Der Mann der in die Kälte will

Güller sieht gerne "rot" im Bayerischen Landtag
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Die Neusäßer Kollegen mögen bitte entschuldigen, dass in fremden Revieren gewildert wurde. Das Interview findet an einem sonnigen Samstagnachmittag im Garten des Einfamilienhauses in Neusäß in der Aloys-Fischer-Straße statt. Es ist ruhig, die Vögel zwitschern und es fällt schwer, die erste Frage los zu werden. Was macht er als SPD-Mann in dem schwarzen Umfeld von Neusäß, Landkreis und natürlich auch Gersthofen. Diaspora-Gefühl? Güller zeigt keine Resignation – im Gegenteil. Der Mittvierziger sprüht über von Tatendrang und Zuversicht. Das muss man als Bezirksvorsitzender der Schwaben-SPD, Fraktionsvorsitzender der Kreistags-SPD und Fraktionsgeschäftsführer der Landtags-SPD allerdings auch haben. Ganz zu schweigen von diversen Mitgliedschaften bei Arbeiterwohlfahrt, Deutsch-Isrealischen Gesellschaft, Bund der Antifaschisten usw. Zurück zu den Anfängen. Gab es eine Ursache für den Start in die Politik? Eigentlich nicht. „Ich war schon recht früh aufmüpfig“, grinst Güller. „Es fing an, dass mir die Zensur der Schülerzeitung des Gymnasiums Neusäß nicht passte.“ Der vom sozialdemokratischen Elternhaus geprägte Gymnasiast vermisste auch offene Jugendarbeit. Er trat mit 1979 mit 16 Jahren in die SPD ein und engagierte sich wacker gegen die damalige Strauß-Ära in Bayern. In dieser Zeit lernte er, dass ein mächtiger Staatsapparat auch Kontrolle braucht. Nach erfolgreich abgeschlossenem Jura-Studium trat Güller 1991 in den Staatsdienst bei der Regierung von Schwaben ein und wechselte später zur Abteilung „Umweltschutz“ im Landratsamt Aichach-Friedberg, deren Leiter er wurde. Parallel dazu wurden verschiedene Stationen –darunter auch Stadtratsmitglied in Neusäß- in der politischen Laufbahn absolviert. Höhepunkt war 1994 der Einzug in den Bayerischen Landtag. 2003 ging das Landtagsmandat wieder verloren. „In dieser Zeit war ich stimmungsmäßig schon etwas am Boden“, räumt der SPD-Mann ein. „Man erkennt, wie wenig persönliche Spielräume vorhanden sind.“ Doch dann ergaben sich neue Herausforderungen. Und Güller wäre nicht Güller gewesen, wenn er nicht den Posten des hauptamtlichen Fraktionsgeschäftsführers der SPD-Landtagsfraktion angenommen hätte. „Ich hatte damals im Oktober 2003 nur einige Stunden Zeit, mich zu entscheiden“, erinnert er sich. Er stimmte zu. „Ich lasse mich gerne auf Herausforderungen ein; erst dann weiß ich, was alles möglich ist“, erklärt der Geschäftsführer. Von der großen Politik zur kleinen. Als Kreistagsmitglied ist Güller über die Ortspolitik in Gersthofen gut informiert. Und er kann sie auch in regionaler Sicht mit beeinflussen. So unterstützt er u. a. die Errichtung des GVZ und macht sich für ein vernünftiges S-Bahn-Konzept stark. Stichwort Verkehr. Was hält er von der Linienbrechung nach Augsburg? „An der Linienbrechung läßt sich nichts ändern, obwohl Gersthofen früher die Chance gehabt hätte, die Straßenbahn bis in den Ort fahren zu lassen“, meint der SPD-Politiker. Trotzdem muss die Kommunikation zwischen beiden Nahverkehrspartnern bei besonderen Verkehrssituationen besser werden.“ Auf den Gersthofer Bahnhof angesprochen verzieht Güller das Gesicht. „Hier hätte Gersthofen mehr unternehmen müssen.“ Als Kreisrat wird er mit den Problemen der Region konfrontiert: Finanzierung und Betrieb der Kliniken, Fernverkehrsanbindung Schiene, Abstimmung im Bildungssystem, um nur einige zu nennen. Ein besonderes Anliegen ist die Wirtschaftsförderung. Hier sollte die Region, also Stadt und Land zusammen, mehr als bisher als gemeinsamer Partner auftreten. Er bemängelt dabei die Einzelinteressen verschiedener Kommunalpolitiker... Das alles riecht nach viel Arbeit. Gibt es auch einen „privaten“ Güller? „Ja, natürlich“, lacht dieser. „Meine Frau Anne hilft mir Abstand zu gewinnen und zuhause kann ich mich entspannen.“ Einfach faul da liegen und Krimis (z. B. von Mankell oder Smedberg) lesen. Und wenn er sich was ganz Gutes antun will, dann isst er einen Zwiebelrostbraten mit viel schwäbischen Kässpätzle, die ihm dann manchmal im Magen liegen. Aber auch in seiner Freizeit braucht er Umtrieb. Grillabende, Kneipen- und Biergartenbesuch mit guten Freunden weiß er zu schätzen. Zum Abspannen nach einem langen Arbeitstag „zapt“ er abends auch gerne durch die Fernsehkanäle, um dann an einem Krimi hängen zu bleiben. Und ab und zu schwingt er sich auf sein Motorrad – eine BMW R1100 RS. Schließlich muss er ja wissen, was in der Region passiert. Seine Frau hat übrigens auch ihren eignen sozialen Wirkungskreis: Sie arbeitet als Sozialpädagogin in einem EU-Projekt für Migranten-Eingliederung mit und hat sich in der Augsburger Armutskonferenz engagiert. Ein viel engagiertes Paar mit dem 24-jährigen Sohn Andreas; da werden gemeinsame Stunden besonders kostbar. Abschließend fragt der Pressemann nach einem bisher unerfüllten Traum oder einem Wunsch. Hat er einen? Er hat sogar zwei. „Ich wünsche mir, dass es auf der Welt mehr soziale Gerechtigkeit gibt – im großen wie im kleinen Bereich. Innerhalb unserer Gesellschaft muss das Zusammenleben zwischen jung und alt sozialverträglich stattfinden, sonst fliegt uns später einiges um die Ohren“, warnt er. Das war der SPD-Wunsch. Und privat? Etwas überraschend: „Ich möchte zu gerne mit einem Eisbrecher für ca. vier Wochen in die Arktis fahren.“ Brrr, da läuft es ja einem kalt über den Rücken. Ein Kälteschock. Die Vorahnung vielleicht auf künftige Wahlergebnisse in Bayern...?

Bürgerreporter:in:

Gerhard Fritsch aus Gersthofen

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