Fotografie und Datenschutz: Was ist mit Kfz-Kennzeichen im Bild?
Wir fotografieren ja manchmal in den Straßen unserer Stadt, jedenfalls alle Hobby-Lichtbildner, die nicht ausgesprochene Naturburschen und –mädels sind. Klar, bei dem heutigen Verkehr kommen dabei zumeist unweigerlich auch die motorisierten Nachfolger der früheren Droschken mit aufs Bild. Müssen wir dann eigentlich vor einer Veröffentlichung dieser Fotos immer die Nummernschilder der Autos wegretuschieren? Das kann schon einmal recht mühselig sein, besonders wenn viele Fahrzeuge auf dem Foto abgebildet sind. Und manchmal sieht das so veränderte Bild dann echt …, na ja, eben nicht mehr so gut wie vor dem Eingriff aus. Grund genug, um dieser Frage einmal nachzugehen.
Schnell wurde ich im Netzt auch fündig. Auf einer Seite, die sich „ Ratgeber computerwissen“ nennt. „Veröffentlichen Sie auch keine Bilder, auf denen Autokennzeichen zu erkennen sind – auch nicht auf Ihrer privaten Homepage. Unter Umständen können Sie damit die Persönlichkeitsrechte des Fahrzeughalters verletzen, der ja über das Kennzeichen identifizierbar ist“, heißt es da als Tipp.
Aber, so sagte ich mir bei der Lektüre dieser wenigen Zeilen, so einfach ist das mit dem Identifizieren doch gar nicht. Es sei denn, man arbeitet bei der Zulassungsstelle oder der Polizei. Und: wer seinen Wagen im öffentlich Raum zeigt, etwa vor einer abgelichteten Sehenswürdigkeit parkt, muss der es sich nicht auch gefallen lassen, wenn seine Blechkiste anschließend auf dem Foto zu sehen ist? Andererseits, es kann auch mal peinlich werden. Entdeckt etwa die Ehefrau auf einem veröffentlichten Foto, dass der Wagen ihres Mannes (über die Möglichkeit der Zuordnung des Kfz-Schildes brauchen wir hier nicht weiter zu nachzudenken, die besseren Hälften kennen im Allgemeinen die Nummer) direkt vor einem Haus parkt, in dem sich ein Bordell befindet, könnte es für ihn schon einmal unangenehme Nachfragen geben. Umgekehrt lässt sich das Beispiel natürlich auch bilden, wenn er ihren Wagen davor findet … Also, hat der Ratgeber doch recht?
Allgemeines Persönlichkeitsrecht und Datenschutz
Bei meiner weiteren Recherche stieß ich auf einen Beschluss des Landgerichts (LG) Kassel vom 10. Mai 2007 (Az.: - Az.: 1 T 75/07 -). Die Kasseler Richter beantworten die Anfangs gestellte Frage ziemlich eindeutig, jedenfalls soweit es um das Recht der Bundesrepublik Deutschland geht. „Im Ergebnis zutreffend hat das Amtsgericht eine Persönlichkeitsrechtsverletzung zulasten des Antragstellers durch die Benennung des Kraftfahrzeugkennzeichen des Fahrzeugs des Klägers in einem Beitrag im Internet über den Umstand, dass der Antragsteller als Rechtsanwalt Akten in seinem Auto habe liegen lassen, verneint. „, heißt es da. Und weiter: „Ob eine Verletzung des durch die §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt, ist jeweils anhand des zu beurteilenden Einzelfalls festzustellen. Denn wegen der Eigenheiten des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss grundsätzlich erst durch eine Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der anderen Seite ermittelt werden. Als Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts innerhalb der hier allein als betroffen in Betracht zu ziehenden Privatsphäre ist u. a. das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten anerkannt. Dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung, auf das sich der Antragssteiler beruft, stellt sich als die Befugnis des einzelnen dar, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob, wann und innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden. Dieses Recht ist aber nicht schrankenlos gewährleistet. Der einzelne hat keine absolute, uneingeschränkte Herrschaft über "seine" Daten, weil er seine Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltet, in der auch personenbezogene Informationen einen Teil der sozialen Realität darstellen, der nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann (vgl. BGH NJW 1991, 1532; NJW 2004 762). Unter Berücksichtigung des Vorstehenden begründet die Veröffentlichung des Autokennzeichens des Antragstellers in dem konkreten Beitrag des Antragsgegners in dem Internetforum keinen rechtswidrigen Eingriff in das Recht des Antragstellers, selbst über die Veröffentlichung persönlicher Daten zu entscheiden. Es handelt sich bei einem Kraftfahrzeugkennzeichen um keine sogenannte sensible Information, deren Geheimhaltung vor der Öffentlichkeit zum Schutze des Kraftfahrzeughalters generell geboten ist Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Kraftfahrzeugkennzeichen eines Kraftfahrzeughalters zwar nicht für jedermann aus allgemein zugänglichen Quellen zu entnehmen ist, dass aber bei Kenntnis der Person und deren Anschrift die sichtbaren Daten des von dieser Person benutzten Kraftfahrzeuges unschwer ermittelt werden können."
Das gilt nur allerdings nicht unbeschränkt: „Etwas anderes könnte dann gelten, wenn die Veröffentlichung gerade des Kfz-Kennzeichens erkennbar darauf abzielte, dem Antragssteiler hierdurch zu schädigen, oder wenn ein Informationsinteresse der Teilnehmer an dem Internetforum von vornherein gänzlich ausscheiden würde“, ist in dem Beschluss weiter zu lesen.
Neben den allgemeinen Persönlichkeitsrecht prüfte das Landgericht Kassel auch Fragen des Datenschutzes, sieht aber auch hier keinen Verstoß: „Der geltend gemachte Untersagungsgrund ergibt sich auch nicht aus dem Bundesdatenschutzgesetz. Denn die Geltung des Bundesdatenschutzgesetzes käme gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG nur in Betracht, wenn der Antragsgegner personenbezogene Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeitet, genutzt oder dafür erhoben hätte oder Daten in oder aus nicht automatisierten Dateien verarbeitet, genutzt oder dafür erhoben hätte. Vorliegend hat der Antragsgegner ersichtlich keine Datenverarbeitungsanlage eingesetzt. Ferner hat er das Kennzeichen nicht aus einer Datei entnommen. Und schließlich hat der Antragsgegner das Kfz-Kennzeichen nicht in einer Datei verarbeitet oder in einer Datei genutzt. Denn der Wortbeitrag im Internet des Antragsgegners stellt keine nicht automatisierte Datei im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG dar. Unter einer solchen nicht automatisierten Datei versteht man jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, wobei ein gleichartiger Aufbau, die einen leichten Zugriff auf die Daten ermöglicht, erforderlich ist. Es ist auf die Auswertbarkeit der Sammlung nach bestimmten Merkmalen, das heißt nach den den gesammelten Daten gemeinsamen, den aufgezeigten Sinnzusammenhang herstellenden personenbezogenen Kriterien abzustellen (Gola, Schomerus, BDSG, 8. Auflage, § 3, Rn.17). Dass diese Voraussetzungen hier schon mangels Sammlung personenbezogener Daten nicht vorliegen, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Ausführungen.“
Was für die schriftliche Nennung von Kfz-Kennzeichen im Internet gilt, müsste meines Erachtens dann natürlich erst recht dann gelten, wenn Nummernschilder von Autos im Foto erkennbar sind. So hat dann auch das Amtsgericht Kerpen (Urteil vom 04.11.2010 – Az.: 102 C 108/10 -) - allerdings für ein ins Internet gestelltes Video - entsprechend entschieden: „Die Erkennbarkeit folgt auch nicht daraus, dass das Nummernschild des streitgegenständlichen Fahrzeugs in einer Einzelszene zu sehen ist. Dies bildet nach Auffassung des Gerichts keinen maßgebenden Erkennungsfaktor. Hierbei ist einerseits zu berücksichtigen, dass ein Nummernschild keinen Hinweis darauf geben kann, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt Fahrer des fraglichen Fahrzeugs gewesen ist. Das Nummernschild identifiziert das Fahrzeug; nicht dessen Fahrer. So kann es sein, dass nicht der Halter, sondern tatsächlich ein anderer Fahrer ein Fahrzeug geführt hat, ohne dass das Nummernschild hierauf Rückschlüsse zulässt. Die Eignung eines solchen Zeichens als Verweis auf eine konkrete Person sieht das Gericht vor diesem Hintergrund bereits als fraglich an. Ebenso gut wie der Kläger hätte es dessen Sohn oder ein Bekannter sein können, der das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls nutzte. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass ein Nummernschild lediglich für eine besonders befugt Person mit Zugriff auf eine entsprechende Datenbank einen Hinweis auf den Halter des Fahrzeuges zulässt. Für jeden anderen offenbart das Nummernschild als verschlüsseltes Hinweiszeichen nicht die Identität der Person.“
Vorsicht dürfte indes weiter angebracht sein. Denn hundertprozentig sicher ist die Frage nicht zu beantworten, ob andere Gerichte sich diesen Entscheidungen anschließen werden. Man kann die Sache nämlich auch ganz anders sehen, wenn man will. Das zeigt ein Blick über die heutigen Grenzen Deutschlands hinaus. So führt etwa das Schweizerische Bundesgericht Lausanne (Urteil vom 31.05.2012 - 1 C 230/2011-) insoweit eine Entscheidung der Vorinstanz referierend hinsichtlich Google Street View aus: „Der Personenbezug ergebe sich bei Fotografien von Personen aus der Abbildung selbst. Er könne sich aber auch erst aus dem Zusammenhang oder aufgrund von Zusatzinformationen direkt oder indirekt ergeben. So entstehe bei Abbildungen von Fahrzeugen ein Bezug zum Fahrer, aufgrund des Fahrzeugkennzeichens auch zum Halter; bei Häusern und Grundstücken ergebe sich ein Personenbezug zum Eigentümer oder zu dort verkehrenden Personen (Bewohner, Kunden etc.).“ Das Bundesgericht schließt sich dieser Ansicht dann an: „Diese Ausführungen der Vorinstanz sind zutreffend. Die Akten enthalten eine Dokumentation mit zahlreichen Beispielen, die an der Vorbereitungs- und der Hauptverhandlung der Vorinstanz gezeigt wurden. Es handelt sich um Bilder aus Street View, auf welchen Personen ungenügend oder gar nicht verwischt wurden. Teilweise sind Gesichter von Personen, Nummernschilder von Fahrzeugen etc. deutlich erkennbar und auch Einblicke in Gärten und Balkone oder sogar ins Innere von Wohnhäusern möglich. Daraus ergibt sich die Identifizierbarkeit eines Teils der abgebildeten Personen und ihres Umfelds. Selbst wenn auf gewissen Bildern keine Personen abgebildet sind, können Personendaten vorliegen. So etwa wenn sich Bilder von Häusern oder Fahrzeugen der Wohnadresse einer bestimmten Person zuordnen lassen und damit Rückschlüsse auf die konkrete Lebenssituation von Bewohnern des Hauses oder des Halters eines Fahrzeugs (sofern das Nummernschild erkennbar ist) möglich sind. … Die Rohbilder von Personen sowie Abbildungen, bei denen nach der automatischen Bearbeitung das Erkennen der Person möglich ist, sind somit als Personendaten zu qualifizieren. Dies gilt auch für Fahrzeugkennzeichen und Abbildungen von Häusern, Gärten und Höfen, da sich auch hier problemlos ein Personenbezug herstellen lässt. Fahrzeugkennzeichen und Häuser können ohne großen Aufwand Personen zugeordnet werden und es ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass Dritte ein Interesse an diesen Angaben haben und entsprechend bereit sind, eine Identifizierung vorzunehmen. … Im Hinblick auf die Berücksichtigung von Rechtfertigungsgründen bei der Anwendung von Art. 12 Abs. 2 lit. a DSG hat das Bundesgericht … entschieden, dass eine Rechtfertigung der Bearbeitung von Personendaten entgegen den Grundsätzen von Art. 4, Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 DSG zwar nicht generell ausgeschlossen ist, dass Rechtfertigungsgründe im konkreten Fall aber nur mit großer Zurückhaltung bejaht werden können. Dies trifft in besonderem Maß auf Dienste wie Street View zu, für welche Personendaten systematisch bearbeitet und für einen unbestimmbar großen Kreis potenzieller Nutzer veröffentlicht werden. … Hinzu kommt, dass mitunter auch missliche oder anderweitig unangenehme Situationen aufgenommen und für ein großes Publikum veröffentlicht werden oder Personen und Fahrzeuge auf Bildern im Bereich von sensiblen Einrichtungen erscheinen. Die Befürchtung von Betroffenen, dass daraus möglicherweise falsche oder sie persönlich belastende Schlüsse gezogen werden könnten (Anmerkung d. Verf.: siehe mein Bordell-Fall oben), ist nicht von der Hand zu weisen. Dasselbe muss für Gärten und umfriedete Höfe gelten. Auch diese werden von der Privatsphäre umfasst und es ist - selbst wenn sie gemeinhin von Passanten wahrgenommen werden können - ein Unterschied, ob sie bloß im Vorbeigehen momentan zur Kenntnis genommen oder aber auf Fotos aufgenommen und (auf Dauer) im Internet veröffentlicht werden. Es liegt daher in vielen Fällen eine Persönlichkeitsverletzung und damit eine Verletzung des Rechtmäßigkeitsprinzips im Sinne von Art. 4 Abs. 1 DSG vor.“
Der Schutz eines „allgemeinen Persönlichkeitsrechtes“ (was auch immer unter diesen von Richtern, nicht vom dafür berufenen Gesetzgeber erfundenen Begriff zu verstehen sein mag) und der Schutz sensibler Daten ist zweifellos gerade in Zeiten des Internets besonders wichtig. In Deutschland jedoch neigt man zu Extremen. Entweder wird etwas kaum oder gar nicht geschützt oder es wird maßlos übertrieben. Diese Gefahr sehe ich auch bei den hier besprochenen Schutzrechten. Zumal es oft eigentlich ganz andere Gründe gibt, weshalb eine Veröffentlichung, nicht gewünscht wird, Datenschutz und allgemeines Persönlichkeitsrecht dabei nur vorgeschoben werden. Aber lassen wir hier amateurhafte rechtsphilosophische Betrachtungen. Zurück zum Thema „Datenschutz“ (nicht unbedingt im engen juristischen Sinne, sondern so, wie ein gewisser Herr „Otto Normalverbraucher“ das Wort versteht).
Bei meiner Recherche im Netz bin ich auf eine weitere interessante Entscheidung zum Thema gestoßen, diesmal vom LG Köln. In dem Urteil geht es um die Frage, ob man Bilder eines von der Straße aus aufgenommenen Hauses (zur Frage des Eigentumsrechtes darf ich auf meine Beiträge zu Fotografie und Eigentum verweisen) mit der Adresse - Straßenname und Hausnummer - verknüpfen und diese Daten dann veröffentlichen darf. Genau dies hatte der Beklagte getan: „T-Buch fängt da an, wo Google Earth aufhört - bei Einzelfotos von Häusern, Straßen und Plätzen in Köln“ , so die Beschreibung der Internetseite. Neben historischen Bildern waren dort aktuelle Fotos eingestellt. Nach einem bestimmten Haus konnte systematisch durch die Eingabe von Straßennamen und Hausnummer gesucht werden. Ein Hauseigentümer verlangte die sofortige Entfernung des Fotos seines Hauses aus dem Internetangebot, schickte einen Abmahnanwalt los. Der Anbieter der Webseite ließ sich aber nicht ins Bockshorn jagen, hielt an der Veröffentlichung der Bilder fest. Es kam zur Klage. Vor dem LG Köln verlor der Hauseigentümer. Die Veröffentlichung einer Fotografie eines Wohnhauses stelle keinen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar, wenn die Namen der Bewohner nicht erkennbar seien (also keine Klingelschilder in Großaufnahme fotografieren) und dem Betrachter auch nicht mehr gezeigt wird, als er sehen würde, wenn er persönlich durch die Straße gehen oder fahren würde, urteilten die Richter. Allerdings: sie sahen das Datenschutzrecht berührt, ordneten die Abbildung eines Wohnhauses mit der vollständigen Anschrift als personenbezogenes Datum im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz ein. Gleichwohl verneinten sie einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften (Urteil vom 13.01.2010 - 28 O 578/09 -).
Im Einzelnen: „Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung von Lichtbildern von ihrem Haus in Verbindung mit der Nennung des Straßennamens und der Hausnummer aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 BGB analog bzw. §§ 823 Abs. 2 BGB, § 1004 BGB analog, § 4 Abs. 1 BDSG zu. Durch die streitgegenständliche Veröffentlichung erfolgt weder ein Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht noch steht ihr nach Abwägung ein Unterlassungsanspruch aus datenschutzrechtlichen Grundsätzen zu.“, heißt es in der Kölner Entscheidung. Und weiter: „Die Kammer geht zunächst tatsächlich davon aus, dass die von der Beklagten im Internet vermittelte Ansicht der Fassade des Hauses der Klägerin unter Nennung von Straße und Hausnummer nicht unmittelbar zu dem Namen der Klägerin als Miteigentümerin und Bewohnerin führt. Diese bleibt für den Betrachter des Portals anonym. Es ist jedoch grundsätzlich möglich, bei Kenntnis einer bestimmten Straße und Hausnummer zu ermitteln, welche Personen dort leben, sei es auch durch Einsichtnahme vor Ort. Dem Betrachter des Internetangebotes der Beklagten wird letztlich bildlich nicht mehr dargeboten, als demjenigen, der selbst durch die Straße geht oder fährt, wobei dieser zusätzlich noch in die Lage versetzt ist, sofort durch Ansicht der Klingelschilder die Namen der Bewohner zu ermitteln.“
Achtung, jetzt wird es besonders wichtig: „Die Kammer geht auch grundsätzlich davon aus, dass ein Eingriff in die Privatsphäre vorliegen kann, wenn Fotos von der Außenansicht eines Wohnhauses gegen deren Willen unter Namensnennung - oder gegebenenfalls anderer vergleichbarer, sie ohne weiteres für den Durchschnittsrezipienten individualisierbarer Merkmale - veröffentlicht oder verbreitet werden. Als derartiges individualisierendes Merkmal reicht jedoch nicht bereits die Angabe der Adresse des abgebildeten Hauses aus. Entscheidend für die Frage der Verletzung des Persönlichkeitsrechts ist nämlich, ob der Betroffene nach den konkreten Gegebenheiten die begründete und für Dritte erkennbare Erwartung hegen darf, dass seine privaten Verhältnisse den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleiben und von ihr nicht zur Kenntnis genommen werden (BVerfG NJW 2006, 2836, 2837) und ob durch die Veröffentlichung in diese so geschaffene Privatsphäre eingedrungen und das Recht der betroffenen Person auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung ihrer persönlichen Lebensumstände beeinträchtigt wird (vgl. BGH GRUR 2009, 1089, 1090; GRUR 2004, 442 - Feriendomizil II; GRUR 2004, 438 - Feriendomizil I; BVerfG , NJW 2006, 2836, 2837). Allerdings liegt die Annahme einer Persönlichkeitsrechtsverletzung eher fern, wenn lediglich das Fotografieren der Außenansicht eines Grundstücks von einer allgemein zugänglichen Stelle aus und die Verbreitung solcher Fotos in Frage stehen, weil die Aufnahmen nur den ohnehin nach außen gewandten Bereich betreffen (BGH GRUR 2009, 1089, 1090). Denn die Erwartung einer fehlenden Kenntnisnahme durch die Allgemeinheit liegt grundsätzlich fern, wenn ein privates Anwesen für jedermann von öffentlich zugänglichen Stellen aus einsehbar ist. Dementsprechend verneint die höchstrichterliche Rechtsprechung eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts, sofern die Abbildung des Anwesens nur das wiedergibt, was auch für den vor Ort anwesenden Betrachter ohne weiteres zutage liegt (BVerfG NJW 2006, 2836, 2837). So liegt es hier: für den vor Ort anwesenden Betrachter sind Haus und Anschrift der Klägerin mindestens so offenbar wie im Internetauftritt der Beklagten. Richtig ist, dass anderes gelten kann, wenn durch die Beiordnung des Namens der Bewohner die Anonymität eines Grundstücks aufgehoben wird, so dass Abbildungen einer Person zugeordnet werden können und dadurch einen zusätzlichen Informationsgehalt gewinnen (BGH GRUR 2009, 1089, 1090). Diesen Informationsgehalt gewinnt die Mitteilung der Beklagten nicht; die Angabe der postalischen Anschrift des Hauses beinhaltet keine der Namensnennung vergleichbare Information.“ Es folgen noch ein paar Sätze zur Frage der gewerblichen Nutzung des Fotos: „Die Kammer verkennt des Weiteren nicht, dass die Beklagte ihr Portal zu gewerblichen Zwecken nutzt. Jedoch ergeben sich auch aus diesem Aspekt keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Persönlichkeitsrechtsverletzung. Zwar kann grundsätzlich auch in der werbemäßigen Verbreitung der Abbildung eines fremden Hauses eine Persönlichkeitsrechtsverletzung liegen (vgl. BGH, GRUR 1971, 417f - Teneriffa; NJW 1989, 2251 ff. -Friesenhaus). Dies setzt jedoch voraus, dass der Eindruck entstehe, der Eigentümer des Hauses stehe hinter der Werbung des Veröffentlichenden, unterstütze sie oder habe Geld dafür bekommen (BGH a.a.O.). Ein solcher Eindruck wird bereits deshalb nicht erweckt, weil die Beklagte es sich erklärtermaßen zum Ziel gesetzt hat, die Straßen der Stadt Köln mit ihrer jeweiligen Bebauung möglichst vollständig wiederzugeben. Daher liegt die Annahme fern, die Eigentümer der abgebildeten Häuser stünden in einer wie auch immer gearteten Verbindung zu der Beklagten.“
Die Kölner Richter verneinen weiterhin einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen - nach Abwägung der betroffenen Interessen des Hauseigentümers (so eine Abwägung führt immer eine gewisse Unsicherheit mit sich, ob in ähnlichen, aber doch einen Tick anderen Fällen dasselbe Ergebnis herauskommt). Es heißt in dem Urteil dazu: „Auch aus datenschutzrechtlichen Aspekten ergibt sich im Ergebnis - nach Abwägung der betroffenen Interessen der Parteien - kein Unterlassungsanspruch der Klägerin, wobei allerdings davon auszugehen ist, dass die streitgegenständlichen, von der Beklagten veröffentlichten Informationen (Abbildung des Hauses mit Straßen- und Hausnummernangabe) als personenbezogene Daten in Bezug auf die Klägerin zu bewerten sind. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist nach § 4 Abs. 1 BDSG dann zulässig, wenn das Gesetz die Datenverarbeitung erlaubt oder der Betroffene eingewilligt hat. Der Begriff der personenbezogenen Daten umfasst alle Informationen, die über eine Bezugsperson etwas aussagen oder mit ihr in Verbindung zu bringen sind. Das sind nicht nur klassische Daten wie etwa der Name oder der Geburtsort, sondern auch Meinungsäußerungen, Beurteilungen und Werturteile, die sich auf einen bestimmten oder bestimmbaren Betroffenen beziehen, die Wiedergabe von mündlichen und schriftlichen Aussagen eines Betroffenen und die Darstellung des privaten oder des dienstlichen Verhaltens eines Betroffenen (vgl. BGH NJW 2009, 2888, 2890 m.w.N.). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist auch eine konkrete Anschrift bei Abbildung des Hauses hierunter zu fassen, da - wie dargelegt - die Klägerin als Bewohnerin dieses Hauses bestimmbar machen.“ Interessant für Veröffentlichungen bei myheimat sind vielleicht daneben die folgenden Überlegungen der Kölner Landgerichtsrichter: „Die Kammer neigt dazu - ohne dass es indes im Ergebnis entscheidend auf diesen Umstand ankommt - der Beklagten das Medienprivileg gemäß § 41 BDSG zuzugestehen, da sich deren Tätigkeit nicht darauf beschränkt, bestimmte Örtlichkeiten abzubilden und diese im Stadtplan genau zu lokalisieren, sondern diese darüber hinaus Informationen zu Hintergründen von Stadtgeschichte, Architektur u.ä. gibt - wenn diese auch nicht auf jede einzelne Abbildung bezogen sind. Die Beklagte beschränkt sich mithin nicht darauf, eigenes oder fremdes Bildmaterial einzustellen, um es dann bestimmten Örtlichkeiten in Köln zuzuordnen. Ungeachtet der Frage eines möglichen Presseprivilegs für die Beklagte geht die Kammer angesichts der Eingriffsintensität in Rechte der Klägerin einerseits und den Rechten der Beklagten andererseits davon aus, dass das Vorgehen der Beklagten auch unter Berücksichtigung allein der Kommunikationsfreiheit gemäß Art 5 Abs. 1 GG zulässig ist.“
Wir sehen, die wenigen bundesdeutschen Entscheidungen, die ich finden konnte, sind alle ganz zufriedenstellend für uns Fotografen, die ihre Bilder (etwa auf myheimat) veröffentlichen. Mangels ober- und höchstrichterlicher Rechtsprechung gibt es indes noch Unsicherheiten, ob die positiven Ansätze der zitierten Gerichte letztendlich bestätigt werden. Und eines ist klar: die oben beschriebenen Entscheidungen gelten nur für das Recht der BRD.
Mit meinen Beiträgen zum Thema Fotografie und Recht möchte ich gern mit anderen Fotografen zum Erfahrungsaustausch kommen. Vielleicht hat ja schon jemand (hoffentlich gute) Erfahrungen gemacht und kann diese mitteilen. Ich freue mich jedenfalls auf Kommentare, Anmerkungen und Berichte von anderen my-Heimatlern. Und noch etwas: Ich habe mich bemüht, nichts Falsches zu schreiben. Eine Gewähr für die Richtigkeit übernehme ich jedoch nicht, bin schließlich kein Fachmann in Sachen Datenschutz. Und eine Rechtsberatung durch einen erfahrenen Juristen kann dieser Artikel natürlich nicht ersetzen.
Weitere Artikel zu Fotografie und Recht:
Wer sich für weitere Aspekte zum Thema Fotografie und Recht interessiert, mag vielleicht meine schon bei myheimat veröffentlichten Gedanken zum Schutz von Urhebern künstlerischer Werke und von Eigentümern fotografierter Sachen lesen.
Eine Auseinandersetzung mit dem Urheberrecht – speziell zur Frage der Panoramafreiheit im Internet findet sich unter
Die Panoramafreiheit – Eine Falle für Fotografen im Internet? Teil 1
http://www.myheimat.de/hannover-doehren-wuelfel-mi...
Die Panoramafreiheit – Eine Falle für Fotografen im Internet? Teil 2
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
Ergänzt und abgeschlossen wird das Thema Urheberrecht und Panoramafreiheit mit dem Beitrag
Noch einmal Panoramafreiheit: Ja was darf denn nun fotografiert werden?
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
Ein weiterer Artikel – wegen der Länge in 3 Teilen – beschäftigt sich speziell mit der Frage, ob man ohne Erlaubnis fremdes Eigentum fotografieren darf. Zu finden ist dieser Beitrag hier:
Teil 1: Fremde Sachen, eigenes Foto - Darf ich anderer Leute Eigentum einfach so fotografieren?
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
Teil 2: Eigene Fotos - fremde Sachen: eine Gratwanderung mit Stolperfallen
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
Teil 3: Ferienhäuser und Saunen mit Persönlichkeit
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...
Mit der Frage, wann Fotos, auf denen andere Menschen zu sehen sind, veröffentlicht werden dürfen, habe ich mich in folgendem Artikel beschäftigt:
http://www.myheimat.de/hannover-doehren-wuelfel-mi...
Und auch zum Thema Markenrecht und Fotografie habe ich etwas geschrieben. Zu finden ist es hier:
http://www.myheimat.de/hannover-doehren-wuelfel-mi...
Um Designschutz und Geschmacksmuster geht es im folgenden Beitrag:
http://www.myheimat.de/hannover-doehren-wuelfel-mi...
Bürgerreporter:in:Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld |
13 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.