Mythos vom guten Osten
Es gibt da eine linke Legende.Sie gehörte zum Gründungsmythos der DDR,und sie besagt,dass die alten Nazis nach 1945 im Westen wieder Fuss fassen konnten ,während die DDR konsequent antifaschistisch war.
Die Stasi-Mitarbeiter müssen daher wohl überrascht gewesen sein, als sie in den sechziger Jahren entdeckten dass Euthanasiemediziener aus der NS-Zeit in einer Klinik im thüringischen Stadtroda noch immer in Amt und Würden waren.
Sie reagierten prompt:Sie ließen alle Beweise in einer "Sperrablage" verschwinden.Die Nazis saßen schließlich im Westen!
So verhinderte in der DDR gerade der vorgebliche Bruch mit der NS-Vergangenheit deren Aufbereitung.
Die kleine aber informative Ausstellung:"Das hat`s bei uns nicht gegeben!" der Amadeu-Antonio-Stiftung beschäftigt sich jetzt in der Celler Synagoge mit Antisemitismus in der DDR.
Die Texttafeln widerlegen auch den Mythos von der Entnazifizierung im Osten: Nach den spektakulär inszenierten "Waldheimer Prozessen " von 1950 gab es kaum noch Anklagen gegen NS-Täter, obwohl die Stasi von Hunderten Verdächtigen wusste .Weil Antisemitismus nicht ins Selbstbild vom sauberen Staat passte , wurden Schändungen jüdischer Friedhöfe als " Rowdytum" bagatellisiert.
Zeitzeugen berichten in der Ausstellung an Video- und Hörstationen jedoch, dass es Antisemitismus im Alltag durchaus gab.
Der Holocaust kam im Schulunterricht meist kaum vor.Beim staatlich verordneten Gedenken gab es eine klare Hierarchie :
Danach galten "Opfer des Faschismus",etwa Juden , weniger als die meist kommunistischen "Kämpfer gegen den Faschismus", die von 1965 an auch eine besondere Ehrenpension erhielten.
DDR-Medien warfen Israel gern NS-Methoden vor.In der Kinderzeitschrift "ABC" tauchte 1984 in einer Fabel gar der böse "Feuerdrache Zion " auf , der armen Palästinenserkindern das Brot wegfraß.
Erst in der Endphase der DDR bemühte sich das Regime um bessere Beziehungen zu Juden:Honecker glaubte, sich mit ihnen gutstellen zu müssen, um die ersehnte Einladung ins weiße Haus zu bekommen.
Schon Mitte der achtziger Jahre , als die Loyalität gegenüber dem System zerbröselte , registrierte die Stasi intern eine "Zunahme neonazistischer und ausländerfeindlicher Tendenzen".Viele Vorfälle wurden aus Gegenden wie Rostock oder Usedom gemeldet, in denen heute rechte Kameradschaften stark sind.
Naziparolen in Stadien, Friedhofsschändungen , Hakenkreuzschmierereien - Anfang 1989 kam es zu einem sprunghaften Anstieg solcher Delikte .
Republikweit feierten Neonazis am 20.April 1989 den 100. "Führergeburtstag", Monate vor dem Mauerfall.
So widerlegt die Ausstellung auch den Mythos , erst der Kapitalismua habe den braunen Ungeist im Gefolge von Arbeitslosigkeit und Jugendklubschließungen in den Osten gespült.
Oft trat Fremdenfeindlichkeit erst nach der Wende offen zutage .Doch sie war kein Westimport.
Sondern gewachsen auf dem Boden der DDR.
Quelle: 1:1 HAZ, 7. Juli 2012
Ausstellung: Bis zum 2. September in der Celler Synagoge, im Kreise 24
Infos: 05141/936000
Bürgerreporter:in:Natalie Parello aus Sarstedt |
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