Hainhofen damals
(NICHT) ÜBER JEDES BACHERL GEHT A BRÜCKERL
Erinnerungen an die Hainhofer Skipisten
Die Titelzeile des eigentümlich volkstümlichen Liedleins der kindlichen Stefanie Hertel würde auch eine gute Schlagzeile für dieses Foto abgeben. Wir sehen im Hintergrund die in unserer jugendlichen Wintersportzeit längste Hainhofer Abfahrtsstrecke, genannt "Am Bächle", zwischen dem nördlichen Waldrand und Ottmarshausen. Der schneeverwehte Bach selbst ist zwar nicht zu erkennen, aber wenn der Schwung reichte und der mutige Abfahrer keinen Sturz baute, kam er tatsächlich im Zielauslauf bis über das Brückle im Talgrund (siehe Pfeil links). Das imaginäre Starthäuschen befand sich noch oberhalb der rechten Markierung und dann ging es in Keilhose und tiefer Hocke einige hundert Meter talwärts. Für 15 lange Sekunden durfte man sich unter der Bommelmütze fühlen wie Karl Schranz, aber genau das war das Problem, denn während der nächsten viel längeren 15 Minuten des mühevollen Anstiegs fühlte man sich eher wie Luis Trenker, wenn es ihn mal wieder „aufi“ zum Gipfel trieb. Wegen dieses kräfteraubenden Hochkletterns hat sich die schöne Piste nie wirklich in die Herzen der kleinen Speedfahrer gespielt. Da hätte es schon einen Schlepplift gebraucht. Die gab es später in den 70ern sogar im Augsburger Umland, z.B. in Aretsried, aber wegen der beginnenden Klimaerwärmung standen die bald auch im Winter einsam und verlassen auf grüner Wiese und gingen mangels Schneekanonen ruckzuck pleite. So ist die Begeisterung am Skifahren an den Hainhofer Hängen ebenso weggetaut wie das Eishockeyspielen auf dem zugefrorenen Schloßweiher und hätten uns die Japaner nicht in den 90ern den Gameboy beschert, wäre der Wintersport völlig aus dem Dorfleben verschwunden.
Gleich nebenan lag quasi die „Hainhofer Streif“, die legendäre Abfahrtsstrecke für die mutigsten der Mutigen, das sogenannte „Sturza-Wäldle“. Obwohl der Name sich nicht von den Stürzen ableitete, waren diese an der Tagesordnung und bescherten den Holzski oft einen Totalschaden und dem Fahrer ein vorzeitiges Saisonende. Der Hang war benannt nach dem Hausnamen „Sturzschmid“, den Besitzern des Waldstücks nebenan. Die Disziplin, die man hier ausübte, war die kompromißlose Schußfahrt, die am Ende durch einen abrupten Zielanhang und einen extrem kurzen Auslauf vor dem Fischweiher erschwert wurde. Zudem wurde ein seitlicher Lattenzaun einigen unerfahrenen Downhillern zum Verhängnis. Da der Aufstieg in dem steilen Gelände ebenfalls sehr mühsam war, setzte sich diese selektive Piste im Alltag auch nicht durch und galt mehr oder minder nur als Mutprobe, die man einmal in seiner Amateurlaufbahn bewältigt haben mußte.
Der Ski- und Rodelhang fürs tägliche Wintervergnügen war der „Weinberg“, der strategisch perfekt direkt am westlichen Ortsrand lag. Hier war vom kleinen Schlittenfahrer bis zum wedelnden Teenager mit modischer Sonnenbrille die ganze Bandbreite an Wintersportfans vertreten. Ab und zu wurde auch eine Schanze gebaut, auf welcher die Disziplin „Skifliegen“ noch ihre wortwörtliche Bedeutung hatte. Der Hang hatte keine große Neigung, aber trotzdem kam es immer wieder zu tränenreichen Unfällen, da sich bei guten Bedingungen Dutzende von Wintersportlern auf der Wiese tummelten. Da wurden mittendrin Skistöcke als Slalomstangen in den Schnee gepflanzt, mehrere Skifahrer bildeten einen „Skibob“, in dem sie sich alle in Hockstellung ineinander schoben gemeinsam bergab rasten und mit den Schlitten wurden spektakulär ganze Türme gebaut, auf denen mehrere Piloten saßen oder in den Zwischenräumen lagen und noch einige angebundene Rodel hinter sich herzogen. Die Stürze gingen hier aber wegen der niederen Geschwindigkeit eher glimpflich ab. Der „Weinberg“ war natürlich kein Hügel, auf dem Reben angebaut wurden, sondern er hieß nach der Familie, die nebenan wohnte. Ansonsten war er eine „stink“normale Wiese, welche dieses Prädikat ab und zu in doppeltem Sinn verdiente. Manchmal streute der Bauer, dem sie gehörte, nämlich mitten im Winter heimtückisch stinkenden Mist auf die mühsam präparierte Piste, und das stank uns dann gewaltig.
Der erste Hang, auf dem ich im Vorschulalter das Fahren auf zwei Holzbrettln erlernte, war der Kramer-Hang, benannt nach der Familie Kramer, die das letzte Haus am Ottmarshauser Berg bewohnte. Mein Vater hatte eine eigenartige Lehrmethode entwickelt, die ich als äußerst diskriminierend empfand. An den Skispitzen waren oben zwei Schrauben angebracht und an diesen war eine Art Halteseil befestigt, das der Fahranfänger, der ohne Stöcke zu Tal glitt, in der Hand hielt. Das klappte zwar recht gut, sah aber einfach babyhaft dämlich wie Radfahren mit Stützrädern aus. Als ich endlich mehrfach vererbte Stöcke bekam, sehnte ich beinahe das Halteseil wieder herbei, denn weil die Lederriemen der Teller bereits das Zeitliche gesegnet hatten, ersetzte das handwerklich begabte und sparsame Familienoberhaupt diese Teller durch zwei goldglänzende Deckel von Konservendosen. Solche Recyclingstöcke hat man seither kein zweites Mal auf den Pisten dieser Welt gesehen. Immerhin, am Kramerberg lernte ich nicht nur das Skifahren, sondern auch ein Phänomen der Naturwissenschaften kennen, das ich erst Jahre später verstand: der Blick ging damals unverbaut bis zum Lohwald hinüber, wo ebenfalls nur wenige Häuser standen. Aber das Weldenbähnlein zuckelte dort drüben vorbei, teilweise von Dampfloks gezogen und am Bahnübergang war Vorschrift, den Verkehr mit einem Pfiff zu warnen. Dieser Warnton wurde von einem Dampfstoß begleitet und als Kind war ich jedesmal völlig verblüfft, daß man die kleine Dampfwolke am Lohwald deutlich sah, das zugehörige Pfeifsignal aber erst kurze Zeit später in Hainhofen zu hören war. Seit es die „Sendung mit der Maus“ gibt, kann man mit solchen Erscheinungen nicht mal mehr einen Fünfjährigen beeindrucken.
Bürgerreporter:in:Helmut Weinl aus Neusäß | |
Helmut Weinl auf Facebook |
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.