myheimat Neusäß: WER WAR VATER KLEIN?

Die Vater-Klein-Straße erinnert an die "Neusässer Blindenindustrie" der Nachkriegszeit
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  • Die Vater-Klein-Straße erinnert an die "Neusässer Blindenindustrie" der Nachkriegszeit
  • hochgeladen von Helmut Weinl

STRASSENNAMEN IN NEUSÄSS AUF DEN GRUND GEGANGEN Teil 6

Bei „Vater-Klein“ denke ich zunächst unwillkürlich an einen altvorderen Recken wie den rauschebärtigen Turnvater Jahn als Namenspaten dieser Straße, doch der wahre Mensch dahinter stellt eine weitaus engere Beziehung zu Neusäß her, obwohl er ebenso wenig hier gelebt hat.

Johann Wilhelm Klein (1765 – 1848) wurde in dem kleinen Ort Alerheim bei Nördlingen geboren. Nach seinem Studium in Stuttgart und einer ersten Tätigkeit als Sekretär im fürstlichen Oberamt seines Geburtsorts, verschlug es ihn 1799 in den Notzeiten der napoleonischen Kriegszüge nach Wien, wo er bis zu seinem Tod lebte und wirkte. Sein Lebensinhalt war die Fürsorge um blinde Kinder, d.h. Sie adäquat zu erziehen und ihnen die Chance zu bieten, in einem erlernten Beruf den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Zu diesem Zweck gründete er ein Institut, verfaßte Lehrbücher zur Unterrichtung Blinder und erfand den sog. „Stacheltypen-Apparat“ mit Hilfe dessen eine Art Blindenschrift geschrieben werden konnte. Dabei wurden punktierte lateinische Großbuchstaben quasi seitenverkehrt in das Papier gestanzt und die so erzeugte „Stachelschrift“ konnte von Sehenden gelesen und von Blinden ertastet werden. Das Verfahren war jedoch relativ zeitaufwändig und so hat sich letztendlich die heute bekannte Blindenschrift des Franzosen Louis Braille durchgesetzt.

Doch wie kommt nun dieser „Vater Klein“ auf das Neusässer Straßenschild? Auf Initiative des sozial engagierten Bürgermeisters Albert Kaifer fanden nach dem 2. Weltkrieg blinde sudetendeutsche Flüchtlinge Zuflucht in Neusäß. Dazu wurden ab 1948 zwei Wohnblocks an der heutigen Vater-Klein-Straße für deren Unterbringung erstellt und später wurden an der Ecke Rembold-/Pallerstraße diverse Holzbaracken erbaut, in denen eine Blindenwerkstatt, eine Schreinerei und eine kleine Fabrik für Polstermöbel als Arbeitsstellen für die Sehbehinderten eingerichtet wurden.

Wenn man heute den Straßenring durchläuft, den die Vater-Klein-Straße zwischen Westheimer Straße und Autohaus Drexl & Ziegler bildet, fallen einem zwei weitere Namen auf, die gut in diesen Kontext passen. Da ist zum einen die „Braille-Straße“, bei welcher der Zusammenhang zur „Neusässer Blindenindustrie“ offensichtlich ist und man quert daneben mehrfach die „Deuterstraße“. Der Name des Industriellen Hans Deuter ist natürlich weit über Augsburgs Grenzen hinaus bekannt, doch daß gerade hier eine Straße nach ihm benannt wurde, erinnert daran, daß er damals die Bauplätze für die Wohnblocks der blinden Flüchtlinge zur Verfügung gestellt hat.

Die Vater-Klein-Straße erinnert an die "Neusässer Blindenindustrie" der Nachkriegszeit
Johann Wilhelm, genannt "Vater, Klein
Bürgerreporter:in:

Helmut Weinl aus Neusäß

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