Jahresrückblick von Anneli Bronner, Leiterin der Stadthalle Neusäß, auf das kulturelle Jahr in Neusäß
tempora mutantur et nos mutamur in illis, antwortet der Altphilologe in mir. Die Zeiten ändern sich, und wir uns mit ihnen. Schlimm wäre es, wenn wir nicht auf veränderte Publikumswünsche eingingen, ohne uns allerdings dem Zeitgeist auszuliefern, wie dies Schiller in den Schriften „Zur ästhetischen Erziehung des Menschen“ definierte. Jede Mode muss man nicht mitmachen. Von allzu hoch gehängten Events samt deren Eventmanagern haben viele inzwischen genug.
Berechtigte Veränderungswünschen darf man sich nicht verschließen. Die Quittung hätten wir dann prompt in Form zurückgehender Zuschauerzahlen. Operetten und Opern bieten wir nur noch ganz selten an, ebenso modernen Tanz, da die Nachfrage sehr gering ist. Das gilt leider auch für klassische Musik. Das Publikum genießt diese Musik lieber an historischen Stätten als in nüchternen Hallen. Das muss man akzeptieren, auch wenn es schmerzt. Das gilt bedingt auch fürs Kabarett. Hier allerdings setzt sich die Qualität immer noch durch. Jonas ( heuer zweimal ausverkauft) Pispers, Georg Schramm, Zimmerschied, Richling ziehen schon seit Jahrzehnten ihr Publikum in rauen Mengen an und sind noch immer Publikumsmagneten. Das heißt aber nicht, dass wir nur auf sichere Nummern setzen. Wir fördern immer wieder Nachwuchskünstler. Als ich im Mai 2006 erstmals Monika Gruber anbot, kannte kaum jemand in Schwaben den Namen. Wir eröffneten nun im November 2009 den Vorverkauf für den Auftritt Monika Grubers im Mai 2010, und wurden überrannt von der Nachfrage. Innerhalb von 2 Stunden waren wir ausverkauft . Die Proteste der Zuspätgekommenen reißen nicht ab. Ausverkauft ist ausverkauft.
Natürlich spüren wir, wie alle Kulturveranstalter, die in Zeiten der Wirtschaftskrise nur zu verständliche Zurückhaltung der Besucher bei Ausgaben, die nicht überlebensnotwendig sind. In schwierigen Zeiten boomt immer das Kabarett. Das Silvesterkabarett ist regelmäßig ausverkauft. Das neue Programm von Herr & Frau Braun mit dem witzigen Titel „Rindviecher aus der Region“ ist längst ausverkauft und wird auch am Rosenmontag 2010 die Halle füllen. Die Neuauflage des Schupfnudelparadieses mit dem Geisterfahrer, Herr und Frau Braun und dem Duo Liliput war, wie üblich, bestens besucht. Es freut uns besonders, dass regionale Künstler so großen Erfolg haben, nicht nur die „Fernsehstars“. Nicht nur beim Stadtfest versuchen wir immer wieder, Newcomer“ nach Neusäß zu locken und zu etablieren. Das erfordert viel Einsatz, lohnt sich aber auf Dauer, wie sich bei Monika Gruber, Martina Schwarzmann, Claus von Wagner u.a. bewahrheitete. Die in München hochgelobte Gruppe „Sauglocknläutn“ tut sich in Schwaben schwer. Es war eine Mordsgaudi und beim nächsten Mal ziehen sie sicher noch mehr Publikum an. Pispers empfiehlt den Fans in Neusäß jedes Mal einen unbekannten Kabarettisten aus dem Programm, wohl wissend, dass auch er vor 5 Zuschauern in der Uni anfing. Eine schöne Geste, die unserer Programmplanung entgegenkommt, neben dem Mainstream auch jungen Künstlern mit Niveau eine Plattform zu bieten. Allerdings weigere ich mich, auf Comedy-Schwachsinn umzusteigen. Den gibt es zur Genüge in der Glotze. Das muss ich nicht mit Steuerzahlergeldern subventionieren.
Auch dem musikalischen Nachwuchs versuchen wir immer wieder eine Chance zu geben, etwa mit dem vom Ephraim Peise geschriebenen und komponierten spritzigen Musical Beauty and the Beast – Eine Legende lebt, bei der Mario Kempter mit phänomenaler Stimme nicht nur den Nachwuchs begeisterte. Auch die Musik-Abo-Eigenproduktionen aus der Werkstatt Höfle-Haumann-Jagob sind gefragt. Die Neuproduktion „Hinter den Kulissen“ mit fetzigen Musicalmelodien, die sich um einen witzigen Handlungsstrang gruppierten, alles, was sich so hinter den Kulissen abspielt, von der Übung an der Ballettstange bis zum Sieg oder dem Ausscheiden beim Casting, begeisterte Ende November erneut Publikum wie Kritik. Wegen des großen Erfolgs, auch bei Gastspielen zeigen wir am 2. Weihnachtsfeiertag die Eigenproduktion „Peterchens Mondfahrt“. Sie überzeugt mit witzigen Ideen, liebe- und phantasievoller tänzerisch wie schauspielerisch, musikalisch und technisch raffinierter Umsetzung des Ballettstudios Jagob. Natürlich kommen auch die großen eingekauften Kindermusicals wie jetzt das Aschenputtel beim Publikum sehr gut an.
Die Zusammenarbeit mit den Umlandgemeinden und auch Augsburg wird mit schöner Regelmäßigkeit propagiert, in der Theorie. Die Praxis scheitert oft an der tatsächlich schwierigen Programmabstimmung, die oft innerhalb einzelner Kommunen mit der Vielfalt der Kulturschaffenden nicht möglich ist. Im kleinen Rahmen klappt die Kooperation mit Stadtbergen bei einzelnen Projekten.
Neben der Kultur läuft auch die gewerbliche Schiene bestens, ob Tagungen, Prüfungen, Bälle, Seniorennachmittage, Schulkonzerte, Abibälle, Bauchtanzshows, private Feiern, Ausstellungen, Podiumsdiskussionen, wie zu den Themen „Sudetendeutsche“ oder „Mauerfall“. Die Halle ist immer sehr gut gebucht, nicht erst seit die Sanierung der Kongresshalle bekannt ist. Unsere neuesten Veranstaltungen wie die Ü-30-Parties haben sich als Renner etabliert. Die Hochzeitsmesse zog im zweiten Jahr sehr viele Aussteller und noch mehr Besucher an als im 1. Jahr. Das freut das gesamte Team, das sich bei solchen Großveranstaltungen einbringen kann.
Das Motto „Kultur ist nicht alles, aber ohne Kultur ist alles nichts, habe ich zu Beginn meiner Tätigkeit in Neusäß ausgegeben. Inzwischen ist es zu unserem Markenzeichen der Neusässer Kultur avanciert. Bei den Umwälzungen im Kulturamt nach der Pensionierung von Herrn Fuchs bewahrheitete sich einmal mehr das Motto. Entgegen vielfältigen Trends räumt die neue Stadtspitze unter der Führung des 1. Bürgermeisters Hansjörg Durz der Kultur einen hohen Stellenwert ein und setzte sich für eine Aufwertung der Kultur ein. Als softer Standortfaktor nimmt sie eine immer wichtigere Rolle bei der Identifikation der Bürger mit ihrem Wohn- und Arbeitsort ein, ein Alleinstellungsmerkmal, dem in unserer Freizeitgesellschaft immer größere Bedeutung zukommt.
Der beste Beweis dafür war das Stadtfest 2009, das im Sommer trotz nicht immer optimalen Wetters einmal mehr bewies, dass die Neusässer richtig feiern können und wollen. Reggae-Ikone Black Moses, die Brasilianerin Lygia Campos, die Balkan-Brass-Band „Kein Vorspiel entführten uns in die weite Welt internationaler Musik. Die einheimischen Formationen Cash’n’go, Mark’n’Simon, Reinhold Bauer sowie Höfles Promenadenkonzert und die Presley-Family begeisterten nicht weniger, brachten die Stimmung richtig zum Kochen.
Wegen der Begeisterungsstürme verpflichteten wir die Presley-Family erstmals für ein Faschingskonzert am Faschingssonntag. Darauf freue ich mich ganz besonders. Das Veranstaltungsjahr 2010 beginnt mit einer hochwertigen Musical-Gala am 4. Januar, ein besonderes Highlight für alle Fans großer auch technisch und ausstattungsmäßig aufwendiger Musicals. Am 30. Januar lädt Publikumsliebling Peter Bongartz zu einer Komödien-Achterbahnfahrt ein. Am Geburtstag gibt es für alle Brecht-Fans ein ganz besonderes Schmankerl, die Dreigroschenoper in legendärer Inszenierung Roberto Ciullis. Erstmals locken die Traumfrauen ins Frauenkabarett, Michael Martin lässt 30 Jahre Abenteuer auf der Leinwand Revue passieren, Peer Gynt entführt uns in die nordische Phantasiewelt. Neben dem Star Monika Gruber treten Altmeister des Kabaretts wie Pachl und Zimmerschied an. Und im Sommer nehmen wir die Oldtimerrallye des Landkreises zum Anlass, ein „kleines Stadtfest“ im Park zu feiern, ähnlich wie beim Stadtjubiläum 2008. 2010 wird ein Jahr der Kultur in Neusäß.