myheimat Neusäß
Das Museum der kitschigen Engel

Ein Rundgang auf dem Friedhof in Neusäß
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  • Ein Rundgang auf dem Friedhof in Neusäß
  • hochgeladen von Helmut Weinl

Ein Ort der stillsten Stillleben

Es ist kalt und neblig an diesem Samstagvormittag. Obwohl wir noch mitten im September sind und die Wetter-App für heute Sonne vorhersagt, versprechen die Wiesen im Schmuttertal noch feuchte Socken und man sieht nur ein paar Meter weit. Auch droben auf dem Hügel mit der Kobelkirche ist alles noch mit farblosen Vorhängen verhüllt. Bevor ich den Ausflug mit der Kamera grantelnd ohne Ausbeute beende, steuere ich noch den Friedhof in Neusäß an. Auf Friedhöfen findet man immer Motive, bei jedem Wetter, zu jeder Tages- und jeder Jahreszeit. Und der Nebel, der die ohnehin spärlichen Geräusche noch mehr dämpft und den Hintergrund in Unschärfe verschwimmen läßt, paßt stimmig zu den stillen Ansichten. Was man nicht vermutet: die natürlichen Farben der Blumen kommen wegen der fehlenden Reflexionen der Sonne in solch trüben Stunden viel besser ans diffuse Tageslicht als bei Schönwetter und man findet florale Stillleben dutzendfach beim Gang zwischen den Grabreihen. Die Namen auf den Gedenksteinen fotografiere ich meist nicht, ich habe das Gefühl, dies würde die Privatsphäre der Verstorbenen bzw. der Angehörigen stören. Bilder von den kleinen Schildern mit Inschriften wie aus dem Poesiealbum nehme ich dagegen gerne mit, zeigen sie uns anonym und doch persönlich die Verbundenheit der Hinterbliebenen zu ihren Liebsten. Das allerliebste Motiv sind mir aber diese kleinen Statuen kitschiger Engel in allen Größen und Positionen. Das ist wahrhaftig keine marmorne Kunst, sondern tausendfach produzierte Massenware, vielleicht sogar aus China oder Taiwan importiert, aber diese pausbäckigen Putti transportieren die Gedanken und Wünsche der Menschen, die sie auf die letzte Ruhestätte ihrer Angehörigen gestellt haben, damit sie dort nicht alleine seien. Sie sind verschwiegen wie das sprichwörtliche Grab, doch wenn sich der Betende darauf einlässt, vermögen ihm diese stummen Wächter viele Geschichten zu erzählen. Und sie halten still bei der Aufnahme und ich kann sie von allen Seiten ganz ungeniert fotografieren ... auch wenn mich die alte Dame mit der Gießkanne dort drüben schon eine ganze Weile argwöhnisch beobachtet ...

Bürgerreporter:in:

Helmut Weinl aus Neusäß

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