Hainhofen damals
Das Fräuleinwunder vom Hainhofer Kirchplatz
"Ich liebe zwei Mädchen aus Germany ..."
Mode und Musik im Wandel der Fünfziger Jahre
Es geschahen so einige "Wunder" im Deutschland der aufblühenden Nachkriegszeit, als man nach den trostlosen und entbehrungsreichen Kriegsjahren so mancher Entwicklungsphase oder unerwartetem Ereignis euphorisch den himmlischen Stempel auch ohne Anerkennung durch den Vatikan verlieh. Der überraschende Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1954 wurde von der wiedererstarkten Nation als das "Wunder von Bern" gefeiert und der kommerzielle Aufschwung im Lande avancierte bald zum deutschen "Wirtschaftswunder". Ein weiteres Wortspiel, das einem heute rätselhaft, wenn nicht gar frauenfeindlich erscheinen mag, beschrieb das sog. "Fräuleinwunder" der 50er und 60er Jahre. Erfunden hat diesen Begriff ein US-amerikanischer Journalist, der über ein Berliner Mannequin berichtete, welches 1950 die erste Miss-Germany-Wahl der noch jungen Bundesrepublik gewann. In späteren Jahren trugen diverse Schauspielerinnen wie Christine Kaufmann oder Elke Sommer das Idealbild des "deutschen Fräuleins" über den großen Teich bis nach Hollywood, sodaß die nach "Good Old Germany" abkommandierten GIs der US-Army mit einer recht stereotypen Erwartungshaltung hier ankamen, was die holde Weiblichkeit betraf. Als Inkarnation des Fräuleinwunders auf der Kinoleinwand bleibt Lilo Pulvers männermordender Tabledance als "Ingeborg" in Billy Wilders kurzatmiger Komödie "Eins, Zwei, Drei" aus dem Jahre 1961 in Erinnerung. Diese burleske Szene mag aus heutiger Sicht feministisch fragwürdig erscheinen, aber im damaligen Zeitgeist waren die "Fräuleins" nicht nur jung und attraktiv, sondern traten modern und selbstbewußt auf und gaben sich nicht mehr mit der Nebenrolle des "Heimchens am Herd" zufrieden. Über die in allen Städten aus dem Boden sprießenden Lichtspielhäuser und immer zahlreichere Illustrierte erreichte das angesagte, modebewußte und selbstsichere Erscheinungsbild der jungen Frau um die Zwanzig auch die kleinsten Dörfer und wie man auf dem Schnappschuß des Trios auf dem Hainhofer Kirchplatz sieht, sind sich die beiden "Fräuleins" ihrer Wirkung offensichtlich bewußt und hätten sich auf dem Titelbild der QUICK oder der BUNTEN durchaus gut gemacht.
Halb Kleid und halb Schürze ...
Der taillenbetonte Look, der stilprägend für die Ära des Fräuleinwunders war, erhielt jedoch mit der omnipräsenten "Kittelschürze" einen rustikalen Gegenentwurf im kleinbürgerlichen Alltag. Dieses vorne zu knöpfende, ärmellose Kleid fand sich in so gut wie in jedem Haushalt und in allen Versandhauskatalogen wieder. Häufig mit Blümchenmuster dekoriert, diente die Kittelschürze ihrer Trägerin quasi als fett- und männerabweisende Uniform in Haus und Garten und verbreitete dabei eher die Aura keimfreier Hygiene als knisternde Erotik. Moralisch unbedenkliche "Mütter der Nation" wie Inge Meysel agierten dafür auf den schwarzweißen Bildschirmen als modische Vorbilder. Weitgehend figurverhüllend diente die blickdichte Kutte gerne auch als Dienstkleidung des vorwiegend weiblichen Verkaufspersonals im KONSUM oder bei WOOLWORTH. Der praktische Einheitslook aus Polyamid setzte sich insbesondere nach dem 2. Weltkrieg ausgehend von den USA über ganz Europa hinweg durch und gehörte bis in die 70er Jahre hinein zum Alltagsbild aller westlichen Länder. Eine aufkeimende und immer stärker werdende Frauenbewegung sah darin ein Symbol der unterdrückten Hausfrau und machte ihr innerhalb weniger Jahre den modischen Garaus.
Das Fräuleinwunder im deutschen Schlager
Auch in der schwarz-rot-goldenen Schlagerwelt schlug sich die Begeisterung für das Fräuleinwunder nieder und trieb dort gar seltsame literarische Stilblüten. Der unten zitierte Countrysong von Bobby Helms brachte 1957 erstmals das "Fraulein" ins Spiel, welches aber zunächst dem amerikanischen Musikmarkt vorbehalten blieb. Bekannt wurde dieser Schlager in der BRD erst 1958 in der eingedeutschten Version eines gewissen "Heinrich Pumpernickel" alias Chris Howland, dem ersten Diskjockey im deutschen Radio, der sich selbst zu Beginn seiner Karriere noch als "Schallplattenreiter" bezeichnete. Genauso hausbacken kam seine Interpretation des Fräulein-Songs daher:
Nicht nur Wein und die Trauben,
Und das könnt Ihr mir glauben,
Liebt ein jeder am Altvater Rhein.
Jimmy Brown aus Dakota
Und aus Minnesota
Schwärmt nur von einem Fräulein
Genau auf diesem Niveau oder gar noch eine Stufe tiefer reihte sich ab 1960 der in Wiesbaden stationierte GI der Luftwaffe Gus Backus ein, der zwar nicht untalentiert war und mit den Del-Vikings bereits mehrere Top-Ten-Notierungen in den US-Charts vorweisen konnte, aber auf dem biederen deutschen Schlagermarkt lieber mit "seiner Braut, der Edeltraud, die Sauerkrautpolka tanzte" und in einem anderen Liedchen über "Fräuleins Made in Germany" tiefgründig sinnierte:
Rosi und Gaby und Annemarie,
so heissen sie in Germany.
Polka und Walzer, ja das tanzen sie,
Fräuleins aus good old Germany.
Selbst der große Paul Anka, ein anerkannter Star am internationalen Pophimmel, der mit "Diana" einen echten Evergreen hinterlassen und mit dem Text von Sinatras "My Way" einen Meilenstein des Chansons geschrieben hat, paßte sich 1964 gnadenlos dem deutschen Schunkelniveau an und schämte sich nicht für rustikale Hauruck-Reime wie:
Ich liebe zwei Mädchen aus Germany
Gisela, Monika
Zwei Mädchen aus Germany
Oh so süß sind die
Weiswürscht Knödel Sauerkraut
Und drei Liter Bier
Gisela vom Bayernland
Schwärmt so sehr dafür
Kehren wir also besser zurück zu den Anfängen des musikalisch verehrten Fräuleins von Bobby Helms im englischen Original, wobei sich dessen kratziger Gesang so gar nicht als Soundtrack für die damals angesagten seichten Schlagerfilmchen eignete:
Far across the blue waters
lives an old german's daughter
by the banks of old river Rhine
Where I loved her and left her
but I can't forget her
I miss my pretty Fräulein
Fräulein, Fräulein
Look up toward the heavens
Each night when the stars start to shine ...
Bürgerreporter:in:Helmut Weinl aus Neusäß | |
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