Poesie und Schimpf aus Küche, Garten und Metzgertheke: Beleidigte Leberwürste und wilde, heiße Rouladchen
Der gemeine europäische Mittelgebirgs-Teutone hat ja ein eher ambivalent-zwiespältiges Verhältnis zu seiner Ernährung. Da machen die knorrig kantigen Ureinwohner des mittelhessischen Outbacks keine Ausnahme. Auch für sie gilt: Du bist, was Du isst! Und das ist entweder eine fette Schweinshaxe oder ein mariniertes, kross gedünstetes Dinkel-Gratin aus ökologisch korrektem Anbau – handgeblasen, mundgetöpfert und aus freilaufender Bodenhaltung. Dazwischen gibt es nix – oder nur wenig.
Und unser zumeist achtlos-gleichgültiger Umgang mit dem Futter spiegelt sich auch in der Sprache wieder, wie beispielsweise Philipp Weber, mein zum philosophierenden Tiefgang tendierender Ernährungsberater aus Franken, in umfangreichen Feldstudien herausgefunden hat. Da ist uns der Franzose deutlich voraus. Kleines, einfaches Beispiel: Während der dahingehend eher uninspirierte germanische Verbraucher von einer profanen Tomate redet, nennen Pierre, Francois, Alain und Co. dieses flotte, rote Nachtschattengewächs in romatisch-lust-verklärter, erwartungsfroher Poesie „ pomme d'amour“ – Liebesapfel. Und unsere schluchtigen österreichischen Nachbarn pflegen das mit der Petunie und dem Tabak verwandte Speisegewächs immerhin noch als „Paradiesapfel“ oder „Paradeiser“ zu bezeichnen. Das hat schon etwas mehr Stil. Der Deutsche hängt der Tomate mitunter auch noch das Adjektiv „untreu“ an. Warum, wäre an anderer Stelle zu klären.
Nun sind die Franzmänner, auch wenn sie längst erkannt haben, dass viele Köche die Köchin verderben, offensichtlich nicht nur in der Liebe, die ja durch den Magen geht, wesentlich einfallsreicher. Für sind Romantik, Schlemmen und Dichtkunst untrennbar miteinander verwoben. Sie kochen (und dinieren) mit Lust und Leidenschaft. Vielleicht auch deshalb, weil ihnen Giacomo Casanovas Erkenntnis, der zufolge jede Frau für gutes Essen anfällig sei, nicht mehr aus dem Schweinsohr geht.
Mein allerliebstes essigscharfes Senfgürklein
Während wir spröden zwischen Rhein und Ruhr, Kiel und Konstanz siedelnden Süßen uns in schnöder banaler Beschränktheit allenfalls mal zu einem „Meine kleine Honigschnute“ oder einem „Mein süßer Erdbeermund“ versteigen, kennen die Kompliment-versierten Frankophilisten beispielsweise „Mon petit chou“. Heißt so viel wie „mein kleiner Kohl“ bzw. „meine kleine Kohline“. Gut, man kann es auch übertreiben. Ich würde meine Liebste nicht mit der Pfälzer Saumagen-Birne vergleichen wollen. Aber diese Systematik eröffnet andererseits ganz neue Optionen und verbal-kommunikative Perspektiven. Statt Süßspeisen, siehe oben, könnte man(n) doch auch aus würzig-pikanter Quelle schöpfen. Weber, mein Esstrainer, schlägt dahingehend „Mein essigscharfes Senfgürklein“ und/oder „Du wildes, heißes Rouladchen“ vor. Angeblich hat er damit beim anderen Geschlecht einen Wahnsinnserfolg. Noch risk hin, no fun her, ich möchte das aber lieber doch nicht auspopbieren… Und bis solches in den allgemeinen Sprachgebrauch Einzug hält, wird wohl noch viel Maggi den Ausguss hinunter fließen.
Komplimente aus der Metzger-Theke
Der deutsche Michel nutzt Vergleiche mit Lebensmitteln, Früchten, anderem essbaren Zeugs oder Dingen, die mit deren küchenspezifischen Zubereitung zusammen hängen, allenfalls dazu, um andere herunterzuputzen bzw. bei diesen irgendeine schlechte Eigenschaft zu reklamieren. Die Nahrung ist für ihn also erst einmal negativ besetzt, weil er ja schließlich in Teufels Küche brät. Er riecht den Braten, traut ihm aber nicht. Da gibt es beispielsweise die „beleidigte Leberwurst“, wobei sich es mir bis heute nicht erschlossen hat, warum ausgerechnet die eingeschnappt sein soll, und nicht etwa die Salami oder der Presskopf. Vielleicht hat der Pfefferbeißer sie ja fies gemobbt. Überhaupt werden die Auslagen in der Metzgertheke gerne bemüht, um, vergleichend damit, andere abzuqualifizieren. Man kennt das ja von dem legendären „Hans Wurst“, und dem „Armen Würstchen“, zwei entfernten Verwandten des „Pflaumen-August“. Diesen Dreien ist sowieso alles Wurst. Ob Früchte, Obst, Gemüse, Fleisch - aus dem, was zum Verzehr bestimmt ist, oder irgendwie auch nur entfernt damit zu tun hat, lässt sich immer etwas Nachteiliges ableiten und zubereiten. Die Beispiele dafür sind Legion.
Da gibt es den Erbsenzähler oder die Spinatwachtel, den Saftsack und den Bananenbieger, die Hohlbirne und den Himbeer-Toni. Gängig sind auch die Zimtzicke und der Milchbubi, der um ein paar Ecken mit der Quarktasche verwandt ist. Und dann erst die Gaga-Front: Landei ist da ja noch eher harmlos, wenn auch weit verbreitet. Aber da gibt es auch den Eierbär, den Eierkopp und die Eeierfeile. Andere schaukeln sich die Eier, aber das ist funktional und anatomische eine ganz andere Liga. Und, Hand aufs Herz: Wer hat anderen nicht schon mal ein faules Ei ins Nest gelegt?
Dumm wie Brot und mager wie ein Suppenhuhn
Der Suppenkasper treibt seine Scherze in der Fünf-Minuten-Terrine, während die Nuss nicht nur taub, sondern zugleich auch dumm sein kann. Stinkmorchel lässt auf einen besonders intensiven Mundgeruch schließen, was vor allem bei einem notorischen Knoblauchfresser der Fall sein kann. Und wenn der dann auch noch mit dem Deo geizt, dann ist sowieso Hopfen und Malz verloren. Schnapsnasen und Schnapsdrosseln setzen bei der Getränkewahl eindeutige Prioritäten, während der als Pizzarandabschneider verpönte Wurzel-Sepp sowieso jede ihm gestellte Aufgabe versemmelt. Er hat auch nicht mehr alle Gurken im Glas und bietet selbige zu allem Über- und Unterfluss auch noch an wie saures Bier. Da ist dann wirklich alles Essig. Marion, im Hauptberuf Saftschubse, hat Orangenhaut und ist nicht ganz gar. Ihrer Freundin Petra sagt man nach, nicht mehr alle Ravioli in der Dose zu haben. Sie sei dumm wie Brot, mager wie ein Suppenhuhn und werde ab und an mal vom Hafer gestochen.
Traurige Toiletten und die CSU
Heinz-Olaf hingegen, dieser notorische Korinthenkacker, hat absolut keinen Humor, weshalb er auch keine Kichererbsen, Ulknudeln und/oder Scherzkekse mag, erst Recht nicht, wenn letztere ihn auch noch veräppeln, anpflaumen oder sonst wie herumgurken. Für seine Tochter Birgit, dieses mimosenhafte Früchtchen, muss er regelmäßig die Kastanien aus dem Feuer holen. Das Kind hat eine Knollennase und weint immer noch um seine verstorbene Tante Erna, diese Pissnelke, die eingegangen ist wie eine Primel und sich die Radieschen inzwischen von unten betrachtet. Erna war zwar Vegetarierin, aber ins Gras beißen wollte auch sie (noch) nicht. Der Trauerkloß ist den Hinterbliebenen bei der Bewältigung des nach ihm benannten Knödels in ihrem Schmerz eine große Stütze. Geteiltes Leid ist halt halbes Leid. Der Begriff Trauerkloß leitet sich übrigens nicht von dem CSU-Politiker Michael Gloos ab. Und es sind auch keine traurigen Toiletten damit gemeint….
Salatschnecken und Knallbonbons
Da ist mir dieser( holländische) Käskopp eindeutig sympathischer, auch wenn er faule Geschäfte mit diesen schimmeligen und mit Labskaus jonglierenden ostfriesischen Fischköpfen tätigt. Diese Kirschkern schnitzenden Maggi-Struller sind sowieso zäh wie Kaugummi. Bliebe noch Kevin, ein Dreikäsehoch. Dieser Spaghetti-Tarzan hat es nicht nur bei mir gehörig im Salz liegen. Und das gilt auch für seine kleine Schwester, diese Salatschnecke, die ebenfalls als echtes, Eiswürfel lutschendes Knallbonbon verschrien ist – und das nicht ohne Grund. Sie markiert und ist quasi das Sahnehäubchen auf diesem schrulligen Panoptikum.
Und um noch mal auf die Franzosen zurück zu kommen. Bei denen gibt es ja das Sprichwort: „Wo die Liebe den Tisch deckt, schmeckt das Essen am besten“. Dachte ich bisher auch immer. Auf die Frage hin, wo denn mein Abendessen stehe, lautete die Antwort: Im Kochbuch auf Seite 54! Mahlzeit!
Bürgerreporter:in:Jürgen Heimann aus Eschenburg |
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