Wie die Samwer-Brüder mit Rocket Internet ein Online-Imperium aufbauten

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Kaum jemand hat die Internet-Branche so geprägt wie die Samwer-Brüder. Die drei Söhne eines Kölner Anwalts schworen sich als Kinder einen Pakt und wurden tatsächlich überaus erfolgreiche Geschäftsleute. Marc, Oliver und Alexander Samwer stiegen mit Zalando und anderen Gründungen und Beteiligungen quasi zu Paten des Internets auf. Ihre Geschichte hat Gründerszene-Chefredakteur Joel Kaczmarek in der ersten Biografie der Samwer-Brüder lesenswert aufgezeichnet. Für „Die Paten des Internets“ hat er mit ihnen und vielen ihrer Mitarbeiter und Finanzpartnern gesprochen.

Marc Samwer, der Älteste, gilt als charmanter Verkäufer und Anwalt, der die Unternehmungen des Brüder-Trios rechtlich absichert. Alexander Samwer wird als extrem intelligent beschrieben. Das Küken gilt als scharfer Analytiker und zurückhaltender Stratege. Er hievt Samwer-Gründungen auf die nächste Stufe und kann auch langfristigen Erfolg haben, wie er mit Zalando unter Beweis stellt. Der Antreiber unter den Brüdern ist allerdings Oliver, das mittlere Kind. Oliver Samwer eilt der Ruf eines Besessenen voraus, eines Entscheiders, der Gründungen in rasantem Tempo umsetzt. Er gilt gemäß Kaczmareks Buch als „Execution-Sau“ (S. 30), als zahlengetriebener Optimierer mit scheinbar endloser Energie. Er treibt das Marketing seiner Unternehmungen auf die Spitze und sorgt für die Finanzierung durch Dritte. Dabei ist er überaus erfolgreich, trägt offenbar das „Überzeuger-Gen“ in sich, gilt er doch auch in Sachen Führungskräfte-Rekrutierung als Menschenfänger.

Der aggressivste Mann im Internet
Oliver Samwer bedient sich bei der Besetzung von Schlüsselpositionen aus dem Manager-Pool seiner Alma Mater, setzt Ex-Kommilitonen und ehemalige Praktikanten als Gründer für neue Unternehmungen ein. Er wird als soziales Chamäleon beschrieben. Oliver Samwer setzt Menschen „einem Wechselspiel aus Aggressionen, Liebenswürdigkeit und Enttäuschung“ (S. 28) aus und dabei Druckmittel sowie Kriegsmetaphorik ein. Er hegt eine Abneigung gegen Smalltalk, operiert viel vom Telefon aus und verlangt von seinen Untergebenen enorm viel – leistet selbst aber noch mehr und bezeichnet sich selbst als „aggressivsten Mann im Internet“. Sein Führungsstil wird oft den eingesetzten Geschäftsführern und Abteilungsleitern adaptiert, jedoch fehle diesen dafür oftmals das Wissen und die Akzeptanz. Diese sogenannten „Samwer-Schergen“ sind laut Kaczmarek mitverantwortlich für den schlechten Ruf der Samwers als Ausbeuter.

Geldhai-Mentalität: Nach mir die Sintflut
Die Familie ist den Samwers wichtig, andere Menschen in der Regel aber nur Mittel zum Zweck, mit denen getreu des Mottos Hire-and-Fire verfahren wird. Mehrfach ist in „Die Paten des Internets“ zu erfahren, dass mündliche Versprechen der Brüder wenig Wert sind, vor allem finanzielle Zusagen immer schriftlich fixiert werden sollten. Dabei sind Mitarbeiterverträge der Lektüre zufolge sehr verklausuliert. Die Samwers werden als geldgeil bezeichnet, die Verträge stets zu ihrem persönlichen Vorteil verhandeln. Nach einem Exit werden sie schon mal am Umsatz der Folgejahre beteiligt, was sie dazu antreibt, ein rasantes Umsatzwachstum zulasten der Nachhaltigkeit zu realisieren. So rissen die Samwers beispielsweise Groupon in den Abrund, sorgten dort für eine hohe Mitarbeiterfluktuation und brachten lokale Händler durch fragwürdige, auf jeden Fall aber dem Lesestoff nach unethische Vereinbarungen zu ihren Gunsten an den Rand des Ruins. Nicht grundlos erarbeiteten sie sich den Ruf als „ruchlose Geldgeber“ (S. 130), die bei ihren Verkäufen stets im großen Stil abkassierten, ehe viele dieser aufgeblähten Geschäftsmodelle wie Groupon oder Jamba zusammenfielen wie ein Kartenhaus.

Bei all dem Reichtum, den Milliardengewinnen, greifen die risikoscheuen Samwers für Neugründungen jedoch über Beziehungen oder erwähntes Überzeuger-Gen auf externe Geldgeber zurück. Anteile der Gründer waren nach ihrem ersten Projekt „Alando“, das sie an Ebay verkauften, demnach nie wieder gleich verteilt. Die Samwers treiben an und kassieren ab, wälzen die Verantwortung und das Risiko jedoch auf andere ab. Gesellschafter werden nach strategischem Nutzen (z.B. Kontakt zu benötigten Firmen) ausgesucht, Mitarbeiter häufig von der Konkurrenz abgeworben. Ihre Geschäftsmodelle sind von Alando über Jamba und Groupon bis hin zu Zalando auf schnelles, aggressives Wachstum im Kernmarkt, verbunden mit hohen Marketing-Ausgaben, getrimmt. Wirtschaftlich genial, moralisch fragwürdig.

Abkassieren mit Jamba
Als innovativ taten sich die Samwers bei Jamba hervor. Die Klingeltonschleuder hat die Abrechnung für Mehrwertdienste über die Mobilfunkrechnung in Deutschland durchgesetzt. Jamba haftet der fade Beigeschmack der Abofalle an. „Mit eiserner Härte nutzen die Samwers die zahlreichen Lücken in der deutschen Gesetzgebung für sich aus und verstanden es, den Mangel an Transparenz für ihre Zwecke einzusetzen und kurzfristig ihre Umsätze massiv aufzublasen“ (S. 110). Als Nebenprodukt von Jamba wagten sich die Samwers mit ilove erstmals in den lukrativen Bereich der Dating-Plattformen. Später sollte Oliver Samwers Herzensprojekt eDarling die Platzhirsche auf einem bereits bestellten Acker herausfordern. Doch zunächst galt es, die Internationalisierung von Jamba in die Wege zu leiten. Dabei steuerten die Samwers den Rollout von Jamba in kulturell komplett unterschiedlichen Märkten entgegen des Management-Lehrbuches zentral von Berlin aus.

Vom Kopisten zum globalen Architekten
Nachdem Marc, Oliver und Alexander Samwer ihren Schnitt bei Alando und Jamba gemacht hatten, etablierten sie Gründungen mit Inkubatoren-Ansatz. Sie stellten Firmengründungen in einem Markt, der auf dem Boden lag, gegen beträchtliche Anteile am Unternehmen neben Kapital auch Sachgüter, Dienstleistungen und Experten für die Umsetzung zur Verfügung. Beim Inkubatoren-Ansatz verläuft der Unternehmensaufbau systematisch nach vordefinierten Prozessen mit bestehenden Produktbausteinen ab (vgl. S. 131). Die Samwers wurden zu Kopisten, rollten funktionierende Geschäftsmodelle als Erste in einem anderen Land aus und verkauften sie mehr als einmal nach rasanter Wachstumsphase – oft schon wenige Monate nach der Gründung – ans Original. Mit ihrem Inkubator Rocket Internet verlegten sie den Fokus schon bald darauf, ausgewählte Geschäftsmodelle parallel auf internationaler Ebene voranzutreiben - vor allem in Internet-Entwicklungsregionen wie Lateinamerika, Asien und Afrika. Rocket Internet wandelte sich „vom Kopisten […] zum globalen Architekten von Modellen mit interner Blaupause“ (S. 275).

Zalando und Co. nur heiße Luft?
Ihren bislang wohl größten Erfolg verbuchte das Brüder-Trio mit Zalando, einem der zur Gründungsphase seltenen Fall von langfristig angelegter Unternehmensstruktur. „Es regierte nicht Oliver Samwers Marketing-Schwert, sondern Alexander Samwers Feder der strategischen Weitsicht“ (S. 243), erläutert Kaczmarek. So oder so schreiben die meisten Samwer-Unternehmen noch rote Zahlen. Noch ist bei vielen der eCommerce-Gründungen nicht klar, ob sie nachhaltig angelegt sind oder heiße Luft. „Doch egal wie das Börsenszenario und die weitere Zukunft von Rocket Internet auch ausfallen: Die Samwers haben ohnehin bereits gewonnen. Immer wieder machten sie im großen Stil Kasse und ließen andere das Risiko für ihr Schaffen tragen“ (S. 334).

Titel: Die Paten des Internets. Zalando, Jamba, Groupon – wie die Samwer-Brüder das größte Internet-Imperium der Welt aufbauten
Autor: Joel Kaczmarek
Verlag: FinanzBuch Verlag
Info: Taschenbuch, 400 Seiten, 3. Auflage 2015
ISBN: 978-3-89879-917-1

Einen ganz anderen Führungsstil als die Samwers pflegt Richard Branson, der seinen Virgin Way beschreibt.

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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