Vierte Reise in die Ukraine im August 2007 Teil 3
Galina Wassiliewska; Arbeitseinsatz in Augsburg, Streichholzfabrik Biehr
Auch Galina traf ich bereits im März 2006 in Kiew. Im Alter von 12 Jahren wurde sie nach Deutschland, nach Augsburg deportiert. Mittlerweile ist sie 77 Jahre alt, sieht aber deutlich jünger aus.
Auch Galina traf ich bereits im März 2006 in Kiew. Im Alter von 12 Jahren wurde sie nach Deutschland, nach Augsburg deportiert. Mittlerweile ist sie 77 Jahre alt, sieht aber deutlich jünger aus.
Der Vater von Galina wurde bereits 1933 unter Stalin aus politischen Gründen nach Sibirien deportiert, als er zehn Jahre später aus dem Straflager entlassen wird, kehrt er nach Kiew zurück. Seine Frau will nicht mit ihm in den Kaukasus, so trennen sich beide und der Vater von Galina heiratet nochmals. Kurz danach wird er zum Kriegsdienst einberufen. Sie sieht ihren Vater nach dem Krieg nur noch wenige Male, zur Geburt ihrer Tochter 1961 besucht er sie. Dann trennen sich die Wege.
1942 wird Galina gemeinsam mit ihrer Mutter nach Augsburg deportiert. Die Mutter ist 33, sie ist 12 Jahre. In Augsburg arbeitet Galinas Mutter in der Fabrik, ihre Behandlung ist demütigend. Auch Galina arbeitet einen halben Tag in der Fabrik des Streichholzfabrikanten Biehr in der Nähe der Kahnfahrt in der Nähe der Jakobermauer. Galina macht mir eine Skizze von der Lage des Betriebes.. Die Streichholzfabrik wurde während der Bombardierungen 1944 vollständig vernichtet. Die Baracken der Zwangsarbeiter befanden sich auf dem Werksgelände, neben den Ostarbeitern waren auch Franzosen bei Herrn Biehr beschäftigt.
Die Direktorin nahm sie gerne am Nachmittag mit in die Stadt zum Einkaufen, manchmal durfte sie sogar alleine in die Stadt gehen. Frau Erna Biehr war eine warmherzige, humorvolle Frau, sie sang sehr gerne und liebte die Natur. Galina hat nur gute Erinnerungen an Frau Biehr und bittet mich, ihr Grab zu finden und Blumen niederzulegen. Ich verspreche, mich darum zu bemühen.
Galina ist sehr aufgeregt, mich zu treffen, sie setzt mehrere Male an und verliert manchmal den Faden, sie ist zu aufgewühlt. Galina musste viele Schicksalsschläge überstehen. Die Tochter verunglückte tödlich, so zog sie ihre beiden Enkelkinder auf.
Mittlerweile sind die Enkelkinder 19 und 25 und die einzige Freude im Leben von Galina. Glücklicherweise besuchen die Enkel ihre Oma regelmäßig. Ihr Mann sitzt nach einem Schlaganfall im Rollstuhl .
Ich bin besonders betroffen davon, dass Sie mir die Bilder ihrer Tante und ihres Onkels zeigt und mich fragt: „Sehen so die Gesichter einer minderwertigen Rasse aus?“ Noch nach über 65 Jahren sitzt die Demütigung durch die Nazis tief.
Galina ist fast blind. Ihr Mann ist kein Kriegsveteran, daher zahlt die Krankenkasse auch nicht notwendige Operationen. Ältere Menschen in der Ukraine vermeiden daher, wenn es sich vermeiden lässt, operative Eingriffe, denn die müssten sie selber bezahlen. Aber es gibt eben zweierlei ärztliche Versorgung : die eine für die Reichen, die andere ist eine reine Notversorgung für diejenigen, die über kein Geld verfügen. Es gibt eine Liste derjenigen Medikamente, die für Pensionäre kostenlos sind, alle anderen müssen bezahlt werden. Aber woher das Geld nehmen, bei gerade mal 120 Euro Pension?
Wie schon im letzten Jahr überreiche ich Frau Wassiliewska einen Geldbetrag und sie ist überglücklich. Ich verspreche, sie beim nächsten Male wieder zu besuchen.
Galina Wassiliewska; Arbeitseinsatz in Augsburg, Streichholzfabrik Biehr
Auch Galina traf ich bereits im März 2006 in Kiew. Im Alter von 12 Jahren wurde sie nach Deutschland, nach Augsburg deportiert. Mittlerweile ist sie 77 Jahre alt, sieht aber deutlich jünger aus.
Der Vater von Galina wurde bereits 1933 unter Stalin aus politischen Gründen nach Sibirien deportiert, als er zehn Jahre später aus dem Straflager entlassen wird, kehrt er nach Kiew zurück. Seine Frau will nicht mit ihm in den Kaukasus, so trennen sich beide und der Vater von Galina heiratet nochmals. Kurz danach wird er zum Kriegsdienst einberufen. Sie sieht ihren Vater nach dem Krieg nur noch wenige Male, zur Geburt ihrer Tochter 1961 besucht er sie. Dann trennen sich die Wege.
1942 wird Galina gemeinsam mit ihrer Mutter nach Augsburg deportiert. Die Mutter ist 33, sie ist 12 Jahre. In Augsburg arbeitet Galinas Mutter in der Fabrik, ihre Behandlung ist demütigend. Auch Galina arbeitet einen halben Tag in der Fabrik des Streichholzfabrikanten Biehr in der Nähe der Kahnfahrt in der Nähe der Jakobermauer. Galina macht mir eine Skizze von der Lage des Betriebes.. Die Streichholzfabrik wurde während der Bombardierungen 1944 vollständig vernichtet. Die Baracken der Zwangsarbeiter befanden sich auf dem Werksgelände, neben den Ostarbeitern waren auch Franzosen bei Herrn Biehr beschäftigt.
Die Direktorin nahm sie gerne am Nachmittag mit in die Stadt zum Einkaufen, manchmal durfte sie sogar alleine in die Stadt gehen. Frau Erna Biehr war eine warmherzige, humorvolle Frau, sie sang sehr gerne und liebte die Natur. Galina hat nur gute Erinnerungen an Frau Biehr und bittet mich, ihr Grab zu finden und Blumen niederzulegen. Ich verspreche, mich darum zu bemühen.
Galina ist sehr aufgeregt, mich zu treffen, sie setzt mehrere Male an und verliert manchmal den Faden, sie ist zu aufgewühlt. Galina musste viele Schicksalsschläge überstehen. Die Tochter verunglückte tödlich, so zog sie ihre beiden Enkelkinder auf.
Mittlerweile sind die Enkelkinder 19 und 25 und die einzige Freude im Leben von Galina. Glücklicherweise besuchen die Enkel ihre Oma regelmäßig. Ihr Mann sitzt nach einem Schlaganfall im Rollstuhl .
Ich bin besonders betroffen davon, dass Sie mir die Bilder ihrer Tante und ihres Onkels zeigt und mich fragt: „Sehen so die Gesichter einer minderwertigen Rasse aus?“ Noch nach über 65 Jahren sitzt die Demütigung durch die Nazis tief.
Galina ist fast blind. Ihr Mann ist kein Kriegsveteran, daher zahlt die Krankenkasse auch nicht notwendige Operationen. Ältere Menschen in der Ukraine vermeiden daher, wenn es sich vermeiden lässt, operative Eingriffe, denn die müssten sie selber bezahlen. Aber es gibt eben zweierlei ärztliche Versorgung : die eine für die Reichen, die andere ist eine reine Notversorgung für diejenigen, die über kein Geld verfügen. Es gibt eine Liste derjenigen Medikamente, die für Pensionäre kostenlos sind, alle anderen müssen bezahlt werden. Aber woher das Geld nehmen, bei gerade mal 120 Euro Pension?
Wie schon im letzten Jahr überreiche ich Frau Wassiliewska einen Geldbetrag und sie ist überglücklich. Ich verspreche, sie beim nächsten Male wieder zu besuchen.
Orlowa Paraskowa , geb. am 30.10.1923; Arbeitseinsatz Kammgarnspinnerei Augsburg
Mit dem Taxi fahren wir zu Frau Orlowas Wohnung. Paraskowa steht schon vor dem Haus und so fahren wir mit ihr zur Stiftung und dort unterhalten wir uns. Weshalb nicht bei ihr zuhause? Ihr Enkel wohnt bei ihr, der ist Alkoholiker und würde ihr sofort das ganze Geld abnehmen. Er darf nicht einmal wissen, dass wir sie besucht haben.
Paraskowa wohnte 1942 in Ivankovicy bei Kiew und erhält dort von den hiesigen Behörden den Gestellungsbefehl nach Deutschland. Auch die Jungs aus den Nachbarfamilien müssen nach Deutschland, aber sie kennt die anderen kaum, denn ihr Vater wird nach Leningrad aus politischen Gründen deportiert, und sie muss mit, erst 1938 kehren sie aus der Gefangenschaft zurück.
Am 6. Juli 1942 beginnt ihre Deportation nach Deutschland. Sie erinnert sich an den Güterwaggon, Essen hatte sie mitzubringen, der Zug legte einige Zwischenstopps ein, dann ging es mit Lastwagen weiter.
In Augsburg wird sie von einem Mann ausgesucht für die Arbeit auf einem Bauernhof, wo sie Kühe melken soll, aber das kann sie nicht. Sie kommt zu Tonis Schweiger nach Augsburg, Hindenburgstrasse 20. Dort hat sie in der 2. Etage ein eigenes Zimmer, auch ein Russe und zwei Polen sind mit ihr dort bei der Arbeit. Das Essen ist ordentlich, sie werden gut behandelt, es gibt lediglich einmal eine Prügelei mit Russen.
Danach kommt sie nach zur Kammgarnspinnerei und ist dort auf dem Fabriksgelände untergebracht. Viele Mädchen teilen sich das Zimmer. Die Mädchen müssen in der Fabrik die Fäden von den großen auf die kleinen Spulen umlegen.
Als am 28. Februar 1944 durch einen Bombenangriff die Fabrik zerstört wird, entkommt sie der Bombardierung wie durch ein Wunder. Überall lagen Trümmer umher, die Wasserleitung war gesprengt, sie erinnert sich, dass nur eine Ecke stehenblieb mit einem Schrank. Ein Deutscher hilft den ukrainischen Mädchen, durch das Fenster aus der Fabrik zu kommen. In den folgenden drei Nächten werden die Mädchen ständig woanders hingeführt, nach 3 Tagen kommen sie schließlich nach Göggingen, wo sie bis zu ihrer Befreiung durch die Amerikaner bleiben. Sie wohnen im Lager und müssen nicht mehr arbeiten. Sie erinnert sich, dass sie mit einer polnischen Frau mit zwei Kindern untergebracht war. Die hygienischen Verhältnisse scheinen nicht sehr vorteilhaft gewesen zu sein, denn sie bekommt Läuse.
Nach 1946 erst kehrt Paraskowa in ihre Heimat zurück, denn sie war wie viele ihrer ukrainischen Leidensgenossinnen zuerst in einem Filtrationslager in Strigau, wo sie über ihre Tätigkeit in Deutschland befragt wurde. Dort lernt sie ihren späteren Mann kennen, der beim sowjetischen Lagerleiter beschäftigt war.
1947 wird sie Mutter eines Sohnes, 1948 wird die Tochter Ludmilla geboren. Ludmilla stirbt im März 2007 durch einen Autounfall und so kümmert sie sich um ihren Enkel Wladimir, der sie regelmäßig besuchen kommt, vor allem wenn er kein Geld mehr hat und Stoff, d.h. Wodka benötigt.
Zu allem Unglück stirbt Wladimirs Ehefrau Ilina 4 Tage nach dem Tod seiner Mutter im Alter von 30 Jahren. Sowohl Ilina als auch Wladimirs Mutter Ludwina waren Alkoholiker, auch Wladimirs Vater und Großvater tranken regelmäßig. Wladimirs neue Freundin Lena versorgt ihn regelmäßig mit Alkohol, sie ist Straßenverkäuferin. Wenn sie kein Geld hat, kommt Paraskowas Enkel zu ihr, schläft seinen Rausch aus und bestiehlt sie regelmäßig.
Für mich steht eines fest: wir können der Frau das Geld nicht mit nach Hause geben, dann würde der Enkel das Geld sofort in Alkohol umsetzen. Sie sagt sie brauche das Geld für eine dringende Augenoperation, aber ich bitte sie, regelmäßig in die Stiftung zu kommen. Dort könne sie dann einmal oder zwei Mal pro Woche einen Geldbetrag abholen, und zwar in Griwna, damit es der Enkel nicht merkt. Wenn sie die Operation
Vornehmen lassen wolle, dann könne der hinterlegte Geldbetrag von der ukrainischen Stiftung ausbezahlt werden.
Ernüchtert verabschieden wir die Frau und fahren sie in ihre Wohnung zurück, wo hoffentlich der im Vollrausch liegende Enkel hoffentlich nichts von dem Geldbetrag erfahren wird. Auch das ist ein Teil des ukrainischen Alltags.
Olga Krotjuk, geb. am 15.3.1926; Arbeitseinsatz in Augsburg, u.a. bei Messerschmitt
Am Tag meiner Abreise besuchen wir nochmals Frau Krotjuk, die wir tags zuvor nicht angetroffen haben, da sie auf Arztbesuch war.
Olga wohnt mit ihrer Tochter, deren Ehemann und Enkelkind gemeinsam in einem (!) Zimmer im 5. Stock einer in den 60-er Jahren erbauten Siedlung. Mit drei anderen Familien teilen sich die Krotjuks die Küche und die Toilette. Das sind wahrlich erbärmliche Zustände!
Olga wird im Sommer 1942 von Jetomer (ca. 200 km von Kiew) nach Deutschland deportiert. Der Dorfälteste hatte bestimmt dass sie nach Deutschland müsse. Sie hatte noch drei ältere Geschwister, zwei Schwestern und einen Bruder. Nach dem Krieg entschuldigte sich der Mann für seine Entscheidung.
Es gab 3 Transporte von Jetomer nach Deutschland. Sie kommt zuerst nach Memmingen ins Stalag VII B, und von dort nach Augsburg. In Augsburg gibt es ständig wechselnde Arbeitseinsätze, unter anderem bei Messerschmitt. Sie ist mit vielen anderen Ukrainerinnen zusammen, anfangs werden sie auf dem kurzen Weg zu Messerschmitt von Soldaten begleitet, später dann gehen sie ohne Begleitung zu ihrem Arbeitsplatz.
Aber ihr Arbeitseinsatz ändert sich fast täglich. Die Mädchen weinen viel, haben Hunger, der Vorarbeiter veranlasst einmal, dass sie mehr zu essen bekommen.
Sie erinnerst sich an die Bombardierung, der Himmel war voller Flugzeuge, die Ukrainerinnen suchen Schutz im Keller. Glücklicherweise war ihr Lager nicht getroffen, sodass sie weiterhin im Lager übernachten können.
Die ukrainischen Arbeiterinnen waren überaus gehorsam und fleissig und waren als Arbeitskräfte überall begehrt. Sie erinnert sich, dass die Dolmetscherin sehr nett zu ihnen war und auch für ihr Essen sorgte.
Im September 1945 kehrt sie im Sammeltransport in die Heimat zurück. Da Olga vor dem Krieg nur vier Klassen absolviert hatte und keine weitere Ausbildung durchlaufen konnte, muß sie auf der Kolchose arbeiten. Dort lernt sie ihren Mann kennen, mit ihm hat sie 5 Kinder, von denen noch drei leben und die auch bei meiner Befragung von Olga zugegen sind: Wolodir, Ludmilla und Tanja. Ihr Mann ist vor 15 Jahren verstorben.
Olga erwähnt, dass sie früher mit Begeisterung von der Befreiung erzählte, aber jetzt habe das Gedächtnis nachgelassen
Iwan Onyschenko russischer Kriegsgefangener in Deutschland
Ich konnte aus zeitlichen Gründen Herrn Iwan Onyschenko nicht besuchen. Seine Tochter kam nach meiner Abreise nach Kiew, nahm das Geld in Empfang und zeigte seinen Personalausweis und brachte die Bilder mit. Lubov Sochka von der ukrainischen Stiftung sprach mit ihm am Telephon und berichtete von der Initiative des Paul-Klee-Gymnasiums Gersthofen.
Iwan wollte zuerst gar nicht glauben, denn die Kriegsgefangenen erhalten nirgendwo und von niemanden sonst (mit Ausnahme der Berliner Organisation Kontakte) eine symbolische Entschädigung.
In seinem Brief an mich schreibt Herr Onyschenko folgendes über seinen Zwangsaufenthalt bei der Firma Deuter in Augsburg:
Das ganze Territorium der Fabrik war von einer Ziegelsteinmauer umgeben. Das Gelände verlassen und in die Stadt gehen durfte man nicht. Auf dem Gelände selbst befand sich eine bewaffnete und von Stacheldraht umzäumte Zone für sowjetische Kriegsgefangene. In dieser Zone standen zwei Baracken, es gab etwa 60 Kriegsgefangene. Daneben lag ein Schweinestall und ein Bombenbunker. Die Gefangenen aus Frankreich und Italien wohnten separat, in einer Baracke zusammen, wenn ich mich nicht irre.
Die Fabrik hatte drei Werksabteilungen. Neben ihnen befand sich ein Verwaltungsgebäude. Es gab dort auch Lagerräume für Rohstoffe und für fertige Produkte, ein Revier und eine Küchen.
Für deutsche Arbeiter gab es einen Parkplatz für Fahrräder. Die Stadt selbst habe ich nicht gesehen. „
Tusja Parchomtschuk, geb. am 1.11.1927 (siehe Reisebericht über die 3. Ukrainereise) ; Arbeitseinsatz in Meitingen
Dank glücklicher Umstände kann ich Frau Parchomtschuk einen größeren Betrag mitbringen. Da wir im August 2007 nicht in die Westukraine reisen, bringt Lubov Sochka ihr den Betrag nach Lwiw. Schon wenige Tage nach meiner Abreise aus der Ukraine reist sie zu Verwandten dorthin und nutzt am ukrainischen Nationalfeiertag (24. August) die Gelegenheit, um Tusja das Geld zu überreichen.
Wenn ich Lubov Sochka nicht hätte, die gute Seele. Sie setzt sich seit Jahren beispielhaft für die älteren Leute ein, ich kann mir keine zuverlässigere und tüchtigere Frau vorstellen. Sie macht ihren Job bei der ukrainischen Stiftung hervorragend, aber sie hat vor allem auch ein Herz für die alten Menschen. Das spüren diese auch und fühlen sich wie magisch zu ihr hingezogen. Danke, Luba, vor allem wie Du unser Projekt immer wieder unterstützt hast, und eben auch oft in deiner Freizeit. Wie hätte ich mich ohne dich mit diesen Menschen verständigt?
Tusja Parchomtschuk jedenfalls war von der Geldübergabe sehr gerührt, drückte ihren Dank aus und sagte wörtlich:
„Niemand hat mir im Leben etwas Gutes einfach so getan. Und nun so eine Überraschung, und dann von einem Deutschen!“
Sie ist auch Lubo so dankbar, dass sie jeden dritten Tag in der Stiftung anruft und sich bedankt und ihr sogar Süßigkeiten schickt.
Ein Dank an dieser Stelle aber auch der Marktgemeinde Meitingen, die mir nach meinem Bericht über Tusja Parchomtschuk einen Betrag von 1000 Euro zur freien Verfügung überwiesen hat. Hiervon erhält Tusja 750 Euro (sie erhielt bereits bei meiner Reise 2006 einen Betrag), den Rest des Geldes erhielt der russische Kriegsgefangene Iwan Onyschenko.
Aber wer weiß, vielleicht wird Tusjas großer Traum noch Wirklichkeit, nämlich noch einmal nach Meitingen zurück zu kehren. Vielleicht finden sich einige Meitinger Bürger, die ihr das gemeinsam mit der Marktgemeinde ermöglichen? Ich jedenfalls gebe die Hoffnung nicht auf, dass es Menschen gibt, die über das diesen Menschen angetane Unrecht von vor über 60 Jahren nicht einfach hinweggehen.
Babi Jar
Nachdem ich den Film von Michael Verhoeven „Der unbekannte Soldat“ gesehen hatte, bat ich Lubov Sochka darum, mit mir Babi Jar zu besuchen, wo die deutschen Truppen über 30 000 unschuldige Menschen, Frauen, Kinder, Männer hinmordeten, was ohne die logistische Hilfe der Wehrmacht gar nicht möglich gewesen wäre. Wer diesen Ort aufgesucht hat, wird wohl kaum noch davon sprechen wollen, nun müsse endlich einmal ein Schlussstrich unter die nationalsozialistische Vergangenheit gezogen werden. Ganz im Gegenteil : dieser Ort schreit nach Auseinandersetzung mit dieser Barbarei, die von Deutschen an unschuldigen Menschen verübt wurde.
Das Massaker von Babi Jar
Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 besetzte die Wehrmacht bis Oktober 1941 fast die gesamte Ukraine. Die Schlacht um Kiew hatten die Deutschen bereits Mitte September für sich entschieden. In der Stadt selbst begannen Einsatzgruppen sofort mit der Erfassung der jüdischen Einwohner.
Am 27. September 1941 fand eine Besprechung über die "Evakuierung" der jüdischen Bevölkerung statt. Daran nahmen neben dem Ortskommandeur von Kiew unter anderem auch Wehrmachtsoffiziere, Angehörige der Sicherheitspolizei, der Geheimen Feldpolizei und der Einsatzgruppe C teil. Der Höhere SS- und Polizeiführer im rückwärtigen Heeresgebiet Süd, Friedrich Jeckeln (1895-1946), der Befehlshaber der Einsatzgruppe C, Emil Otto Rasch (1891-1948), sowie der Befehlshaber des Sonderkommandos 4a der Einsatzgruppe C, Paul Blobel (1894-1951), beschlossen, die Kiewer Juden zu ermorden. Mit der Durchführung wurde das Sonderkommando 4a beauftragt.
Auf Plakaten wurden die Kiewer Juden aufgefordert, sich zu Umsiedlungsmaßnahmen einzufinden. Dem Befehl folgten über 30.000 Menschen, die zur außerhalb der Stadt gelegenen Schlucht Babi Jar getrieben wurden. Dort mußten sie Papiere, Gepäck sowie Wertgegenstände abgeben, sich vollständig ausziehen und sich in Zehnergruppen an den Rand der Schlucht stellen. Dann wurden sie niedergeschossen. In Babi Jar ermordete das Sonderkommando laut einem Einsatzgruppenbericht am 29. und 30. September 33.771 Juden.
In den folgenden Monaten wurden dort Tausende weiterer Juden erschossen. Auch als Zigeuner verfolgte Menschen und sowjetische Kriegsgefangene zählten zu den späteren Opfern. Insgesamt wurden nach Untersuchungen der sowjetischen Staatskommission in Babi Jar rund 100.000 Menschen ermordet.
Im Juli 1943, während des deutschen Rückzugs, sollten die Spuren des Massenmords verwischt werden. Polizeieinheiten der Sonderkommandos ließen Insassen eines nahe gelegenen Lagers die Leichen ausgraben und verbrennen.
Obwohl man zunächst nur mit einer Beteiligung von etwa 5000 bis 6000 Juden gerechnet hatte, fanden sich über 30 000 Juden ein, die infolge einer überaus geschickten Organisation bis unmittelbar vor der Exekution noch an ihre Umsiedlung glaubten.
Aus der Ereignismeldung UdSSR Nr. 128 vom 3.11.1941 zitiert nach: Vernichtungskrieg, S. 78
"Die Juden mussten sich mit dem Gesicht zur Erde an die Muldenwände hinlegen. In der Mulde befanden sich drei Gruppen mit Schützen, mit insgesamt etwa 12 Schützen. Gleichzeitig sind diesen Erschießungstrupps von oben her laufend Juden zugeführt worden. Die nachfolgenden Juden mussten sich auf die Leichen der zuvor erschossenen Juden legen. Die Schützen standen jeweils hinter den Juden und haben diese mit Genickschüssen getötet. Mir ist heute noch in Erinnerung, in welches Entsetzen die Juden kamen, die oben am Grubenrand zum ersten Mal auf die Leichen in der Grube hinunterblicken konnten."
Benz, Legenden, Lügen, Vorurteile, S. 44
Quellen: http://www.dhm.de/lemo/html/wk2/holocaust/babijar/...
http://www.h-ref.de/krieg/sowjetunion/babi-jar/bab...
http://www.deathcamps.org/occupation/babijarstatem...
http://www.talmud.de/cms/Das_vergessene_Verbrechen...
Bürgerreporter:in:Dr. Bernhard Lehmann aus Gersthofen |
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