Rabbi Löw, der Golem und ich.
Im Jahr 2004 zog ich in ein altes Fachwerkhaus, das bis 1905 ein jüdisches Haus war. Bevor ich einziehen konnte, wurde der Speicher ausgebaut. So weit, so gut.
Was hat aber jetzt der Ausbau meines Speichers mit Rabbi Löw und seinem Golem zu tun?
Ich werde Euch die Geschichte erzählen.
Wer Angst hat: Bitte nicht weiter lesen!
10 Jahre war ich Reiseleiterin und sehr oft in Prag. Dort machte ich auch Stadtführungen und somit auch Führungen durch das jüdische Prag. An der Altneusynagoge erzählte ich den Gästen auch die Geschichte vom Golem, der auf dem Dachboden schläft und darauf wartet wieder erweckt zu werden.
Es sind verschiedene Varianten der Golem-Legende bekannt. Ich habe immer nur die nachfolgende erzählt.
Eine Verbindung zwischen der Gestalt des Rabbi Löw und der Golemlegende kam um 1725 auf, als der historische Grabstein Löws auf dem alten jüdischen Prager Friedhof restauriert wurde und Prag das Zentrum einer erneuten Beschäftigung mit der Kabbala war.
In Prag befand sich im Spätmittelalter die größte und mit zahlreichen Gelehrten ausgestattete jüdische Gemeinde Europas. Auch Rabbi Löw, der aus Worms stammte, wirkte dort.
Die Aufgabe des Rabbi Löw war, dem bedrängten Volk der Juden von Prag zu helfen. Denn in 1580 soll ein Geistlicher mit dem Namen Thaddäus sich erneut gegen die Juden der Stadt gewandt haben und hatte gegen die Prager Judenschaft Ritualmordbeschuldigungen vorgebracht.
Im Traume wurde dem Rabbi der Gedanke eingegeben, aus Ton die Figur eines Menschen zu formen der ihm dabei hilft, die gegen die Prager Juden gerichteten Pläne zu vereiteln.
Darauf hin rief Rabbi Löw seinen Schwiegersohn und einen Schüler zu sich und erzählte ihnen von seinem Traum. Zur Erschaffung eines Golems wurden die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft benötigt. Rabbi Löw hatte die Eigenschaften des Windes, der Schwiegersohn die des Feuers und der Schüler die des Wassers. Den beiden wurde der Eid abgenommen über das Vorhaben zu schweigen, und der Rabbi ordnete an, dass sie sich sieben Tage lang durch beten auf das Werk vorbereiten sollten.
Um vier Uhr morgens am 17. März 1580 begaben sich die drei Männer zu einer Lehmgrube an der Moldau außerhalb der Stadt (nur an dieser Stelle gibt es den etwas helleren Lehm).
Aus dem feuchten Lehm fertigten sie eine drei Ellen hohe Figur an, der sie menschliche Züge verliehen. Rabbi Löw befahl seinem Schwiegersohn siebenmal um den Golem herumzugehen und dabei eine Formel aufzusagen, die der Rabbi ihm vorgab. Daraufhin begann die Tonfigur zu glühen. Anschließend umschritt der Schüler den Golem siebenmal: der Körper wurde feucht und strömte Dämpfe aus, und dem Golem wuchsen Haare und Fingernägel. Als letzter schritt der Rabbi siebenmal um den Golem herum, und schließlich stellten sich die drei Beteiligten zu Füßen des Golem auf und sprachen gemeinsam den Satz aus der Schöpfungsgeschichte: „Und G-tt blies ihm den lebendigen Atem in die Nase, und der Mensch erwachte zum Leben.“
Da öffnete der Golem die Augen. Als Rabbi Löw ihm befahl aufzustehen, erhob er sich und stand nackt vor den drei Männern. Sie kleideten ihn in das mitgebrachte Gewand eines Synagogendieners, und Rabbi Löw gab ihm den Namen Joseph.
Der Golem saß in einer Ecke des Zimmers des Rabbis wie eine Puppe ohne Leben. Zum Leben erweckt wurde er erst durch kabbalistische Rituale. Hierzu wurde ihm ein Zettel mit dem Schem, dem Namen G-ttes, unter die Zunge gelegt. Dieser Zettel verlieh ihm Leben; sollte der Golem aber unsichtbar werden, so legte ihm der Rabbi zusätzlich ein Amulett aus Hirschhaut um.
Die Aufgabe des Golem war es, in der Zeit vor dem Pessachfest jede Nacht durch die Stadt zu streifen und jeden anzuhalten der eine Last mit sich trug, um zu kontrollieren ob er ein totes Kind mit sich führe, dass in die Judengasse geworfen werden sollte (wurde oft von Christen praktiziert um den Juden einen Ritualmord anzuhängen und somit ein Pogrom auszulösen).
Zusätzlich machte sich der Golem als Synagogendiener nützlich, indem er die Synagoge ausfegte und die Glocken läutete. Der Zettel unter der Zunge musste an jedem Shabbat entfernt werden.
Als der Rabbi Löw einmal vergessen hatte ihm den Zettel aus dem Mund zu nehmen, begann der Golem in den Straßen des Prager Ghettos rasend alles zu zerschlagen was ihm in den Weg kam. Der Rabbi warf sich vor ihn, entfernte den Zettel und vernichtete diesen. Daraufhin schlief der Golem.
Nachdem lange Zeit gegen die Gemeinde keine verleumderischen Vorwürfe mehr erhoben wurden beschloss der Rabbi im Jahr 1593, dass man den Golem jetzt nicht mehr brauche.
Der Golem durfte nicht wie üblich in der Wohnung des Rabbi schlafen, sondern musste sein Bett auf den Dachboden der Altneusynagoge aufstellen. Wieder versammelte er seinen Schwiegersohn und den Schüler um sich, die schon bei der Erschaffung des Golems mitgewirkt hatten. Sie trafen sich schon wie bei dessen Erschaffung, nur dieses Mal an seinem Bett auf dem Dachboden der Altneusynagoge, wo der Golem schlief, gingen aber genau in entgegengesetzter Reihenfolge vor, als sie es bei der Erschaffung getan hatten. Statt zu seinen Füßen standen sie an seinem Kopf. Hierauf zerfiel der Golem zu einem Haufen Lehm. Rabbi Löw deckte ihn mit den alten Gebetsmänteln und mit Schriftrollen zu, die auf dem Dachboden der Altneusynagoge reichlich umherlagen.
Allen wurde verboten, jemals den Dachboden der Altneusynagoge zu betreten. Gemäß der Legende wird darum ein Lehmhaufen auf dem Dachboden der Prager Altneu-Synagoge, die während des Zweiten Weltkrieges nicht zerstört wurde, als sein Überrest angesehen.
Jetzt zurück nach Linz.
Während des Ausbaus meines Speichers war es sehr heiß. Da der Boden des Dachbodens einsturzgefährdet war, hatte seit unendlichen Zeiten diesen niemand mehr betreten. Zu dem obersten Stockwerk führt eine sehr schmale Treppe, die auf einen kleinen Absatz mündet und über denjenigen zu einer kleinen Tür führt.
Ich dachte mir geh doch mal nachschauen, was der Handwerker da oben macht. Als ich die enge Treppe hochstieg ging im gleichen Moment die kleine Tür auf und vor mir stand ein Golem.
Das Herz blieb mir stehen. Zum Glück nur kurz. Ich hatte aber wirklich gedacht, ich bekomme einen Herzinfarkt oder werde gleich verrückt.
Der Staub von Jahrhunderten klebte auf dem nassgeschwitzten Handwerker, man konnte ihn wirklich nicht mehr als Mensch erkennen.
Und dieses Gebilde kam direkt auf mich zu!
Hier könnt Ihr noch mehr über dieses Haus erfahren: http://www.myheimat.de/linz-am-rhein/beitrag/11361...
und http://www.myheimat.de/linz-am-rhein/beitrag/12007...
Bürgerreporter:in:Gisela Görgens aus Quedlinburg |
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