Anja Klawun fesselte beim ersten von derselben Autorin verfassten „Theaterlust“-Stück, „Die Päpstin“, als leidende wie leidenschaftliche Frau und Mutter und als männlicher Papst, dem sie statt weiblicher menschliche Züge gab. Das verschlug Publikum wie Kritik die Sprache, mündete in Standing Ovations. Geniale Lichtregie verschmolz mit dem Bühnenbild in Form von Brettern, die flugs zu Beichtstuhl, Wand, Zelle und Wiege mutierten, zu einer lustvollen Einheit.
Mit Hildegard verkörpert die Klawun erneut eine Frau, die in einer Männerdomäne aufstieg zu einer der größten geistlichen Autoritäten des Mittelalters. Klawuns Deutung der großen Mystikerin, Äbtissin, Naturwissenschaftlerin, Ärztin, Komponistin und Theologin, deren Wirkung bis heute anhält, garantiert rundum faszinierendes Theater.
Als Hildegard im 11. Jh. als Adelige ins Kloster kam, war es unvorstellbar, dass aus dem kränklichen Mädchen eine der bedeutendsten Frauen der Weltgeschichte würde. Kann eine Frau Gott näher sein als jeder Mann? Kann sie Visionen empfangen, die keinem Mann zu teil wurden? Solche Fragen waren vor Hildegard ketzerisch, danach wurden sie bejaht. „Gottes kleine Posaune“, so sah sie sich selbst, blies nach ihren ersten Visionen den Größten des Klerus und weltlicher Macht kräftig den Marsch und ging ihren Weg mit unbändiger Überzeugungskraft bis zur Erkenntnis von der Einheit der Dinge konsequent weiter. Musik – für Hildegard existentiell als Ausdruck höchster Harmonie von Mensch und Gott – bildet einen zentralen Punkt der Inszenierung.
Bürgerreporter:in:Kulturbüro Neusäß aus Neusäß |
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