Aus dem Leben eines Raubmörders
Der Räuber Jasper Hanebuth konnte das Töten nicht lassen

Der "Hof Pieper" in Groß Buchholz. Dort wurde Jasper Hanebuth geboren und im Jahr 1607 getauft.
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  • Der "Hof Pieper" in Groß Buchholz. Dort wurde Jasper Hanebuth geboren und im Jahr 1607 getauft.
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Wo es in Hannover am sichersten ist

Wenn man heute einen Bürger von Hannover fragen würde, wo es denn in der Stadt am sichersten sei, dann müsste derjenige erst einmal überlegen: Vielleicht im Beamtenviertel der Südstadt, in Kleefeld am Eilenriederand oder im noblen Kirchrode. Und es ist auch nicht Waldheim, obwohl das in der Kriminalstatistik am besten abschneidet. Es gibt inmitten der Stadt tatsächlich ein Gebiet, das noch deutlich sicherer ist und das wohl keiner als solches vermutet hätte. Das ist die Eilenriede, Hannovers allseits beliebter Stadtwald, der vom Häusermeer umgeben wird. Er ist der größte dieser Art in Europa. Dort ist man am sichersten, auch wenn einem nachts vielleicht unheimlich zumute ist, wenn man die Eilenriede im Stockdunkeln mit dem Rad durchquert und hinter jedem Baum einen lauernden Räuber vermutet. Aber natürlich gibt es auch Ausnahmen.

So wurden Mitte der Siebzigerjahre überall in Hannover Leichenteile gefunden. Insgesamt von vier Männern und zwei Frauen, die allesamt nicht identifiziert werden konnten. Zum Beispiel an der Maschseequelle, am Leineufer, im Container auf einem Schulhof in der Südstadt oder eben in der Eilenriede. Dort war es der Unterleib einer Frau, der für Gruseln sorgte. Aber natürlich tat das der ganze Fall, der bis heute nicht geklärt ist und unter dem Namen „Der Sägemörder von Hannover“ bekannt wurde.

Auch muss ich an die Geschichte des hannoverschen Judokämpfers Klaus Glahn aus den Sechzigerjahren denken, die allerdings zum Schmunzeln ist. Der Bronzemedaillengewinner bei den Olympischen Spielen von Tokio wurde im Stadtwald von gleich drei Räubern überfallen, was er sich allerdings nicht gefallen ließ. Er wehrte sich heftig, schlug zwei in die Flucht und packte den dritten am Kragen und schleppte ihn aufs Polizeirevier. Da waren die Gangster an den Falschen geraten. Dumm gelaufen.

An den Richtigen geraten waren in der Eilenriede vor langer Zeit jedoch etliche andere, und das sollte ihnen zum Verhängnis werden, denn sie sollten es mit ihrem Leben bezahlen. Und zu dieser Geschichte eines Serienmörders machen wir jetzt eine Zeitreise zurück ins 17. Jahrhundert, in dessen erster Hälfte Mord und Totschlag sowieso an der Tagesordnung waren.

Das Dorf Groß Buchholz

Etwa in acht Kilometern Entfernung von Hannover lag in nordöstlicher Richtung das Dorf Groß Buchholz. Etwa ein halbes Jahrhundert nach Hanebuth sollte es zum Schauplatz eines Konflikts werden. Die buchholzer Bauern waren, nachdem die Wälder ziemlich abgeholzt waren, am Torfabbau im Altwarmbüchener Moor beteiligt. Der Torf wurde ebenfalls als Brennstoff zum Feuern und Kochen verwendet.
Als jedoch die Stadt Hannover den Torfabbau übernahm und sie einen 10 Kilometer langen Torfkanal angelegt hatte, den Schiffgraben, der vor dem Aegidientor begann, waren die Bauern damit nicht einverstanden. Sie hatten sich ihr Geld nämlich auch damit verdient, den Torf mit Ochsenkarren in die Stadt zu bringen. So schütteten sie den Kanal mehrfach zu, während die Stadt ihn immer wieder freilegen musste.

In diesem Dorf nun, am Buchholzer Kirchweg 72, befand sich der „Hof Pieper“, der Hans Hanebuth gehörte. Dieser hatte den Beruf eines Vollmeiers und Kötners. Auch wenn er Leibeigener war, so stand er in der Hirarchi des Dorfes doch ganz oben. Das Ehepaar Hanebuth sollte einen Sohn bekommen. Er wurde im Jahr 1607 auf den Namen Jasper getauft.

Heute erinnert noch ein schöner Brunnen an der ehemaligen Zollstation Pinkenburg, einst ein Einlass mit Wartturm der Hannoverschen Landwehr, an diese bäuerliche Zeit. Tiere wie Schweine, Gänse oder Ziegen sind dort an der Tränke als Bronzefiguren zu einer kleinen Gruppe zusammengestellt. Und man schaut sich auch den nahegelegenen Köritz-Hof an, das älteste Bauernhaus Hannovers, das leider seit Jahren verfällt. Hanebuth kannte diesen Hof ebenso wie die Pinkenburg, wurde er doch 1619 zu seinen Lebzeiten erbaut.

Als Jasper heranwuchs, begann der Dreißigjährige Krieg, und auch er musste irgendwann seinen Militärdienst antreten. Als Söldner zog er von da an auf schwedischer Seite durch deutsche Lande. Das dieser Krieg, egal ob von Protestanten oder Katholiken, grausam geführt wurde, ist allseits bekannt. Ob Bauern, die sich in Dorfkirchen verbarrikadiert, aber dann verbrannt wurden oder Menschen, denen ein Jauchetrichter in den Rachen geschoben wurde. Wohl fast jeder hat von diesen Gräueltaten schon einmal gehört. Die marodierenden Heere mussten sich eben selbst verpflegen. Und das ging nur, indem man Menschen umbrachte und deren Höfe plünderte und verbrannte. So konnte nur ein Krieg den Krieg ernähren. Ein Drittel der Bevölkerung auf deutschem Boden ist diesem jahrzehntelangen Morden zum Opfer gefallen, das zu einer unfassbaren Verrohung führte. Und Jasper Hanebuth, der dieses alles mitmachte oder mitmachen musste, behielt diese Verrohung auch zum Ende des Krieges bei, als er wieder nach Groß Buchholz zurückgekehrt war. Das aber nun auf andere Art.

Die Eilenriede vor den Toren der Stadt

Die Eilenriede ist der übriggebliebene Rest des Nordwaldes, der sich einmal zwischen Hannover, Braunschweig und Hildesheim großflächig ausbreitete. In ihn wurden vor über 1000 Jahren Rodungsinseln geschlagen, und so entstanden die Dörfer mit ihren im Laufe der Zeit immer größer werdenden Feldflächen. Auch Groß Buchholz gehörte dazu, wie es der Name schon sagt.

Zwischen diesem Bauerndorf und der Stadt Hannover, die im 17. Jahrhundert etwa 10.000 Einwohner hatte, befindet sich die Eilenriede. Sie sah damals anders aus als die heutige mit ihren gepflegten Bereichen und naturbelassenen Inseln darin. Es war kein dichter Wald, wie wir ihn kennen. Damals wurde jede Menge Holz benötigt. Allein für ein durchschnittliches Fachwerkhaus in der Stadt etwa 30 Eichenstämme. Zusätzlich wurde es verfeuert, zum Herstellen von Alltagsgegenständen und auch Waffen benötigt. Auch wurde das Vieh zur Mast in den Wald getrieben. Rinder, Schweine und Ziegen. Die fraßen die Sprösslinge und sorgten durch den Verbiss für verkrüppelte Bäume, wie wir sie von alten Gemälden von Ludwig Richter, einem berühmten Maler der Romantik, kennen. Aus unserer heutigen Sicht entsprechen diese Bäume dem Bild eines ursprünglichen Waldes. Aber die Forstwirtschaft möchte für die Verarbeitung natürlich einen geraden Wuchs haben. Und da von Nachhaltigkeit damals noch nichts bekannt war, machte die Eilenriede einen wüsten Eindruck auf jeden, der sie durchqueren oder darin aufhalten musste.

Die einen kamen vielleicht als Händler über die alten Heer-, Königs- oder Poststraßen, deren Namen teilweise geblieben sind. So beispielsweise die Alte Celler Heerstraße oder die Königsstraße. Andere kamen in den Wald, um Holz zu schlagen, Frauen, um Beeren und Kräuter zu sammeln, oder Hirten, die ihr Vieh hüteten. Manche waren zu mehreren unterwegs, andere allein. Das nun sollte Jasper Hanebuth ausnutzen.

Hanebuth ging nicht zimperlich vor

Zunächst hatte er jedoch die Bürgerechte der Stadt Hannover erworben. Damit hatte er die Leibeigenschaft hinter sich gelassen, denn Stadtluft macht frei. Daher der Ausdruck. Aber da er seine Steuern nicht bezahlen konnte, verlor er sie auch bald wieder. So musste sich Hanebuth etwas anderem zuwenden, und das war die Räuberei. Dabei blieb er allerdings nicht allein. Er suchte sich Kumpane, die er für seine Ziele teilweise mit einspannte. Darunter waren Hans Stille, Caspar Reusche und Hänschen von Rode. Der war ein Abkömmling einer alten hannoverschen Patrizierfamilie.

Diese Räuber beschränkten sich in erster Linie auf die Eilenriede, konnte man darin doch immer schnell im Dickicht des Walds verschwinden, wenn es denn sein musste. Bei den Überfällen wurde nicht zimperlich vorgegangen. Wurde ein Mensch für würdig erklärt, überfallen zu werden, so wurde er schon von weitem niedergeschossen. Und das endete für diesen nicht selten tödlich. Hanebuth war, bedingt durch seine Kriegserfahrungen, ein besonders roher Kerl. Seine Wutanfälle waren gefürchtet. Zu seinen Opfern sollte schließlich sogar seine Räuberbraut gehören.

Auf diese Weise bestritt der Räuber und Mörder also seinen Lebensunterhalt. Dabei soll er sich der Legende nach mit seinem Raubgut in einem Geheimtunnel versteckt haben. Dieser so genannte Hanebuth-Gang aus dem 16. Jahrhundert führt vom Hohen Ufer der Leine, wo man in der Wand am Fluss die Eingangstür sehen kann, unter der Stadtmauer hindurch in die Altstadt. Vermutlich zur Kreuzkirche. Genau weiß man es nicht, da der Tunnel nach 20 Metern eingestürzt ist.

Das grausame Ende des Raubmörders

Zuletzt probierte es Hanebuth noch als Pferdehändler, bis er wegen eines Pferdediebstahles im Jahr 1652 erwischt und dadurch verhaftet wurde. Und das sollte kein Spaß für ihn werden. Bei der peinlichen Befragung – das Wort stammt von Pein, Schmerzhaftigkeit ab – konnte er diversen Folterwerkzeugen im Ratskeller des Alten Rathauses nicht widerstehen und gab schließlich zu, 19 Morde und 10 Diebstähle begangen zu haben. Das war Grund genug, ihn nach einem Jahr im finsteren Kerker durch das Halsgericht zum Tode durch Rädern zu verurteilen. Das sollte am 4. Februar 1653 an der Richtstätte vor dem Steintor geschehen. Dass das alles andere als ein schöner Tod sein kann, kann sich wohl jeder denken.

Im ersten Teil der Folterung wurde Hanebuth vor den Augen der Bürger auf einem Schafott festgebunden. Dann tat der Scharfrichter sein Handwerk. Er ließ ein schweres Wagenrad nach einem genau vorbestimmten Rhythmus an den Füßen beginnend nach oben bis zur Brust auf jede Körperpartie fallen, wodurch nach und nach sämtliche Knochen gebrochen wurden. Um die Pein zu erhöhen, waren zuvor noch scharfkantige Hölzer unter die Gelenke gelegt worden. Ziel war es nun, den Deliquenten zu quälen, ohne ihn dabei zu töten. Im zweiten Teil wurde der zerschmetterte Körper durch die Speichen eines anderen Rades geflochten und dann aufgerichtet. Erst dann durfte ihn der Scharfrichtet enthaupten oder erdrosseln. Danach wurde der Körper auf dem Rad belassen und dem Verfall und Tierfraß überlassen.

Das war also das schlimme Ende des Räubers Jasper Hanebuth, der das Morden nicht lassen konnte. Aber wegen dieser Untaten ist er bis heute im Gedächtnis der Stadt Hannover präsent geblieben, ebenso wie der noch schlimmere Fritz Haarmann. Und das nicht nur durch den Hanebuth-Gang. Eine Straße in Groß Buchholz, der Hanebuthwinkel, erinnert an ihn. Ebenso der Grabstein eines jüngeren Bruders des Räubers an der St. Nicolai-Kirche in Botfeld, den der Bildhauer Waldemar Otto schuf. Am Geburtshaus Hanebuths ist eine Plakette angebracht, die auf ihn hinweist und davor steht eine Skulptur, die den Torso seines letzten Opfers darstellt. Und auf dem Weißekreuzplatz hinter dem Hauptbahnhof steht ein weißer Kreuzstein, der früher seinen Platz vor dem Steintor hatte, der Hinrichtungsstätte. Zunächst dachte man, dass es sich dabei um einen Sühnestein für den Räuber handeln würde. Doch das erwies sich als falsch. Es gab wohl niemanden in dessen Familie, der einen solchen für ihn aufgestellt hätte, und der Stein stand schon vor Hanebuth dort.

Wenn wir heute durch die schöne Eilenriede spazieren und dort vielleicht mal einen menschlichen Knochen finden, dann könnte es einer von den Menschen sein, die der Räuber Hanebuth einstmals gemeuchelt hat. Deswegen rate ich euch, wenn ihr nachts mit dem Rad durch die Eilenriede fahrt, immer auf der Hut zu sein. Denn manchmal spielen sich in der Dunkelheit seltsame Dinge ab.

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Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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