Mehr weibliches Engagement im THW
Frauen im THW – braucht es mehr Förderung?
Das THW wird vor allem durch den Einsatz ehrenamtlich engagierter Menschen getragen. In 668 Ortsverbänden sind mittlerweile rund 80.000 Personen in Deutschland für den Zivil- und Katastrophenschutz aktiv – Frauen wie Männer. In Bayern sind es in 111 Ortsverbänden rund 14.000 Ehrenamtliche. Ob bei Hochwasserschutz, Großbränden, Stromausfällen oder Schneechaos – immer sind sie zur Stelle. Im Auftrag des Bundes ist das THW auch im Ausland mit Partnerbehörden im Einsatz.
Der Jahresbericht des THWs von 2021 beschreibt weibliches Engagement als „unaufhaltsam“. Bereits rund 40% der hauptamtlichen Stellen waren zuletzt von Frauen besetzt – bei den ehrenamtlichen Einsatzkräften betrug der Frauenanteil aber nur rund 16%. Von den 66 Regionalstellen sind laut der YouTube-Reihe „Frauen im THW: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ auch nur 17 weiblich besetzt. In der THW-Jugend sind 19% Mädchen.
Die 2021 rund 11.000 weiblichen Ehrenamtlichen werden aber Tag für Tag mehr. So waren vor 20 Jahren statt den 16% nur ca. 5% weiblich. In Bayern liegt der Frauenanteil laut dem Landesverband bisher nur bei 14,9%. Frauen stellen nicht nur weitere Einsatzkräfte dar, mit ihren individuellen Charakteren, Fähigkeiten und Hintergründen bereichern sie auch das THW. So tragen sie zu neuen kreativen Ansätzen zur Meisterung der diversesten Einsätze bei. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass es in Führungsstäben von Ortsgruppen manchmal unbesetzte Stellen gibt, können Frauen eine entscheidende Rolle spielen. Denn ein höherer Frauenanteil im THW bedeutet in der Regel auch, dass mehr Menschen insgesamt im THW aktiv sind.
In der Vergangenheit war es Frauen aber seit 1955 sogar verboten, mit zum Einsatz zu kommen. Dem damaligen Bild der häuslichen, schwachen Frau entsprechend, konnten sie auf Anfrage beim Landesbeauftragten maximal in der Küche oder der Verwaltung tätig sein. Frauen interessierten sich lange auch gar nicht für den technischen Part, sagt Helga Honsell vom THW Radolfzell am Bodensee – dafür wären ja die Männer da gewesen. Frau Honsell beschreibt sich in der bereits erwähnten, vom THW erstellten YouTube-Reihe, in der Anfangszeit vor allem als die „Mutter der Kompanie“. Bei Sorgen der Männer war sie für sie da. Die ersten ausgebildeten Frauen im THW seien dann in den 70er-Jahren aber vor allem Ehefrauen von THW-Mitgliedern gewesen, die sicher gehen wollten, was ihre Männer denn dort so treiben würden. Erst nach und nach erkannten die Frauen, dass sie auch etwas lernen können beim THW und den Männern eigentlich auch gleichgestellt werden. Gerade als Ausgleich, zu der in der Regel damals gar nicht handwerklich geprägten Arbeit von Frauen, war es für manche eine schöne Abwechslung, beschreibt es Helga Honsell. 1959 wurde das Engagement von Frauen im THW offiziell erlaubt – jedoch z. B. nur als Sanitätshelferin oder in der Verwaltung. 1968 waren sie dann zwar endlich offizieller Teil der Einsätze, durften aber nur typisch weibliche Tätigkeiten wahrnehmen, die keine körperliche Beanspruchung nach sich ziehen. Dennoch kamen nun nach und nach immer mehr Frauen zum THW. Die Wehrpflicht brachte bis 2011, mit der Möglichkeit des ersatzweisen Dienstes beim THW, aber weiter insbesondere Männer zum THW. Erst danach wurde das THW richtig aktiv mit öffentlichkeitswirksamen Kampagnen – diese richtete man dann nun gleich an Männer und Frauen.
Eine Frau die es weit brachte, ist Sabine Lackner. Sie ist seit 2020 Vizepräsidentin der deutschen THW-Leitung und damit die erste Frau in diesem Amt. „Ein gutes Signal“, nennt es die THW-Pressestelle und hofft, dass der Funken auf weitere Frauen überspringt. Zudem war Frau Lackner die erste weibliche Landesbeauftragte und Referatsleiterin in der THW-Leitung. Als Letztere kam sie 2001 im Auslandsreferat zum THW. „Von alleine ändert sich gar nichts“, sagt sie in der eigens erstellten YouTube-Reihe des THWs. Bei Parität und Diversität sieht die Vizepräsidentin noch „Luft nach oben“ – „unsere Gesellschaft lebt davon und das THW auch“, sagt sie. Außerdem sieht sie hierin eine gewisse Vorbildfunktion des THWs als Bundesbehörde, die demokratische Werte und Pflichten vertritt. Mit Verweis auf die verfassungsrechtliche Gleichstellung von Mann und Frau, liege das Thema dem THW laut dessen Pressestelle sogar „am Herzen“.
Das THW wurde 2010 Teil der „Charta der Vielfalt“, einer Unternehmerinitiative, die ein Umfeld ohne Vorurteile und mit Wertschätzung für alle schaffen möchte. Ähnlich betont es der 9. THW-Leitsatz, mit dem man sich für die „Vielfalt unserer Gesellschaft auch im THW“ einsetzen will.
Generell müsse aber auch das Bewusstsein für Frauen weiter ausgebaut werden, so Lackner weiter. Dies gelinge am besten, wenn man sensibel vorgeht und nicht mit der Brechstange. Oft genüge auch schon ein schlichter Hinweis, wenn eine Anrede z. B. nur an Männer gerichtet ist. Diesen sei das oft schlicht nicht aufgefallen. Mädchen und Frauen empfiehlt Sabine Lackner ihre „eigenen Anwältinnen“ zu sein, sich an Vorbilder zu wenden und ihre Rechte einzufordern. „Lasst euch beraten“ - und kommt raus aus einer evtl. passiven Haltung, so die Vizepräsidentin und blickt optimistisch in die Zukunft.
Gemeinsam mit Präsident Gerd Friedmann will sie die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und THW durch bessere Rahmenbedingungen fördern. Auch ein Flyer wurde konzipiert. Zudem sollen bei Neubauten oder Sanierungen immer die Bedürfnisse von Frauen und Eltern mit Kind berücksichtigt werden – denn auch Männer würden immer mehr Verantwortung übernehmen wollen. Laut der THW-Pressestelle sollen vor allem „strukturelle Hindernisse“ beseitigt werden.
Aktionstage wie regelmäßige „Helferinnentage“ sollen für alle Mädchen und Frauen Austausch und Erfahrungsgewinn ermöglichen. In einem geplanten Mentoring-Programm sollen erfahrene Kräfte weiblichem Nachwuchs beratend zur Seite stehen. Zudem sind sog. „Helferinnenbeauftragte“ in den Landesverbänden und eine online-Plattform für Mädchen und Frauen vorgesehen. Ebenso richtet sich die „Deine Zeit ist jetzt“-Kampagnen besonders auch an weibliche Interessierte. Jedes Jahr im April öffnen am „Girls‘ Day“ viele THW-Ortsgruppen einen Tag lang ihre Pforten für Mädchen und erläutern ihnen den vermeintlichen Männerbereich „Technik“. Vorkenntnisse braucht man beim THW nämlich nicht – alles wird in einer kostenlosen Ausbildung von Grund auf vermittelt.
Ebenso sollen die lokalen Ortsverbände die Möglichkeit bekommen, zu berichten, was bereits schon gut läuft und wo noch Nachholbedarf besteht.
Drei von ihnen sind die Ortsverbände Friedberg, Schwabmünchen und Augsburg im bayerischen Schwaben. Der Frauenanteil liegt in Friedberg bei 12,5% und der aktuell achtköpfige Führungsstab umfasst auch zwei Frauen. Ebenso sind in der Jugendarbeit Mädchen aktiv – aber nur zwei von 14 sog. Junghelfer/-innen sind hier weiblich. In Schwabmünchen beträgt der Frauenanteil bei den Erwachsenen ca. 12%, in der Jugend immerhin 25%.
Die drei Ortsgruppen halten es dennoch nicht für erforderlich, Frauen mehr zu fördern. Dass Frauen „in allen Positionen vertreten“ seien, zeige, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Im Einsatz ist man ein Team, jeder hat seine Aufgabe, „da spielt das Geschlecht keine Rolle. Jeder von uns leistet das was er kann und wir unterstützen uns gegenseitig“, so der Ortsverband Friedberg auf Anfrage. Ähnlich sieht man es auch in Augsburg, wo der Frauenanteil mit knapp 14% sogar leicht höher liegt. Gleicher Auffassung ist man in Schwabmünchen. Aktuelle Rahmenbedingungen stehen „schon grundsätzlich der Gleichberechtigung von allen Geschlechtern nicht im Wege“, so der Ortsverband. Dies bestätige auch eine kürzlich durchgeführte bundesweite Ehrenamtsbefragung. Im Ortsverband pflegt man „eine Führungskultur, in der Sexismus nicht toleriert wird“, so deren Pressebeauftragte weiter.
Vor Ort setze man vor allem darauf, Frauen im Bekanntenkreis aktiv anzusprechen und zu motivieren, sich einmal im Ortsverband ein konkretes Bild vom THW zu machen. Auch in Augsburg ist man der Meinung, dass viele weibliche Mitmenschen die Vielzahl an Möglichkeiten im THW noch gar nicht kennen und verweist auf regelmäßige Infotage. Auch in den Bereichen Einsatztaktik, Logistik, Verwaltung oder Ausbildung könne man sich einbringen, so der Ortsverband auf Nachfrage und empfiehlt, sich vor Ort beraten zu lassen. Alle drei Verbände eint zudem, dass ihnen mehr Frauen im THW auf jeden Fall wichtig sind.
Um es abschließend mit den Worten von THW-Ehrenpräsident Albrecht Broemme zu sagen: „Ehrenamtliches Engagement ist ein wesentlicher Bestandteil eigentlich für jeden Menschen“ – und das gilt somit auch für Frauen. Nach ihm haben Klischees und starre Rollenbilder im THW keinen Platz mehr. Denn alle wollen sie ja im Kern nur eines: Menschen in Not professionelle Hilfe leisten! „Ohne das THW würde Vieles in Deutschland nicht funktionieren“, deswegen bleibt das THW weiterhin aktiv, Frauen für den Einsatz bei sich zu begeistern.
Bürgerreporter:in:Christoph Mahle |
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