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AUF ALTEN UND NEUEN SCHIENEN VON AUGSBURG NACH WESTHEIM

Der Bahnhof Westheim 2024
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Der Bahnhof Westheim ist im Rahmen des jährlichen "TAGS DES OFFENEN DENKMALS"  am Sonntag den 08.09.24 zwischen 14.00 und 17.00 Uhr für interessierte Besucher geöffnet. Auch die dort untergebrachte Anlage des Modelleisenbahnclubs kann besichtigt werden. Die Geschichte des Bahnbetriebs in Neusäß war schon 2010 Thema dieser kulturellen Veranstaltung, doch seither hat sich viel geändert und nicht nur die Zukunft des Bahnhofsgebäudes, sondern auch der viel diskutierte Verlauf der neuen Fernbahnstrecke wirft unzählige Fragen auf. Anbei ein Text aus dem Jahr 2022, der insbesondere den Verlauf der ersten Bahntrasse in Westheim beleuchtet.

Die Bahn machte schon früh richtig Dampf

Nachdem im Jahr 1835 zwischen den Städten Nürnberg und Fürth die erste Eisenbahngesellschaft in Deutschland ihren Betrieb aufgenommen hatte, setzte eine rasante Entwicklung auf diesem neuen Verkehrszweig ein. Für die gute alte Zeit atemberaubend wirken dabei im Vergleich zu heute die unglaublich kurzen Fristen, die damals zwischen der Planung, dem Bau und der Fertigstellung neuer Linien vergingen. So konnte bereits anno 1840 die Strecke von München nach Augsburg in Betrieb genommen werden. Als Teil der sog. „Bayerische Maximiliansbahn“ sollte sie in ihrem weiteren Verlauf das bayerische Eisenbahnnetz mit dem württembergischen verbinden und im Jahr 1850 einigten sich die beiden benachbarten Königreiche auf eine Streckenführung über Ulm. Schon vier Jahre später, im Mai 1854 konnten täglich 4 Züge die gesamte neu gebaute Strecke durchgehend eingleisig befahren. Wegen des rasanten Anwachsens des Personen- und Güterverkehrs wurde die Trasse von 1892 an zweigleisig ausgebaut. Ab 1931 wurde die Strecke dem technischen Fortschritt im Bahnverkehr folgend mit einer elektrischen Oberleitung ausgestattet.

Die alte Trasse nach Westheim

Im Bereich der Gemeinde Neusäß verlief der alte Fahrweg jedoch anders als heute. Die historische Bahnlinie ist aber immer noch erhalten und theoretisch sogar weiterhin befahrbar. Deren ursprüngliche Trasse zweigt nördlich des Bahnhofs Augsburg-Oberhausen auf Höhe des Gaskessels in Richtung Westen ab, durchquert im Bärenkeller das weitläufige Gelände des Gleisbauhofs der DB Bahnbau, erreicht schließlich Neusäß im Osten und überquert dort südlich des ehemaligen Gasthofs Schuster die Augsburger Straße und trennt diese von der Hauptstraße. Gleich neben der Überführung befand sich der damalige Haltepunkt Neusäß. Heute hätte man hier vom Zug aus einen schönen Blick auf die im Bau befindliche "Neue Mitte" der Stadt einerseits und den Beethovenpark andererseits. Als hier ab 1853 die ersten Züge hielten, blickten die Fahrgäste in nördlicher Richtung auf das dörfliche Neusäß und südlich über weitgehend unbebautes Grünland. Weiter westlich kreuzt das noch verbliebene Gleis zunächst die Fahrbahn der Oskar-von-Miller-Straße auf Höhe der Firma ABB und anschließend den Radweg, bevor die Trasse schließlich in die jetzige Hauptstrecke einmündet. Auf diesem Areal hatte einst das Wärterstellwerk des Bahnhofs Westheim gestanden. Vielen ist auch noch die Halle der Firma Attinger bekannt, die ebenfalls dort ansässig war. Das historische Gleis verbindet somit im Jahr 2024 immer noch den Bahnhof Westheim mit Augsburg-Oberhausen, es wird jedoch nur noch für seltene Sondertransporte im Rahmen von Bauarbeiten befahren oder man sieht dort gelegentlich auszubildende Gleisfacharbeiter der DB im Praxistraining.

Die neue Trasse nach Westheim

Mit dem Plan zur Elektrifizierung der Linie zwischen Augsburg und Ulm wurde auch deren Streckenführung neu überdacht. Das bedeutendste Projekt wurde dabei im Bereich Augsburg-Oberhausen mit großem Aufwand umgesetzt, im Rahmen dessen auch die Trasse nach Neusäß weiter in Richtung Norden verlegt wurde. Ab 1931 wurde das imposante Überwerfungsbauwerk errichtet, welches seither die Strecken nach Ulm und in Richtung Donauwörth kreuzungsfrei trennt. Auch das Gleis der Weldenbahn folgte ab diesem Zeitpunkt der neuen Route, blieb jedoch dauerhaft ohne Stromleitung. Die alte Trasse vorbei am Gaswerk wurde wie beschrieben nicht komplett zurückgebaut und dient nun vorwiegend als Zubringer zum Gleisbauhof der DB.

Der Haltepunkt Hirblinger Straße

Viele Pendler werden sich an den „Haltepunkt Abzweigung Hirblinger Straße“ erinnern. Dieser Nahverkehrsbahnhof wurde im Bereich des Augsburger Stadtteils Bärenkeller im Jahr 1940 eröffnet. Im Gegensatz zum nächsten Haltepunkt Neusäß, der dagegen ziemlich dörflich erschien, gab es hier vier Gleise, zwei breite Mittelbahnsteige und eine mächtige eiserne Brücke, über die man den hochgelegenen Bahnhof mit dem damals berüchtigten Kiosk erreichte, den es heute als Kneipe immer noch gibt. Ab dem Haltepunkt Hirblinger Straße führte die Trasse der Weldenbahn zwischen den beiden Schienensträngen der Hauptstrecke bis Neusäß, wo sie ohne Weiche unter dem Bahndamm hindurch in Richtung Lohwald abzweigte. Das mittlere Gleis existiert nicht mehr, aber die Reste der baulichen Anlagen lassen sich neben dem in Neusäß beginnenden Weldenradweg noch gut erkennen. Auch heute noch werden die aus Richtung Ulm kommenden Züge an der Abzweigung Hirblingerstraße quasi „vorsortiert“ für ihren weiteren Weg zu den entsprechenden Güter- bzw. Personenzuggleisen in Augsburg-Oberhausen und am Hauptbahnhof.

Der Bahnhof Westheim

Der Bahnhof Westheim mit seinem noblen Villenviertel war bereits in den Tagen der alten Streckenführung ein bedeutender Bahnhalt mit einem repräsentativen Dienstgebäude. Das Fahrgastaufkommen war bis in die 60er Jahre hinein sehr hoch. Dafür sorgten neben Pendlern und Schülern vom Land in die Augsburger Fabriken und Gymnasien vor allem in den Vorkriegsjahren unzählige Wallfahrer und Sonntagsausflügler. Die weithin bekannte Marien-Wallfahrt führte die Pilger auf einem Kreuzweg hinauf zur Kobelkirche, aber auch die berühmte Ausflugsgaststätte mit ihrem idyllischen Biergarten und dem hölzernen Aussichtsturm lockte Massen von Besuchern auf den heiligen Berg vor den Toren Augsburgs. Aber um am Bahnhof Westheim auszusteigen, gab es noch weitere gute „wirtschaftliche“ Gründe: das „Tirolerhaus“ des umtriebigen Wirts Burkhart lockte die Gäste mit seinem ganz besonderen alpinen Ambiente. Wanderfreudige Sommerfrischler machten sich in Scharen auf den Weg quer durchs Schmuttertal hinüber nach Hainhofen, wo die Biergärten des „Schwäbischen Himmelreichs“ und die Sommerrodelbahn der „Restauration Waldfrieden“ Jung und Alt anzogen. Ab 1891 verfügte man in Westheim über eine Naturheilanstalt, was die Gemeinde für kurze Zeit zu einem fahrgastfördernden Luftkurort machte. Von der Jahrhundertwende bis zum 2. Weltkrieg konnte man auf bunten Ansichtskarten zudem mit dem „Schmutterbad“ als weiterer Touristenattraktion werben. Am belebten Bahnhof Westheim gab es Wartesäle erster und zweiter Klasse, eine Bahnsteigsperre, einen florierenden Kiosk, einen Güterbahnhof und nach der Anbindung an die neue Trasse 1932 zusätzlich im Norden ein großes Wärterstellwerk. Erst zu Beginn der 80er Jahre zwangen Personaleinsparungen und die technische Angliederung an das Zentralstellwerk in Augsburg den Bahnhof Westheim wie so viele andere Dienststellen der Deutschen Bundesbahn endgültig in die Knie.

Und heute?

Wenn man 2024 von Augsburg Hbf mit der Regionalbahn nach Westheim fährt, ist von der Eisenbahnromantik vergangener Tage nicht mehr viel zu spüren. Der einstmals bedeutende Vorortbahnhof Augsburg-Oberhausen ist zu einem graffitibesprayten düsteren Treff verkommen, den man als Reisender nur ungern betritt. Am Haltepunkt Hirblinger Straße wird erst gar nicht mehr gehalten und den zugigen Bahnsteig in Neusäß verläßt man schnellen Schrittes, bevor einen der Sog eines vorbeidonnernden ICE mitreißt.

In Westheim erwarten den Reisenden neuerdings moderne, breite und sichere Bahnsteige, die jedoch mit dem Rückbau des wunderschönen historischen Holzdachs ihr einstmaliges ganz besonderes Erscheinungsbild vollständig verloren haben. Das Bahnhofsgebäude selbst wirkt dagegen immer noch äußerst repräsentativ und konnte sich auch nach der aufwändigen Neugestaltung den Charme vergangener Zeiten größtenteils bewahren. Anders als bei den wartenden Fahrgästen am Bahnsteig, weiß man beim Bahnhof Westheim auch nach Jahren allerdings leider immer noch nicht, wo die Reise eigentlich hingehen soll. Eines der schönsten Gebäude im Stadtbereich Neusäß ist dieses architektonische Denkmal auf jeden Fall.

Nachstehend noch Links zu zwei bereits veröffentlichten Geschichten rund um den Bf Westheim:

Als Pendler und Schüler nach Augsburg

Der Fußweg vom Bahnhof zum kleinen Tunnel

Bürgerreporter:in:

Helmut Weinl aus Neusäß

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