Anneli Bronner, Leiterin des Neusässer Kulturbüros, blickt auf das kulturelle Jahr in Neusäß zurück
Los ging das Jahr 22 wie 21 endete, mit Absagen, Verschiebungen und Zuschauerbeschränkungen. Ein absoluten Highlights lieferte im Februar noch intensiver als zuvor Maxi Schafroth. Harald Bschorr und die All Swing Big Band ließen die Besucher mitswingen bei Klassikern von Glenn Miller bis zu Duke Ellington. In der Krimikomödie „Acht Frauen“ setzte die famose Anja Klawun alle unter Hochspannung. Im September erhielt endlich Naturally 7 für vollkommenen Sound Standing Ovations. Michael Martin faszinierte erneut mit atemberaubenden Fotos und fesselnden Kommentaren in der Show „Terra, Gesichter der Erde“. Das Schauspiel-Spektakel „In 80 Tagen um die Welt“ wurde für seine emotional berührende Umsetzung gefeiert. Voll startet in Kürze Marina Igelspachers bestens verkaufte Weihnachtsmusical „3..2..1.. schwerelos“ durch. An Silvester lockt die im Dt. Theater gefeierte Premiere des Brandner Kaspar als Musical mit dem bayerischen TV-Star Michi Grimm.
Schlimm war Ende 2021, erneut absagen zu müssen, das Weihnachtsmusical, Naturally 7, Nemec, Wachtveitl u.v.m. Gelangen Verschiebungen auf den Herbst 22, um eine neue Welle im Winter zu umgehen, traten andere, nicht berechenbare Phänomene ein. Für Naturally 7, die phänomenalen US-Superstars fand sich zu Saisonbeginn trotz intensiver Werbung zu wenig Publikum, das standing ovations spendete. Sie versprachen, wiederzukommen auf der nächsten Tournee.
Besonders problematisch wirkten plötzliche Strategieänderungen, Verschärfungen wie Erleichterungen der C-Prophylaxe. Kurz vor Schafroths Auftritt wurde die Besucherzahl erhöht. Wurden erst viele abgewiesen, gelang die Aufstockung nur bedingt. Dennoch war er glänzend drauf, leitete den 1. Auftritt nach der C-Auszeit mit dem Kompliment an das Publikum ein: „Ich hab‘ Sie unheimlich vermisst … die Crème de la Crème“, im Hinblick auf die rigoros begrenzte Anzahl, weit entfernt von zuvor stets rasch ausverkauften Gastspielen. Publikum wie Maxi genossen nach allzu langer Bühnenabstinenz umso mehr den Auftritt in Neusäß im ungewohnt kleinen Rahmen.
Darauf folgte leider keine Rückkehr zur Normalität, eher zu einer ganz neuen Realität mit anderer Gewichtung der Prioritäten, bei Künstlern wie Besuchern. Selbst große Künstler sagten bei schleppendem Verkauf von sich aus Tourneen im Herbst und Winter ab, wichen heuer auf den Sommer 22 aus oder gleich 23.
Uns geht es wie den meisten. Sich in die eigene Tasche zu lügen, bringt nichts. Theater wie Hallen berichten, dass heuer die Besucherzahlen bei unter 40/50 Prozent derer vor 2020 lagen. Die hohe Inflation, spürt auch Neusäß. Da verzichtet man auf unnötige Ausgaben wie leider auch die Kultur, bei der zur Angst vor C-Varianten und zu großen Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen auch die Energiekrise hinzukam mit der Vorschrift, die Halle auf max. 19 Grad „aufheizen“. Das ist bei 2 bis 3stündigem Stillsitzen kaum auszuhalten ohne Mäntel, die man nicht in den Saal mitnehmen darf aus Haftungsgründen.
Wenn sich Zuschauer anders verhalten, müssten Veranstalter anders planen können. Alte Planungsstrategien wurden ausgehebelt. Auf gewohnte Verkaufszyklen zu Saisonbeginn und in der Vorweihnachtszeit kann man nur mehr begrenzt setzen. Viele Absagen, langes Warten auf Rückzahlungen oder mehrere Verschiebungen über Jahre hinweg – bei uns bei Sebastian Reich von 2019 bis Ende 22, halten Zuschauer davon ab, zeitig zu kaufen. Da kaum Termine ausverkauft sind, gibt es am Abend noch freie Plätze. Besucher könnten selbst bis dahin erkranken, an Corona, Grippe etc..So wurden auch Veranstaltungen abgesagt, weil keine rentablen Tourneen zustande kamen, oder wegen Erkrankung der Künstler, wie die Lesungen von Harald Lesch.
Aktuell wurde eines unserer glänzend verkauften Stücke, „Chocolat“ wegen schwerer Erkrankung von Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer 3 Tage vor dem Auftritt verschoben auf den 27. Januar.
Das macht Planen diffizil, für Veranstalter und noch mehr für Künstler, v.a. Soloselbständige und kleine Theatertruppen ohne potente Agenturen. Honorarausfall bei Absage, auch schmerzlicher Rückgang bei Einnahmenteilung - 2 Jahre Corona und der verhalten anlaufende 3. Winter - könnten so manche Künstler wie Agenturen nicht überleben, ist zu befürchten.
Wir wechseln traditionell jährlich zwischen Stadtfest und Musiksommer ab. Anfang 2022 fiel die Entscheidung, auf beide Festivitäten zugleich zu setzen, auf dem Hintergrund der damals brisanten Coronalage. Sie gebot, Menschenmassen zu vermeiden. Aus den Erfahrungen heraus wurde das Große Stadtfest zum bewährten kleineren Format Kultur im Park. Dazu kam der Musiksommer. Stets auf kleinere Spielstätten verteilt, wurde er nun auf 4 Wochen verlängert, somit „entzerrt“. Damit war man auf der sicheren Seite. Bis zum Sommer sanken zudem die Infektionszahlen. Mit 2 Sommerfesten war das Stadthallenteam doppelt gefragt, bei dezimiertem Personal. Die Firma GoEvent! übernahm, unterstützt v.a. von Technik, Bauhof und Kulturbüro die 4 Tage Kultur im Park. D’ Bavaresi heizten zum Auftakt dem Publikum trotz Kälte und Regen gehörig ein, Stimmung kam bei DUO SOLEMIO auf, Coldheart und SIXtreme rockten die Besucher gehörig und zum Ausklang mischte Olles Leiwand mit Austropop das Publikum auf. Kids beteiligten sich mit Feuereifer an der Kinderkunstaktion von Brocker/Faßnacht, erkletterten die Parkbäume mit Jochen Vehs Hilfe und machten mit Begeisterung bei Marina Igelspachers Musikspatzen mit.
Die Stadtkapelle unter Donderers Leitung eröffnete am 24.6. den Musiksommer mit schwungvollen Melodien bei Regen und ließ es unter Manuel Gonzales’ Leitung am 24.7. am Kobel bei Traumwetter beschwingt ausklingen. Die Musikschule stellte sich beim bestens besuchten Tag der offenen Tür vor und gestaltete mit dem Jugend-Percussion-Ensemble, vielen Gruppen und Marina Igelspachers Musikspatzen bei glühender Hitze im Atrium des Hauses ein KinderMusikFest.Im Gartenatelier genoss man Olli Marschalls Skulpturen und das Schein-Eilig-Konzert. Neben kleineren Aktionen gab es zum krönenden Abschluss in der Halle ein mit Ovationen bedachtes Konzert des international gefeierten Stargeigers Sandro Roy aus Neusäß und eine traumhafte Romantische Sternennacht mit den Spitzenmusikern Angela Rossel, Stephanie Knauer und Laurence Gien.
Nach den beiden aufwendigen Großveranstaltungen steht vernünftigerweise 23 ein Stadtfest an und 24 der nächste Musiksommer.
Kabarett bleibt bei uns trotz c-bedingter Zurückhaltung wie stets stark gefragt, mit Topstar und Neusäßer Dauergast Maxi Schafroth, Wolfgang Krebs mit neuem Programm, das die SZ als „ganz große Bühnenkunst“ wertete und dem Shooting-Star Martin Frank, der frech, verschmitzt, gespickt mit Arien über das absurde Leben sinniert.
Dazu gibt es den Krimi-Klassiker „Bei Anruf Mord“ und die Komödie „Geliebte Hexe“, ein Kino-Welterfolg, sowie die neue Young-Stage-Musical-Show „That’s Entertainment“ und das Muttertagskonzert der Stadtkapelle.
Im Juli folgt das große Stadtfest, solo. Der Musiksommer steht erst 2023 an.
Für die Kultur erhoffe ich eine Beruhigung der Schreckensszenarien mit Pandemie, Krieg und Energiepreissprüngen samt Inflation, so dass wieder mehr Menschen Kultur genießen als essentielle Bereicherung ihres Lebens gemäß dem Motto: Kultur ist nicht alles, aber ohne Kultur alles nichts.
Bürgerreporter:in:Kulturbüro Neusäß aus Neusäß |
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