myheimat Hainhofen
RARES OHNE BARES
DAS HOFMUSEUM VON LORENZ ENDRES
Neusäß darf sich seit 1988 "Stadt" nennen und wie es sich für eine richtige Stadt gehört, findet man in Neusäß ein großes Rathaus mit drei Bürgermeistern und vielen Ämtern, eine Stadthalle für Konzerte und den Seniorenfasching, eine Umgehungsstraße, ein Industriegebiet und 2 Dönerläden. Aber Neusäß hat kein Museum! Wenn man unter "Neusäß und Museum" googelt, erhält man als Ergebnis der Suche das Ballonmuseum in Gersthofen und das Maximiliansmuseum in Augsburg. Dabei verfügen doch sogar viele kleinere Städtchen zumindest über ein Heimatmuseum. Aber etwas in dieser Art besitzt Neusäß tatsächlich auch: das "Kleine Hofmuseum" im Ortsteil Hainhofen. Dieses versteckte Kleinod bäuerlicher Kultur hat zwar keinen Internetauftritt und keine festen Öffnungszeiten, aber wer es besichtigen darf, muß dafür keinen Eintritt bezahlen.
An der Schlipsheimer Straße steht das ehemalige landwirtschaftliche Anwesen der Familie Franz und Resi Seitz. Lorenz Endres, einer der Schwiegersöhne der Eheleute, hat dort vor mehr als zehn Jahren begonnen sein ganz privates Heimatmuseum einzurichten. Mit großem Enthusiasmus und viel Liebe zum Detail hat der gelernte Landwirt und Agraringenieur einige Dutzend landwirtschaftliche Werkzeuge und Geräte zusammengetragen und säuberlich beschriftet. Gerade diese kleinen, auf den ersten Blick unspektakulären Arbeitsmittel geben einen nachhaltigen Einblick in den arbeitsintensiven bäuerlichen Alltag, wie er bis in die 60er Jahre hinein im ganzen Schmuttertal gelebt wurde. Doch sogar wenn man selbst auf einem dieser meist kleineren Gehöfte aufgewachsen ist, steht man teils staunend, teils fragend, aber meist schmunzelnd vor den historischen Raritäten.
Das ganz Besondere an diesem in Eigeninitiative entstandenen Museum liegt in seiner Authenzität und diese ergibt sich aus dem ursprünglichen Standort in diesem historischen Stadel. Die Geräte sind nicht hinter irgendwelchen Glaskästen staubfrei geschützt, sondern sie hängen genau so an der unverputzten Wand, als hätte sie der müde Bauer vor sechzig Jahren am späten Feierabend dort abgestellt. Das Nichtperfekte ist genau das Flair, welches dieser Ausstellung längst vergessener Dinge neues Leben einhaucht!
Die landwirtschaftlichen Geräte
"Du bsuffens Wogscheidl" kennt mancher als Schmähwort für jemanden, der zuviel über den Durst getrunken hat, aber die namensgebende "Waagscheit" kann man hier im Stadel hängen sehen und Museumsführer Lorenz liefert auch die Erklärung dazu. Daneben reiht sich Bekanntes wie das "Ochsenjoch" und das "Kuhkummet" und Unbekanntes hinter dem so manches Fragezeichen steht: vom "Heustockabstecher", vom "Kartoffelschöpfer" oder vom "Schleufrecha" haben selbst viele der älteren Generation noch nie gehört oder sie haben diese Dinge längst vergessen. Der "Mörtelrührer" belegt, daß ein Bauer nicht nur ein geschickter Landwirt sein mußte, sondern viele andere Arbeiten rund um Haus und Hof selbst erledigte. Daß in den früheren Wintermonaten mehr Schnee lag beweisen die dekorativen "Schlittenschellen" fürs Pferdegeschirr. Ein bißchen gruselig wird es schließlich auch noch, als man erfährt, daß der riesige Holzschlegel an der Wand dazu diente, die schlachtreife Sau streßfrei ins Jenseits zu befördern. Dagegen wirkt das kleine "Entenabstechmesser" geradezu fragil und welchen Zweck es hatte erklärt sein Name zweifelsfrei.
Die zeitgenössischen Fotografien
Wertvolle Zeitzeugnisse verkörpern neben den Gerätschaften auch eine Handvoll historischer Fotografien, welche die Feldarbeit mit den damals üblichen Fuhrwerken oder den ehemaligen Gemeindestier zeigen. Kaum jemand wird sich erinnern, daß das Heu teilweise mit "gemischten Gespannen", d.h. mit einem Pferd und einem Rind als gemeinsames Zugtierpaar eingebracht wurde. Ortskundige werden vielleicht auf den Fotos einige altbekannte Landwirte wie den "Herrenbauer" wiedererkennen. Es wäre noch viel Platz an den Wänden des Museumsraums für weitere Bilder und so bleibt zu hoffen, daß noch einige Fotos längst vergangener Tage den Weg in das Hofmuseum von Lorenz Endres finden.
Bedeutung für die Geschichte der Stadt Neusäß
Die zusammengetragenen Stücke dokumentieren einen bedeutenden Teil der Historie der Stadt Neusäß. Sämtliche Ortsteile und Alt-Neusäß selbst waren bis in die jüngste Vergangenheit hinein "Bauerndörfer" im besten Sinne. Neben einigen Handwerksbetrieben und kleineren Geschäften wurden die Ortsbilder vor allem durch landwirtschaftliche Gehöfte und kleinbäuerliche Sölden geprägt. Davon ist in den modernen Wohngebieten des Jahres 2023 nicht mehr viel zu spüren und gerade deshalb ist es wichtig, diese alltäglichen Gerätschaften als authentische Belege der noch jungen städtischen Geschichte zu bewahren.
Wie geht es weiter mit dem Hofmuseum?
Lorenz Endres, Jahrgang 1950, Besitzer und Gründer des privaten Heimatmuseums, ist seit seiner Kindheit Landwirt aus Leidenschaft. Aufgewachsen im kleinbäuerlichen Hof der Eltern mitten im Hainhofer Schloßviertel, erlernte er nach der Schulzeit den Beruf des Landwirts von der Pike auf und war in seinem späteren Tätigkeitsfeld als Agraringenieur jahrzehntelang in diesem Fachbereich tätig. Auch im wohlverdienten Ruhestand schlägt sein Herz nach wie vor für das bäuerliche Leben früherer Tage und so entstand im Stadel an der Schlipsheimer Straße Stück für Stück dieses winzige Museum, in dem Kuriositäten und Raritäten aus einer Ära aufbewahrt werden, die durchaus nicht so romantisch war, wie es die ausgestellten hölzernen Werkzeuge vielleicht vermitteln. Eine Erweiterung um einen zusätzlichen Raum im ehemaligen Kuhstall nebenan, den man auch für kleinere Vereinsfeste nutzen könnte, ist geplant und bereits in Vorbereitung. Viel Arbeit in den nächsten Jahren für einen rüstigen Rentner, aber mit Sohn Philipp steht bereits ein Anwärter in den Startlöchern, der dieses Panoptikum des dörflichen Lebens gerne im Sinne seiner Vorfahren weiterführen möchte. Der eigene historische Traktor steht bereits frisch lackiert in der Remise nebenan.
Bürgerreporter:in:Helmut Weinl aus Neusäß | |
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