Georg Kottmair- ein aufrechter und entschiedener Gegner des nationalsozialistischen Terrorsystems

Georg Kottmair 1976
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Der kommunistische Widerstandskämpfer Georg Kottmair soll am 14. Juli 2020 in Gersthofen mit einem Stolperstein geehrt werden.

Georg Kottmair, geb.24.5.1909, Zimmermann, Gersthofen, KPD; in „Schutzhaft“ seit 15.5.1933; vom 3.6. 1933 im KZ Dachau, Häftlingsnr. 2047; entlassen aus der „Schutzhaft“ am 8.3.1935; im KZ Buchenwald vom 10.9.1939 bis 20.4.1942 als Häftling Nr. 5998

Georg Kottmair geht nach Absolvierung der Volksschule und seiner Ausbildung als Zimmermannsgeselle 1928 mit 19 Jahren „auf die Walz“, wo er seine Fähigkeiten und Fertigkeiten komplettieren möchte. Seine Mutter Walburga sieht er nicht mehr wieder, sie verstirbt noch vor seiner Rückkehr im Alter von 51 Jahren. Sein Vater Alois arbeitet bei den Farbwerken Hoechst in Gersthofen.
Georg ist kräftig gebaut, hat blonde Haare und blau-grüne Augen. Auf der Walz nimmt er verschiedene Stellungen an, z.B. in Eichenbühl und Berlin. Von dort kehrt er im Oktober 1930 nach Hause zurück.
Die Weltwirtschaftskrise mit der hohen Arbeitslosigkeit dürfte dafür verantwortlich gewesen sein, dass er der KPD beigetreten ist. Von dieser Partei verspricht er sich pragmatische Verbesserungen der wirtschaftlichen Lage der Arbeiter. Hierfür engagiert er sich mit anderen seiner Gersthofer Kumpel Leonhard Wanner, Hermann Jensch und Franz Xaver Sterr. Sie verteilen Flugblätter und agitieren gegen die rassistische und menschenverachtende Partei der NSDAP. Als die Nazis an die Macht kommen, werden als erste die Kommunisten verhaftet, so auch in Gersthofen.
Auf seiner Schubliste ist vermerkt: „Kottmair war bis 15.5.1933 flüchtig. Er war Funktionär der KPD, hat die Lehre aus Sowjetrussland nach Gersthofen gebracht und diese mit allen Mitteln zu verbreiten versucht.“
Bauern verstecken Georg Kottmair vor der 1. Verhaftung, aber er wird verraten und kommt in das seit 1910 bestehende Gersthofer „Haftlokal“ in der Donauwörtherstraße 28 neben der Kirche St. Jakobus. Anfang Juni 1933 wird er ins KL Dachau eingewiesen. Er hat die Haftnummer 2047. Seine Schwestern schreiben am 27.3.1934 an den Stadtrat Gersthofen einen Brief und bitten diesen um Unterstützung, damit ihr Bruder freikomme, aber vergeblich.
Georg Kottmair wird erst fast zwei Jahre später aus der Schutzhaft entlassen, steht aber in Gersthofen permanent unter der Beobachtung der Gestapo. Die NSDAP Ortsleitung Gersthofen meldet im Januar 1938 an die Gauleitung 12 Personen, die als Gegner des nationalsozialistischen Regimes anzusehen sind, darunter eben auch Georg Kottmair:
Als „wehrunwürdig“ kommt Georg Kottmair direkt zu Kriegsbeginn am 1.9.1939 erneut in „Schutzhaft, am 10.9.1939 wird er von der Stapo Augsburg in das KZ Buchenwald verschubt, wo er bis zum 20.4.1942 Zwangsarbeit verrichten muss und auf jede erdenkliche Art erniedrigt und gedemütigt wird.
Vermutlich wird er anlässlich einer Amnestie zum „Führergeburtstag“ am 20.4.1942 entlassen. Nach einigen Wochen der Rekonvaleszenz wird Georg Kottmair am 3.11.1942 zur Wehrmacht eingezogen und kommt an die Front nach Polen und die Ukraine. Er gerät in russische Kriegsgefangenschaft und erkrankt nach Angaben seiner Nichte wiederholt an der blutenden Ruhr. In Piesek in der Tschechoslowakei verrichtet er nach Kriegsende für die Rote Armee Zwangsarbeit, ehe er 1946 in die Heimat entlassen wird.
Im April 1949 realisiert er seinen Wunsch nach Emigration, den er bereits bei der amerikanischen Besatzungsmacht artikuliert hatte und zieht nach Frankreich. Von dort kehrt er im März 1950 wieder zurück.
Georg Kottmair hat 3 Schwestern, seine Lieblingsschwester Wally (verh.Führer), Luise (verh. Hölzl) und Anna (verh. Modlmeier). Georg bezieht dort nach der Rückkehr aus dem KZ Dachau wieder sein Zimmer in der Ludwig-Hermannstraße 35.
In München macht Georg nach dem Krieg die Bekanntschaft von Frau Wenig, die in der Garmischer Straße wohnt. Deren 7 Jahre älterer Mann ist im KZ Buchenwald verstorben und war mit Georg Kottmair befreundet. Mit ihr kann er am ehesten seine Gefühle, Empfindungen, Frustrationen und Ängste austauschen. In ihrem Haus wohnt er ab dem 20.12.1951 bis zu seinem Lebensende.
Dennoch kommt er immer wieder zu den Schwestern, Neffen und Nichten zu Besuch. Er sucht und braucht die menschliche Nähe und Geborgenheit. Wo immer er zu Besuch ist, packt er mit an und ist äußerst hilfsbereit.

Seine Nichte Helene Steger, geb. Hölzl berichtet, dass Georg so traumatisiert war, dass er in der Nacht häufig aufschrie und stöhnte. Er wird mit dem Terror, den er in den Konzentrationslagern erlebt hatte, nicht fertig, auch 40 Jahre später nicht. Obwohl gut aussehend, heiratet er nie und hat keine Kinder. Seine Zwangsaufenthalte im Konzentrationslager haben ihn nachhaltig geprägt.

In Gesellschaft ist er humorvoll und lustig, nie „mainstream“, aber er ist auch häufig grüblerisch, introvertiert und kantig. Über die schlimmste Erfahrung in seinem Leben spricht er nie mit jüngeren. Seine Persönlichkeit wird im KZ Dachau und Buchenwald gebrochen, hiervon erholt er sich nie wieder. Auch körperlich ist er durch eine Magenoperation erheblich beeinträchtigt.
Für die mehrjährige Inhaftierung in den KL Dachau und Buchenwald erhält er im Rahmen der sog. „Wiedergutmachung“ eine Entschädigung. Am 25.10.1977 wird Georg Kottmair für VVN-Ehrenmedaille vorgeschlagen und erhält diese in einer kleinen Feierstunde. Sein Vermögen stiftet er, offensichtlich bereits von seiner Krankheit beeinflusst, an die SOS-Kinderdörfer.

In den letzten Lebensjahren erkrankt Georg an Alzheimer. Kurz vor seinem Ableben besucht ihn seine Lieblingsnichte Helene mit ihrem Ehemann Hermann Steger im Krankenhaus. Georg erkennt die beiden nicht mehr wieder, er schlägt wild um sich und spricht immer wieder zusammenhangslos von seinen Erlebnissen in den Konzentrationslagern. Eine Kommunikation mit ihm ist nicht mehr möglich.
Am 29.3.1994 ist Georg Kottmair in München verstorben. Er wird in einer Urne am Westfriedhof in München beigesetzt. Das Grab ist mittlerweile aufgelöst. Georg Kottmair aber ist nicht vergessen. Wir wollen mit einem Stolperstein an diesen mutigen, aufrechten und geradlinigen Charakter erinnern.

Quellen:
KZ Gedenkstätte Dachau

ITS Bad Arolsen K14201: Certificate of Incarceration

Stadtarchiv Gersthofen

Interviews mit Hermann Rosenwirth und Helene Steger am 3.12.2018 und 6.4.2019;
schriftliche Korrespondenz mit Christine Grieshaber geb. Modlmeier vom 30.12.2019
Bildmaterial: Hermann Rosenwirth, Helene Steger, Klaus Modlmeier und Christine Grieshaber

Opferbiografie erstellt von: Dr. Bernhard Lehmann, StD a.D. 86368 Gersthofen, Haydnstraße 53, Gegen Vergessen-Für Demokratie RAG Augsburg-Schwaben; Tel. 0821/497856; e-mail: bernhard.lehmann@gmx.de

ausführliche Fassung unter www.gedenkbuch-augsburg.de 

Bürgerreporter:in:

Dr. Bernhard Lehmann aus Gersthofen

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