften Farben in der Osterzeit zu erfreuen und ihren Geldbeuteln einen bescheidenen Obulus zu entlocken.
In meinen Jugendjahren gab es in unserer Gemeinde keinen Osterbrunnen und keinen Maibaum. Diesen Bräuchen wurde erst in den letzten Jahrzehnten von rührigen Bürgern neues Leben eingehaucht. Das Schmücken von Dorfbrunnen zur Osterzeit ist eigentlich in der Fränkischen Schweiz zuhause und hat sich nach und nach in ganz Bayern verbreitet. Wenn man es genau nimmt, ist der Wasserspender im Gasthof zum Lamm aus technischer Sicht gar kein richtiger Brunnen. Sein kühles Wasser wird nicht aus der Tiefe gefördert und benötigt auch keine mechanische Pumpe.Es kommt aus einem Graben, der seinen Ursprung in dem Wäldchen kurz hinter der Mariengrotte hat und von dort in Richtung Torbogen am Pfarrhaus fließt. Ein Teil ergießt sich dort in einen unterirdischen Kanal und der andere Teil speist den Brunnen, wenn nicht in besonders trockenen oder kalten Perioden sein Zufluß völlig versiegt. In früherer Zeit sagte deshalb auch kein echter Hainhofer „Brunnen“ zu diesem Wasserbecken, sondern das war für alle nur der „Grand“. Ein Grand ist von seiner ursprünglich Bedeutung her ein meist länglicher Trog aus Holz, Stein oder Granit zur Aufnahme von Trinkwasser für Tier oder Mensch.
Als die Gaststätte noch eine gut besuchte ländliche Wirtschaft war, standen neben dem Grand stets ein paar der üblichen Biergartentische und Stühle für die sommerlichen Früh- und Dämmerschöppler oder für den „Watt“ am Dienstagabend bereit. Die Kartler, die das Spiel im Freien überdurchschnittlich oft für einen Erleichterungsgang zur Toilette unterbrechen mußten, schworen jeden Eid, daß dies keine Folge ihres hohen Bierkonsums war, sondern behaupteten, alleine das monotone Geplätschere des rauschenden Wasserhahns am Grand würde sich extrem auf ihren gesteigerten Harndrang auswirken.
So mancher junge Hainhofer wurde in diesem Dauner-Grand sogar getauft. Dieser gänzlich unkatholische Akt fand jedoch ohne geistlichen Beistand erst im Teenageralter statt. Wer alt genug war, einen Feuerwehrhelm zu tragen, erschien nach damaligem Moralverständnis auch fähig, seinen inneren „Brand“ am Stammtisch mit ausreichend Bier zu löschen. Es ist bekannterweise seit jeher ein Vorrecht der Jugend, die eigenen Grenzen nicht einschätzen zu können und so kam es, daß man zu vorgerückter Stunde benebelt von schäumenden Hasenbräu oder gar einer hochprozentigen Goaßenmaß den Älteren in der Runde mit halbstarkem Sprücheklopfen und lautem Gesang gewaltig auf die Nerven ging. Die wußten aus eigener Erfahrung sehr genau, wie man solch heißblütige Köpfe in Sekundenschnelle abkühlt. Flugs packten den Schreihals die kräftigen Pranken vom jungen Wirt Heinrich und noch einem handwerklich gestählten Stammtischbruder und schon ging es unter lautem Protest raus in den Hof zum Grand. Ein- oder zweimal den alkoholfiebrigen Kopf des Delinquenten tief ins eiskalte Wasser getaucht, hieß die äußerst schnell wirkende Schocktherapie und danach saßen die so kurierten Grünschnäbel begossen und geläutert für den Rest des Abends stumm wie Fischlein in der Gaststube.
Heute werden demnach keine Jünglinge mehr im altehrwürdigen Grand notgetauft, aber mit seinem zerbrechlichen Schmuck aus handbemalten Ostereiern und grünen Girlanden verwandelt sich das unscheinbare Wasserbecken dafür einmal im Jahr in einen echten Dorfbrunnen.
Bürgerreporter:in:Helmut Weinl aus Neusäß | |
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