"Hervorragendes Programm zum Nulltarif" - Max Poppe, Gerardo Olita und Florian Weiß vom Verein Lebendige Innenstadt Gersthofen über die kulturina und weitere Gersthofer Projekte
mh bayern: Das Flaggschiff Ihres Vereins ist und bleibt die kulturina: Welches Fazit ziehen Sie für die dritte Auflage in diesem Jahr? Wie hat sich das Fest entwickelt?
Gerardo Olita: Die kulturina hat seit 2011 eine beachtliche Größe und Qualität erreicht. Wer dieses Jahr durch unser Spendengate gelaufen ist, konnte sehen, wie viel Arbeit mittlerweile in diesem Event steckt. Über 100 Arbeitstreffen, über 15.000 verschickte E-Mails, über 5.000 geführte Telefonate und über 6.000 ehrenamtliche Arbeitsstunden, das entspricht drei Vollzeitbeschäftigten. Demnach kann zweifelsohne von unserem Flaggschiff gesprochen werden. Es ist uns dabei gelungen, die Qualität und Vielfalt mit jedem neuen Jahr zu steigern und auch für 2014 stehen bereits wieder interessante Neuerungen für das Publikum an.
mh bayern: kulturina hat ja einen starken regionalen Charakter. Zeigt sich das auch bei den Besuchern? Wie viele Besucher kamen heuer insgesamt zum Feiern nach Gersthofen?
Florian Weiß: Natürlich besuchen während des Wochenendes unzählige Gersthofer ihre kulturina, um ausgelassen mit Nachbarn, Freunden und Bekannten zu feiern. Aber auch auswärtige Besucher nehmen das tolle Angebot und Ambiente dankend an. Aufgrund des glücklichen Wetters konnten wir erneut eine äußerst positive Bilanz bei den Besucherzahlen ziehen, 2013 waren während den drei Tagen wieder über 40.000 Menschen im Stadtzentrum unterwegs.
mh bayern: Der Verein Lebendige Innenstadt Gersthofen organisiert kulturina ehrenamtlich. Haben Sie nach der dritten Auflage noch Freude daran und was motiviert Sie?
Gerardo Olita: Die Hauptmotivation für unser Team ergibt sich aus der positiven Resonanz auf das Festival und es ist wirklich schön, dass viele Besucher dies in Form von Applaus, persönlichen Ansprachen oder Gesten zum Ausdruck bringen. Sei es zum Beispiel nur der aufmunternde Klopf auf die Schulter eines Helfers, der sich mit seinem kulturina-T-Shirt auf dem Gelände zu erkennen gibt. Auch der harmonische Verlauf mit allen Beteiligten bestärkt uns in unserem ehrenamtlichen Handeln. Die Freude und Begeisterung für die Sache ergibt sich für uns letztlich durch den tollen Mannschaftsgeist unter allen Aktiven.
mh bayern: kulturina ist und soll laut Ihrer Aussage kostenlos bleiben, um freiwillige Zuwendungen wurde jedoch gebeten. Wie groß war die Spendenbereitschaft der Besucher? 2012 zogen Sie ja ein eher ernüchterndes Fazit.
Max Poppe: Die kulturina wird kostenlos bleiben, dies stand für uns auch nie ernsthaft zur Diskussion. Allerdings wollten wir ganz bewusst auf unseren Umstand aufmerksam machen und aufzeigen, dass dieses großartige ehrenamtliche Engagement einiger weniger nicht als selbstverständlich hingenommen werden kann. Wir bieten drei Tage ein hervorragendes Programm und Unterhaltung mit erstklassigen Künstlern zum Nulltarif, obwohl eine einzelne Konzertkarte bei diesen schon schnell mal 15 bis 20 Euro kosten würde. Unsere Ideen zu einer freiwilligen Spendenmöglichkeit haben uns Recht gegeben. An der zentral platzierten Spendenbox kamen darüber hinaus viele angenehme Gespräche zustande, die ebenfalls von viel Wertschätzung zeugten. Leider blieb dennoch vereinzelt ein boshafter Kommentar gegenüber unseren jungen Helfern nicht aus.
mh bayern: Ein weiteres Projekt des Vereins ist die Narrenhalle. Welches Fazit ziehen Sie für dieses Jahr und wird die Narrenhalle eine dauerhafte Einrichtung im Gersthofer Fasching?
Max Poppe: Die Narrenhalle war unser persönlicher Versuch, den Bürgerfaschingszug und die Aktivitäten rund um das närrische Wochenende zu stabilisieren. In früheren Jahren war der Zugvogelball ein wichtiger Baustein im Gersthofer Fasching, bei dem die Teilnehmer und Zuschauer im Anschluss noch ausgelassen im Zelt auf dem Festplatz feiern konnten. Dies sollte im Zentrum wieder ermöglicht werden, um nicht zuletzt auch dem rückläufigen Trend bei den Teilnehmerzahlen positiv entgegenzuwirken. Leider ist der immense Aufwand langfristig nicht wirtschaftlich darstellbar, vor allem die hohen Heizkosten und der komplizierte Aufbau verschlingen zu viel Geld. Und durch den zumindest für 2014 unausweichlichen Ausfall des Umzuges ist keine Grundlage mehr für die Narrenhalle gegeben.
mh bayern: Ende letzten Jahres fuhren einige Mitglieder des Vereins Lebendige Innenstadt nach Ulm, um sich das dort praktizierte Shared-Space-Modell anzusehen. Sie favorisieren das Konzept für die Bahnhofstraße. Können Sie uns kurz erläutern, warum Sie Shared Space auch für Gersthofen wollen und ob in diesem Jahr Bewegung in die Sache Verkehrsplanung in der Neuen Mitte gekommen ist?
Gerardo Olita: Wir wollten damit einen konstruktiven Dialog anstoßen, um für das Gersthofer Stadtzentrum ohne Scheuklappen eine ideale Lösung zu finden. Shared Space kann dabei ein Lösungsansatz sein und spätestens nach unserer Fahrt nach Ulm glauben wir, dass dies funktioniert. Die dortigen Verhältnisse sind im Hinblick auf die Verkehrsführung und das tägliche Verkehrsaufkommen sehr vergleichbar mit unserer Situation. Nicht zuletzt die jüngsten Präsentationen der Fachplaner in der Bauausschusssitzung unterstreichen, dass ein Konzept mit Temporeduzierung und baulicher Aufwertung für die Fußgänger und Radfahrer funktioniert. Der TÜV hat dies auch in Form einer aufwändigen, mit realen Fahrzeugzahlen aus dem Bereich Strasser-Kreuzung gespeisten Simulation nachgewiesen. Eine erneute Informationsfahrt ist für Anfang kommenden Jahres geplant.
mh bayern: Bei den Bürgerwerkstätten im November wurde die Neuaufstellung des Flächennutzungsplans diskutiert und somit auch die Zukunft von Gersthofen. Waren Sie mit dabei und welche Eindrücke haben Sie gewonnen?
Gerardo Olita: Ich verfolge den Prozess und die einzelnen Sitzungen sehr aufmerksam. Speziell die Vorhaben im Stadtzentrum sind mir ein persönliches Anliegen. Gersthofen war im Hinblick auf die Stadtentwicklung schon immer auf der Überholspur, denken wir alleine an die neuen Gewerbeansiedlungen und hinzugekommenen Wohngebiete der letzten zwei Jahrzehnte. Wichtig ist nun aber, dass auch das gesellschaftliche Miteinander gestärkt wird. Hierzu ist in meinen Augen ein funktionierendes Stadtzentrum nötig, in dem sich die Bürgerinnen und Bürger gerne aufhalten und ein sozialer Austausch stattfindet. Einkaufsmöglichkeiten, Cafés und Restaurants, Freizeit- und Erholungsflächen für Jung und Alt und auch regelmäßige Veranstaltungen, die von allen Gersthofern angenommen werden.
mh bayern: Die Stadt hat Rücklagen in Höhe von circa 50 Millionen Euro. Was wäre für Gersthofen Ihrer Meinung nach die beste Investition?
Florian Weiß: Viel des Geldes ist ja bereits verplant oder für Modernisierungsmaßnahmen vorgesehen. Die neue Mittelschule zum Beispiel verschlingt schon über 30 Millionen Euro und auch
anstehende Sanierungen städtischer Gebäude und Straßen werden in den nächsten Jahren hohe Ausgaben verursachen. Sinnvoll angelegt wäre ein Teil des Geldes in unseren Augen für die Aufwertung des Stadtzentrums. Die verkehrliche Situation, vor allem der Strasser-Kreuzung, bedarf einer Lösung, um die Aufenthaltsqualität zu steigern. Dies gilt auch für den Rathausplatz oder den Stadtpark, die mit Ausnahme einzelner Veranstaltungen eher unterdurchschnittlich von den Gersthofern genutzt werden.
mh bayern: Im März 2014 sind Kommunalwahlen. Welche Hoffnungen, Wünsche und Befürchtungen haben Sie hinsichtlich der Aufwertung des Gersthofer Zentrums?
Gerardo Olita: Dass vor allem beim Thema Verkehr mit den Ängsten der Menschen gespielt wird und moderne Lösungsansätze schon im Vorfeld zerredet werden. Einige Stadträte machen es sich zu einfach, indem sie alles kategorisch ablehnen, ehe eine Ost-West-Umfahrung errichtet wird. Diese Damen und Herren sollten sich aber mal die Zeit nehmen, um die wirkliche Situation im Stadtzentrum zu studieren. Es sind keine auswärtigen Autofahrer, die etwa von Neusäß nach Mühlhausen durchs Stadtzentrum fahren, sondern die Gersthofer selbst, sei es einer aus dem Ballonstadtplatz, der zum Schulzentrum im Süden möchte, oder jemand aus dem Jahreszeitenviertel zum Einkaufen in den Hery-Park. Nachweislich handelt es sich größtenteils um Quell-Ziel-Verkehr und hier bringt eine Umgehungsstraße rein gar nichts.
mh bayern: Werfen wir zum Schluss einen Blick in die Zukunft: Wie soll die kulturina 2014 aussehen? Welche weiteren Pläne hat Ihr Verein fürs nächste Jahr?
Max Poppe: Wie bereits angekündigt planen wir aktuell an einer dritten Bühne samt ruhigerem Gastronomiebereich, auf welcher während der drei Veranstaltungstage alternative Programmpunkte dargeboten werden. Vom Streicherquartett über einen Pianisten prüfen wir aktuell vielfältige künstlerische Beiträge. Auch das Ballonmuseum mit all seinen kinderfreundlichen Programmangeboten soll noch näher in den Fokus rücken. Ein weiterer wichtiger Baustein ist für uns im kommenden Jahr die Inszenierung des Festivalgeländes; mit Lichtinstallationen und Dekorationen wollen wir hier weiter an der Einzigartigkeit der kulturina feilen.
mh bayern: Wir danken Ihnen für das Interview!
myheimat-Team:Tanja Wurster aus Augsburg |
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