Bolnissi: Schwäbische Siedlung Katharinenfeld

Sioni-Kirche mit Glockenturm.
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Mein erster Ausflug in Georgien führt mich mit Fahrer Giorgi und Reiseleiterin Keti (Abkürzung von Ketevan) in die schwäbische Siedlung Katharinenfeld („Bolnissi“). Zuerst kämpft sich Giorgi am Steuer durch den Schnee zur Sioni-Kirche. Das sakrale Gebäude aus dem 5. Jahrhundert gilt als die ältesteste erhaltene Kirche Georgiens – einem zutiefst christlich-orthodoxen Land. Zu praktisch jeder bedeutenden intakten Kirche gehört ein kleiner Konvent mit Nonnen oder Mönchen, in Sioni sind es Nonnen. Deren kleine, von außen hübsch anzusehende Behausungen liegen direkt hinter der Kreuzkuppelkirche. Die für Georgien so typische Form des christlichen Kreuzes wird Bolnissi-Kreuz genannt.

In Bolnissi zeugen Schilder wie „Mühlgrabenstraße“, einen Meter weiter bereits zu „Grabenstraße“ verkürzt, von deutschen Einwanderern. Diese kamen Anfang des 19. Jahrhunderts aus der Gegend um Aalen und bauten sich mit viel Fleiß eine Existenz in Bolnissi auf. Noch heute sind die Georgier fast ehrfürchtig, wenn es um Deutsche geht. Noch schreibt man uns Pünktlichkeit und Fleiß zu, noch gelten wir als gute Baumeister.

Katharinenfeld verfällt

Aufgrund des Ersten Weltkriegs wurden die Deutschen deportiert. Westgeorgier wurden nach Katharinenfeld umgesiedelt, zogen in die verlassenen Häuser und waren hocherfreut über die faszinierenden und prall mit Wurst, Käse und Wein gefüllten Keller. Die Freude über die tollen Häuser halten an, sofern die Nachfahren noch dort leben. Denn in Bolnissi steppt nicht gerade der Bär. Zahlreiche Häuser sind verlassen, mindestens jedes zweite hat keine Fensterscheiben mehr. Die Sporthalle ist in einem traurigen Zustand. Die Menschen zum Teil auch, zumindest der Betrunkene, der bereits mittags von seiner Bank plumpst, sich aus verletztem Stolz nicht aufhelfen lassen will und in der nächsten Minute eine Schimpftirade eines Nachbarn/Verwandten über sich ergehen lassen muss, während er von der Straße getragen wird. Arbeit gibt es kaum, da hilft auch das neu errichtete archäologische Museum nicht viel. Die Beschreibungen der Exponate, hauptsächlich Fundstücke aus Obsidian und Co., sind auf Georgisch und English.

Von Kellern, Weinen und georgischer Gastfreundlichkeit

Keti möchte mir gerne einen solchen Keller zeigen, doch dafür braucht es Glück. Die erste Einheimische, die sie fragt, verneint: Sie habe keinen solchen Keller mehr. Doch kurz darauf läuft uns Valery (71) über den Weg. Der alte Mann in der Jogginghose ist mittlerweile offenbar alleine, obwohl gestern seine Tochter zum „Verstorbenentag“ vorbeigekommen sei. Er fragt von sich aus, ob wir seinen Keller sehen möchten. In Österreich wäre das vermutlich eine gruselige Frage, die impliziert: Lauf! In Bolnissi hingegen birgt sie den Schlüssel zu einem Erlebnis.

Ein riesiges Kellergewölbe für ein Privathaus, mit 200 Jahre alten Weinfässern und einem kleinen Luftschacht nach oben, mit dem Schnee zur Kühlung ohne Aufwand beschafft werden kann. Der Keller ist weitgehend leer, aber man sieht sogar noch eine im Boden eingelassene Amphore, in der georgischer Wein reift; mit einer Schieferplatte abgedeckt. Anschließend zeigt Valery uns noch sein gemütliches Haus mit einem alten Ofen, der über geschickte Wärmeleitungen den kompletten ersten Stock des Langbaus mit nur drei Holzscheiten behaglich wärmt.

Der Garten hat eine Außenküche mit Bartresen, einen Pool, Olivenbäume, die Früchte tragen, und ein gemütliches Gartenhaus mit Gasofen. Dort lässt er uns zurück und bringt nach und nach Speisen sowie Wein. Bohnenmus, georgisches Fladenbrot, Fladenbrot mit Bohnenmus darin (Lobiani), Auberginensalat, roter Zwiebelsalat und Spinat stehen zur Auswahl. Ein Nachbar auf dem Sprung gesellt sich kurz dazu. Und das Gelage beginnt. Das Gastgeber ist der Tischvorstand/Tischmeister (Tamada) und als solcher für die Trinksprüche zuständig. Der selbst hergestellte Wein (ein Weißer sowie ein sehr süßer Roter) wird aus Platischflaschen in 0,2-Liter-Gläser eingegossen. Wie viele ich geleert habe, weiß ich nicht mehr. Aber es waren weniger, als Valery gerne gehabt hätte. Glücklicherweise hat Valery parallel für eine anständige Grundlage im Magen gesorgt. In diesem Sinne: Gaumadschuss („Zum Wohl“, schreibt man garantiert anders)! Insgesamt verbringen wir rund zwei Stunden mit/bei Valery und als ich am späten Nachmittag im Hotel ankomme, falle ich direkt ins Bett.

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Alle Bilder sind urheberrechtlich geschützt.

Bürgerreporter:in:

Michael S. aus Neusäß

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