Nicht nur Kultur von der Stange: Welche Akzente Kulturbüroleiterin Anneli Bronner 2016 in Neusäß setzte
2016 startete mit einem Volltreffer, Maxi Schafroths neuem Kabarett im ausverkauften Haus. Sigi Zimmerschied bot zupackendes, Fakten und Begriffe analysierendes Politkabarett. Springer und Krebs führten sich fulminant in Neusäß ein. Dreiviertelblut, die genialen Macher des gefeierten Nockherbergsingspiels begeisterten mit Musikkabarett vom Feinsten.
Das Theater faszinierte mit einem spritzigen „Gretchen“. Gerd Silberbauer überzeugte als „Teufels General“ schockierend, zerrrissen bis hin zum Suizid. Lisa Wildmann gab die Marquise von O mit umwerfender Dynamik und sie wird im März 17 als so glamouröse wie unselige Bovary wieder zu bewundern sein. Die Theatersaison 16-17 eröffnete Lenz‘ hochspannende „Deutschstunde“ mit dem eindrucksvollen Max Volkert Martens. Horst Janson, Markus Majowski und Ilja Richter lockten Scharen in flockig leichte Komödien.
Trotz Wetterunbilden erwies sich der Musiksommer als Publikumsmagnet. Die Verlegung ins Innere tat dem Zuspruch keinen Abbruch, vom Stadtkapellenauftakt bis zur Serenade des Kammerorchesters. Die Musikschule trug Originelles bei, u.a. Binanzers Big-Band, die Einweihung des Flügels im schmucken neuen Haus der Musik und das Festkonzert der Preisträger im Musikwettbewerb. Die Highlights kamen von Künstlern der Region - ein schlagender Beweis für Qualität. Das brillante „Trio Ardor“ bezauberte im noblen Schloss Hammel. „Young Stage“ punktete mit einem hochkarätigen Mix aus Klassik und Musical. Der 22-jährige Neusässer Stargeiger Sandro Roy zog mit magisch betörendem Geigenspiel in den Bann und erntete Beifallsstürme.
Christian Auers gefeierte „Nacht in Venedig“ mit Solisten von Young Stage erwies sich als Silvesterrenner.
Unsere Abopreise wurden aus sozialen und kulturpolitischen Gründen moderat gehalten, selten erhöht. Das beliebte Große Theater-Abo blieb seit der Einführung gleich. Das Musik-Abo, das sich mit dem Theater-Abo abwechselt in der Gunst der Abonnenten, stieg einmal an. Bei der Einführung der Teilung des Großen Abo in je ein kleines unterhaltendes und ernstes Abo, stiegen die Preise für die Teilabos, nicht aber die des Ganzen. Die Attraktivität des Großen Abos ist ungebrochen, nur übertroffen vom Abo-U. Nachdem die Anbieterpreise anzogen, beschloss der Kulturausschuss heuer, die Preise anzuheben im Vergleich zu anderen moderat, das Große und das Abo-E sowie die Einzelkarten im Abo-E um je 10 %, das Musik-Abo um 15 % und nur im U-Bereich das Abo und die Einzelkarten um 20 %. Die Erhöhung wird erst nach einem Jahr fällig.
Für das Abo 2017/18 wurden gefragte und üppig ausgestattete, bzw. prominent besetzte Stücke ausgewählt. Das Abo-U bietet „Monsieur Claude und seine Töchter“ des a.gon-Theaters, das uns mit der spannenden „Deutschstunde“ faszinierte, sowie Saskia Vester in einem Midlife-Crisis-Stück der Komödie im Bay. Hof, und einem Gegenstück der Komödie am Ku-Damm mit Marion Kracht. Den ernsten Teil eröffnen Max Volkert Martens und Diana Körner in einem Schauspiel von Ibsens Enkelin, und Yasmina Rezas „Bella Figura“, illuster besetzt mit Doris Kunstmann und dem Augsburger Heio von Stetten. Den Abschluss bildet die Visionärin Hildegard von Bingen der „theaterlust“-Truppe, die uns mit der aufwühlenden „Päpstin“ in den Bann zog.
Kultur ist nicht alles, aber ohne Kultur ist alles nichts – Die US-Wahl bestätigte leider die Bedeutung und Notwendigkeit dieses Leitspruchs der Stadthalle Neusäß. Ohne Kultur versackt man in post-faktischer Beliebigkeit jenseits von Tatsachen oder Grundsätzen. Kultur kommt von colere – hegen, pflegen, dazu gehören Werte, nicht bloße Emotionen, die heute dies und morgen das Gegenteil opportun erscheinen lassen.
Gott sein Dank führte in Augsburg das Bürgerbegehren gegen die überfällige Theatersanierung nicht zum Verlust des 107-Millionenzuschusses des Freistaates, Millionen, die selten von München nach Augsburg fließen. Das Nürnberger Theater erhielt als Staatstheater seit 2005 weit mehr Geld als der Augsburger Eigenbetrieb. Höchste Zeit, dass der Freistaat die Kultur in Augsburg stützt. Das Theater ist ein unverzichtbarer softer Standortfaktor, der über Mitarbeiter und Besucher pro Jahr ca. 38 Mio. an Wirtschaftskraft einbringt, weit mehr als die Zuschüsse. Solidarität unter Kulturinstitutionen ist für uns selbstverständlich. Daher bot die Stadthalle, obwohl kleiner, ohne Nebenräume und Orchestergraben, dem Theater Augsburg Räume an, als die Schließung kurzfristig „verhängt“ wurde. Die langfristige Lösung freut Neusäß genauso wie das Theater Augsburg. Dass der Markt voller wird, spüren v.a. Hallen der gleichen Größe wie das Theater Augsburg. Da die Hallen um Augsburg unterschiedlich groß sind, kommt sich das Programm nur selten ins Gehege.
Die Stadthalle Neusäß hat seit Jahren ein eigenes Profil entwickelt mit einem Alleinstellungsmerkmal. Wir setzen neben dem Ankauf fertiger Veranstaltungen auf qualitativ hochwertige Eigenproduktionen mit Kulturschaffenden der Region, von Young Stage über Sandro Roy, Silvano Tuiach bis zu Peter Dempf, der Balletschule Tingreen Jagob und diversen Musikern und Schauspielern. Das fordert mehr Einsatz, aber es stellt nachhaltigere Beziehungen unseres Nachwuchses zur Kunst her als Kultur von der Stange. Kulissen, Kostüme, Lichtregie, Schauspiel und Musik selbst zu gestalten, stellt zur Kultur eine Nähe her, die durch passiven Konsum nicht zu erreichen ist. Der durchschlagende Erfolg von Peter Dempfs Handyblues motivierte zum Weitermachen in diesem Jahr. „CineMagie“, das Musical um die Rettung eines alten Kinos läuft im Dezember in mehreren Vorstellungen auf der Bühne der Stadthalle Neusäß. Publikum, Mittwirkende und Presse sind gespannt.
Auch mich überraschte der Literaturnobelpreis für Bob Dylan, obwohl er neben berühmten Favoriten auf der Liste stand. Der US- Folk, Rock- und Countrysänger, die Popikone, brach oft mit den eigenen Erfolgen, setzte zu Neuem an, mixte diverse Stile, schrieb Gedichte, malte, zeichnete. Neben Shaw ist er der einzige, der zum Oscar den Nobelpreis erhielt. „The Times they are A-Changin‘“. Welcher denkende Mensch sträubt sich in post-faktischer Zeit, Werte, noch dazu in der Kultur zu setzen und anzuerkennen? Als Klassische Philologin empfinde ich die gegen Dylan ins Feld geführte Trennung der Genres Gesang und Literatur nicht als Widerspruch, eher als Zusammenführung zweier ursprünglich vereinter Gattungen. Homers Ilias und Odyssee waren Epen in Hexameterversen, die Sänger mündlich vortrugen, ohne dass man je diese Urepen aus der Literatur ausgegrenzt hätte. Mich freut, dass Dylan in seinen Songs wie Gedichten Homer, Ovid, Petrarca, Shakespeare, John Steinbeck, James Joyce, Rimbaud, Baudelaire zitiert, und dass das Nobelkomitee Dylan auszeichnete für „seine poetischen Neuschöpfungen in der großen amerikanischen Songtradition“. Ich genieße mit allen Sinne den „Tambourine Man, Knockin‘ on Heavens Door, Forever Young. Dylans Songs sind omnipräsent, verzaubern Millionen, auch wenn sie mitunter gefällig sind. Es gibt Gefährlicheres als „We are the World“. Dylan singt und schreibt damit gegen Dummköpfe, Egoisten, Populisten, Rassisten, etc., an.
Im Jahr 2017 erwartet die Besucher TV-Star Katerina Jacob, die Partnerin des Bullen von Tölz mit der amüsanten Lesung „Alles nur Theater“, Maxi Schafroth, Da Huwa, da Meier und I“ mit neuen Kabarettprogrammen, Christian Springer und Hannes Ringelstetter, auch die gefragte A-Cappella-Gruppe Maybebop. Ins Abo locken die „Wunderübung“ mit Michaela May, „Madame Bovary“, sowie Shakespeares „Wie es Euch gefällt“, im Musik-Abo Christian Auers „Kaiserschmarrn“, u.a. mit dem Neusässer Stargeiger Sandro Roy und die üppige Hommage „Merci Udo“. Der Psychic Entertainer Dr. Florian Ilgen durchleuchtet in einer Show den „Freien Wille“. Im Juli bietet das Stadtfest ein abwechslungsreiches Unterhaltungsprogramm, leckeres Essen, Trinken und begehrte Waren.
Bürgerreporter:in:Kulturbüro Neusäß aus Neusäß |
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