Ostbesuch. Keine Satiere, sondern trauriger Ernst zum 20.

Auch als Antwort auf den Bericht aus Potsdam "Westbesuch".
Ende der 70er Jahre, ich habe nur die markanten Teile der Reise im Kopf, besorgte Schwiegermutter von ihrer Cousine eine Einladung nach Leipzig.
Wir fuhren los, Schwiegermutter, Frau, Tochter, ich und der Dackel.
Der Grenzübergang Marienborn hat in mir einen ähnlichen Eindruck hinterlassen wie die Fliegerangriffe auf Hannover. Wenn ich ähnliche Gebäude sehe, ist das so als wenn die Sirenen heulen.
( Danke ,daß er noch da steht als Abschreckung ) Man wollte uns wohl durch den Anblick und die schikanöse Behandlung zur Umkehr bewegen.
Unmengen Geld mußte für vier Personen umgetauscht werden.
Wir hielten die 2-3 Stunden tapfer durch bis die unsympatischsten Menschen, die ich je erlebt hatte, uns zum Tierarzt schickten. Ein graues Haus rechts etwa 500 m weiter.
Der Dackel mußte begutachtet werden.
Aus 2,5 m Höhe schaute ein mißmutiger Mensch aus einem Fenster zum hoch gehaltenen Hund: "Farbe stimmt, alles klar".
Wir durften weiterfahren.

!00 km/h, nicht mehr. Hinter den Büschen standen immer wieder Vopos mit Überwachungsgeräten, An Feldwegen und Ausfahrten - an denen man nicht nach links fahren durfte, wenn ein anderes Fahrzeug auf die Autobahn wollte- standen Funkwagen. Eine bedrohliche Situation, sollte wohl auch so sein.
(Vettern aus Berlin/West hatten alle ein Radarwarngerät im Fahrzeug.)
An allen maroden Brücken Plastewerbung.
Bei einer späteren Fahrt nach der Wende mußte ich um Birken herumfahren, die mitten auf der Fahrbahn in riesigen Schlaglöchern wuchsen.
Auf einem Rastplatz nahm die Bedrohung der staatlich bezahlten Schergen noch zu. Sie standen überall beobachtend herum. Im Rasthaus gab es zur Überraschung einen Laden, wie ich ihn als Reisender nur an Spaniens Grenzen gesehen hatte. Es gab alle Konsumartikel, natürlich nur gegen Westmark. Wer hatte die schon im Osten.
Der Speiseraum mit laut schrappenden Stühlen auf dem Steinfußboden und der Charme gefiel uns nicht. Uns genügten ,sehr zum mißvergnügen der Beobachter, die Toiletten.

Wir mußten bald von der Autobahn runter und eine endlos lange zweispurige Lanstraße , ich glaube über Halle, nach Leipzig fahren.
Wir kamen 4 Stunden zu spät am Ziel an . 17.45Uhr. Um 18 Uhr
schließt die Meldestelle. Das heißt, mit 70 - 80 durch die Stadt zur Polizei. Unser Cousin, der mit zugestiegen war um den Weg zu zeigen, litt noch Jahre danach wegen der Fahrt.
Nichts war schlimmer, als sich nicht anzumelden. Personlich.
Alle ohne Ausnahme.
Diese Beamten dort in der Meldestelle möchte ich nicht als Nachbarn haben.

Der Besuch verlief sehr harmonisch. Wir konnten auf dem Rückweg vom Amt zwar keine Blumen mitbringen, weil es im Blumengeschäft keine gab, ließen dafür etliche Westmark da.
Kaffee, Kuchen, statt Schlagsahne ein in Milch aufzuschlagenes Pulver.
Nach dem Kaffee zeigte uns der Nachbar gegenüber stolz sein frisch verfliestes Bad mit 4 Sorten Fliesen. Alle getauscht gegen
überzählige Heizkörper.
Unsere Leute hatten vorab schon die gewünschte Raufaser geschickt bekommen.

Geschlafen hatten wir im Zimmer des abwesenden 10jährigen Sohnes. Auf dem Nachttisch lag das Buch der jungen Pioniere.
In dem Buch, was mir Übelkeit erzeugte, war als Wichtigstes für die Kinder ausgeführt, daß die Bundeswehr der größte Feind der sozialistischen Jugend ist und vernichtet werden muß.
(Wie lange hat das wohl gedauert, bis das in den Köpfen der ehemaligen Kinder umgeschaltet wurde. Wenn überhaupt.)

Der Cousin berichtete am nächsten Tag, daß der Scoda nach 6jähriger Bestellzeit ausgeliefert wird. Als Tierärzte für Landvieh ein notwendiges Fortbewegungsmittel.

Am nächsten Tag sind wir dann quer durch die Republik nach Frankfurt/Oder ohne Erlaubnis gefahren. War mir egal. Aber wieder zu Hause brauchte unser Volvo zwei neue Stoßdämpfer.

Bürgerreporter:in:

Hartmut Stümpfel aus Sarstedt

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