Rollstuhlfahrer trainieren Selbstverteidigung

Die RSG Langenhagen bietet jetzt auch Training an.

Die in den letzten Monaten und Jahren zunehmenden Gewalttaten und Pöbeleien auf offener Straße machen selbst vor Menschen mit Behinderungen nicht Halt. Auch viele Rollstuhlfahrer/-innen haben schon entsprechende Erfahrungen sammeln können. Aufgrund ihrer vermeintlichen Hilflosigkeit stellen sie wahrscheinlich für die angreifende Person ein typisches Opfer dar. Doch diese Einschätzung kann seitens des Angreifers künftig auch mit einer unangenehmen Überraschung enden.

In einem mindestens in Niedersachsen einmaligen Projekt bietet die RSG Langenhagen einen Selbstverteidigungskurs speziell für Rollstuhlfahrer/-innen an. Der inhaltliche Teil wird dabei vom Leiter der Bremer „Organisation Für Effektive Selbstverteidigung“ (OFES) Nils Thate vermittelt; ihm zur Seite stehen die Übungsleiter Bernd Rosemann und Yasar Aladag. Beim Frühjahrsworkshop waren auch BSN-Ehrenpräsident Heiner Rust und der Geschäftsführer des Neuer Start Verlags Horst Podella unter den Aktiven.

Nach dem ersten Trainingstag im Februar wurde im April nun zum zweiten Mal ein Training durchgeführt. Motiviert durch drei Workshops, die in den Vorjahren angeboten wurden, haben sich 23 Teilnehmer für das regelmäßige Training angemeldet. Während bei den Workshops die Vermittlung theoretischer Kenntnisse im Vordergrund stand, verlegt Nils Thate bei den Trainingstagen den Schwerpunkt auf die praktischen Übungen.

Hochmotiviert und mit einer freudigen Anspannung kamen die Rollstuhlfahrer zum Training. Nils Thate löst durch seine freundliche, verbindliche Art dieses Spannungsgefühl schnell auf. Zu Beginn merkten die Trainierenden bei den Übungen nicht unbedingt, dass es sich dabei um eine effektive Selbstverteidigung handeln könnte. Die langsamen und fließenden Bewegungen helfen den Anfängern jedoch, sich die Abläufe einzuprägen und nach vielen Wiederholungen auch zu automatisieren. Im Ernstfall wird man sich auf diese erlernten Fähigkeiten verlassen können, ohne lange darüber nachzudenken. Es ist wichtig, auf einen körperlichen Angriff schnell und effektiv zu reagieren. Um dieses Ziel zu erreichen kann es fürs Erste genügen, die Kraft des Angreifers für sich selbst zu nutzen und die Attacken ins Leere laufen zu lassen. Hilft das nicht, darf der ursprünglich für die Opferrolle vorgesehene Rollstuhlfahrer sich nicht scheuen, seinen Widersacher auf den Kehlkopf, in die Augen oder gegen sonstige empfindliche Stellen zu schlagen. Wie das funktioniert, wird in acht jeweils zwei-stündigen Trainings sowie durch Wiederholung der Übungen zu Hause erlernt.

Offenbar hat die RSG Langenhagen in Zusammenarbeit mit OFES und der begleitenden Öffentlichkeitsarbeit großes Interesse ausgelöst, das über die Grenzen Niedersachsens hinaus geht. Nils Thate hat zwischenzeitlich ein Seminar für rollstuhlfahrende Kinder in Dithmarschen (Schleswig-Holstein) durchgeführt und auch aus Berlin liegt eine Anfrage vor.

Diese Initiative der RSG hat eine tolle Entwicklung erzielt. Angespornt von diesem Erfolg, sind schon weitere Ideen für Folgeprojekte entwickelt. „Wir werden sicherlich das Training auch weiter fortsetzen. Besonders freue ich mich auf den Workshop am 21. September, den wir erstmalig für Kinder anbieten werden. Das wird ein neues Kapitel und nach meiner Überzeugung ein weiteres tolles RSG-Angebot“, äußerte sich Ulrike Kriebel. die auch selbst am Training teilnimmt.

Gefördert wird die RSG Langenhagen durch die Initiative „Vereint für Hannover“ und die Stiftung Edelhof Ricklingen.

Gabriela Höbelt und Udo Schulz

Bürgerreporter:in:

Ulrike Kriebel aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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