Birgit Meitner holt paralympisches Silber nach Täfertingen

Birgit Meitner spielt jetzt in der Bundesliga.
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Birgit Meitner spielt Basketball. Im Rollstuhl. Aus China kehrt sie mit der Silbermedaille zurück. Auf Vereinsebene hat sie schon alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. In der neuen Saison greift sie mit dem Aufsteiger SV-Reha Augsburg in der Bundesliga für Rollstuhlbasketball an.

Menschen, die eine Behinderung in den Rollstuhl zwingt, können tanzen, Rugby oder Basketball spielen. Birgit Meitner aus Täfertingen hat sich für Letzteres entschieden. Sie findet Basketball einfach attraktiver als Rollstuhltanz und "Rugby ist für meine körperliche Einschränkung gar nicht zulässig." Mit ihrem inkompletten Querschnittsyndrom ist sie zu fit dafür. Nur ihre Beine sind sozusagen außer Gefecht gesetzt. "Für uns ist es häufig schwierig, andere Sportarten ernst zu nehmen", meint die Rollstuhlsportlerin. "Wir führen ein normales Leben wie die Fußgänger, treiben Leistungssport auf ähnlichem Niveau", fügt sie an. Es gäbe da zwei Lager von Betrachtern: "Die eine Seite findet grundsätzlich alles toll, wenn Rollifahrer Sport treiben. Die denken, dass das Leben vorbei ist, sobald man im Rollstuhl sitzt." Dann gibt es noch diejenigen, die sich wirklich für Rollstuhlbasketball interessieren, sich dafür begeistern können. "In Wetzlar haben die Medien es geschafft, dass die Bevölkerung fachkundig über Rollstuhlsport diskutiert." Zwischen 800 und 1600 Zuschauer strömen in die Halle, wenn der ortsansässige RSV Lahn-Dill ein Heimspiel bestreitet. Diese Leute kommen nicht, "weil sie es toll finden, dass sich die Rollifahrer auch bewegen", weiß Meitner aus eigener Erfahrung. Von 1999 bis 2004 warf sie selbst 340 Körbe in 116 Spielen für den Verein. Dabei holte die Mannschaft zwei Pokalsiege, eine deutsche Meisterschaft, den Willi-Brinkmann-Cup (eine Art Europapokal für Vereine) und den internationalen Champions Cup nach Hessen. "Für eine hochklassige Liga gibt es vermutlich zu wenige Frauen", erläutert Meitner, warum Männer und Frauen im Vereinswettbewerb zusammen spielen. Gemischte Teams findet sie ohnehin besser, weil die Frauen Vorteile daraus ziehen.

Fünf gleichberechtigte Spieler rollen über das Feld. Da aber nicht jeder die selbe Behinderung hat, gibt es ein Klassifizierungssystem. Die gebürtige Lauingerin hat eigentlich 2,5 Punkte, tritt in der Liga aber mit einem Punkt an, weil auch Männer mitspielen. Pro Mannschaft dürfen nur 14 Punkte auf dem Feld sein. Folglich ist auch bei den Einwechslungen Aufmerksamkeit geboten. Die Aufbauspielerin geht inzwischen für den SV-Reha Augsburg auf Korbjagd und freut sich darauf, die alten Kolleginnen und Kollegen vom RSV Lahn-Dill auszudribbeln. Denn gerade sind die Augsburger in die höchste deutsche Liga aufgestiegen. Der Klassenerhalt ist für den SV-Reha oberstes Saisonziel. "Eine höhere Ansetzung ist unrealistisch," schätzt Eine, die damals 33 Spiele in Serie nicht verloren hat, auf nationalem wie internationalem Parkett. An ihrer Seite vollführten die Nationalspielerinnen Annika Zeyen und Nora Schratz ihre Wheel-Chair-Skills. Beim Aufsteiger SV-Reha finden die Pässe von Meitner dagegen ausschließlich männliche Mitspieler. "Eine zweite Frau wär nicht schlecht", schmunzelt die Täfertingerin, die jedoch als Beinahe-Küken vollauf zufrieden ist, denn der Spaßfaktor stimmt. Lediglich Thorsten Schmid ist ein Jahr jünger als die 31-Jährige.

Ihren Geburtstag hat sie noch in China gefeiert. Nach dem Halbfinalsieg gegen Japan sangen ihr die Mannschaftskolleginnen im Bus ein Mitternachtsständchen. Am 14. September schauten ihre Schwester, ihr Vater und ein Freund der beiden mit Kuchen im olympischen Dorf vorbei. "Bei Olympia ist alles reglementiert. Nach dem Spiel muss man durch die Medienstraße laufen und um privaten Leuten das Dorf zu zeigen, muss man sie vorher auf einer Liste eintragen." Am Abend ihres Geburtstags, einen Tag vor dem Finale gegen die US-Amerikanerinnen, verfolgen Meitner und ihre Mannschaft noch ein Spiel der deutschen Rugbyauswahl. Der Zusammenhalt im Team stimmt. "Es macht Spaß mit der Mannschaft, da gibt es keinen Zickenkrieg." Die Rollstuhlbasketballerinnen verbringen viel Zeit miteinander und jede Spielerin genießt den Moment, als ihr die Silbermedaille um den Hals gehängt wird. Ein Echtheitszertifikat geben die Chinesen ihr mit. Olympische Tradition, genau wie eine Siegerehrung ohne Trainer. "Es ist schade, dass Trainer und Physiotherapeuten bei der Medaillenvergabe nicht dabei sein durften", würdigt Meitner deren Verdienste mehr als die olympischen Statuten. Über die Paralympics selbst und das Austragungsland China kann sie nach dem sportlichen Aufenthalt dort natürlich viel erzählen. "Wer durchs olympische Dorf geht und nicht mit anderen Sportlern Kontakt aufnimmt, verpasst das Wichtigste an Olympia", ist sich die Täfertingerin sicher. Sie spricht immer von Olympia, nicht von den Paralympics, dem Sportevent für Menschen mit Behinderung. Sie spricht auch von Rollisport und Fußgängern. Und sie ist sich ziemlich sicher, dass Peking nichts mit China zu tun hat. Pünktlich zu den Spielen seien Mauern vor Dingen errichtet worden, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind und Teamkameraden, die schon im Frühjahr zu Testspielen in Peking waren, hätten damals noch nichts von den vielen Parkanlagen und den gepflanzten Palmen bemerkt.

Was denn das Wichtigste für einen Menschen mit Behinderung sei, will ich wissen. "Selbstständigkeit", kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Die Sicherheit und Entschlossenheit, mit der sie diese Frage beantwortet, ist enorm. "Selbstbestimmung", fügt sie noch hinzu, denn "es gibt nichts Schlimmeres als bevormundet zu werden und auf Hilfe angewiesen zu sein." Das merke ich bereits im Interview, doch spätestens die Fotos im Garten unterstreichen ihre Aussage. Mit Medaille, Zertitifikat und Basketball geht es nach draußen und selbst beim Austauschen von Fotomotiven lässt sie sich nichts abnehmen. Die familiäre Unterstützung für ihren Leistungssport ist ihr indess gewiss. Schließlich hat Ehemann Stefan seinen ganzen Urlaub für die Betreuung von Sohn Linus geopfert.

Wer Birgit Meitner einmal in Aktion erleben will, hat am 22. November um 15 Uhr die Gelegenheit dazu. Denn in der Halle am Eichenwald bestreitet der SV-Reha Augsburg nach langem Kampf um Hallenzeiten ein zweites Saisonspiel. Das Auftaktspiel am 4. Oktober bereitete trotz einem Endergebnis von 57:65 aus Sicht der Heimmannschaft schon einmal einen Vorgeschmack auf die Sportart und ihre Bundesliga. "Erstmals findet ein Ligaspiel vor Publikum aus meiner richtigen Heimat statt", freute sich die Täfertingerin. Dieses Glück verdanken Basketballfans den Gögginger Handballern, die die Bezlerhalle als ihr Eigentum betrachten würden. Nur an zwei von neun Heimspieltagen wäre die Halle frei gewesen, weswegen Meitner persönlich auf die Sporthallenverteilungskonferenz fuhr und sich vor einer Tür mit geschätzt 40 Stufen wiederfand. Der Konflikt konnte gelöst werden, weil die Stadt Neusäß die rolligerechte Eichenwaldhalle für zwei Spieltage zur Verfügung stellte und die Badmintonabteilung des TSV bereitwillig ihre Trainingszeit für die Rollstuhlbasketballerinnen abtrat. Was den Umgang mit Menschen mit Behinderung angeht, sei Neusäß schon ziemlich weit. Da stimmt Meitner mit Leichtathlet Hans-Wilhelm Vogt überein, der in mehrfacher Hinsicht von diesem Thema betroffen ist. "Die Stadt Augsburg dagegen hat Nachholbedarf in Sachen Unterstützung", fordert die Basketballerin. Und obwohl der SV-Reha unzählige Möglichkeiten im Breitensport anbietet und sich zu einer Anlaufstelle für Menschen mit körperlichen Einschränkungen entwickelt hat, treiben noch viel zu wenige regelmäßig Sport. "Es reicht, wenn ich im Rolli sitze. Da brauche ich nicht noch fünf andere um mich herum", beschreibt Meitner aus der Sicht der sportfaulen Sorte. Sie selbst teilt diese Ansicht natürlich nicht, sondern findet es toll, Menschen mit gleichen Interessen und den gleichen Alltagsproblemen zu treffen. "Sportler, die sich für Olympia vorbereiten haben keinen Stress im Lebensalltag, weil sie sich selbst akzeptieren", behauptet die EDV-Kauffrau und lässt durch ihre Ausstrahlung keinen Zweifel daran aufkommen.

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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