Visit Luderitz und Kolmanskop – Namibia, Tag 11
Klein Aus Vista bleibt die Basis für den elften Tag der Namibia-Rundreise mit Reiseleiter Alex von Alten. Auf dem Programm stehen Kolmanskop, Lüderitz, die Wüstenpferde von Garub und eine weitere Sehenswürdigkeit, die von der Reisegruppe jedoch gemobbt wird. Stoffleopardin Amara berichtet.
Beim Frühstück gibt’s umgehend die Retourkutsche von Alex für den Gin-Streich am Vorabend: Unser Reiseleiter hat den Toaster ausgesteckt. Als auch nach fünf Minuten noch kein warmes Brot aus dem Toaster kommt, wirft Tobias einen Blick hinter die Theke, sieht das lose Kabel steckt es in die Steckdose. Sandverwehungen huschen über die Teerstraße im Diamanten-Sperrgebiet. Kurz vor der Geisterstadt Kolmanskop werden mittels Baggern offenbar neue Dünen gebaut. Kolmanskop selbst ist voller Sand. Wir hören und sehen, dass viele Dünen schon mit den leerstehenden Häusern verwachsen. Im Rahmen einer Führung erfahren wir viel über die Geschichte des seit Mitte des 20. Jahrhunderts verlassenen Ortes. Die meisten Bilder an diesem touristischen Ort knipst Michael im Krankenhaus, wo mit Toiletten nicht gegeizt wurde. Heute ist so ein Klosett schon mal inklusive Spülkasten bis obenhin mit Sand gefüllt. Zum Abschluss der Tour geht es ins Hauptgebäude, wo der Hauptraum sich nicht entscheiden kann, ob er Fitnessstudio oder Theater sein will. Darin stehen abgenutzte Übungsgeräte, eine Bühne und ein Klavier. Wären wir bei „Wünsch dir was“, würden wir ihn als Konzertsaal deklarieren. Denn einer der örtlichen Führer begleitet sich am Klavier, während er aus seinem Goldkehlchen „God bless Africa“ ertönen lässt.
Zehn Kilometer weiter in Lüderitz knipsen wir die Felsenkirche und schnuppern eine Meeresbrise auf der Haifischinsel. Dort tapse ich durch die vielen lila Muscheln und verzögere die Weiterfahrt ein bisschen, aber wir haben es ja nicht eilig. Nach dem Mittagessen wechselt Klaus Geld und verzögert die Weiterfahrt deutlich länger als ich. Aber erneut gilt: Die Uhr ist nicht unser Feind. Was für eine Odyssee mit diesem schnöden Mammon. Kaum ist Klaus am Schalter der FNB an der Reihe, wird diese Bank von einem Systemabsturz lahmgelegt. Die nächste Bank kriegt auch nichts auf die Reihe. Ist Michael ein paar Tage vorher auch schon passiert und der Gruppe als Ganzes sogar direkt am Ankunftstag in der Schalterhalle des Flughafens. Macht aber alles nichts weil wir, die im Sprinter zurückgeblieben sind, augenscheinlich gerade die Bordkino-Funktion entdeckt haben. Direkt vor uns schlendert nämlich eine Tussi im Schneckentempo über den Zebrastreifen. Dieses Spielchen wiederholt die Schwarze in den Zwanzigern gleich mehrmals, ehe sie sich vor der Bank mit ein paar anderen Tussis trifft. Spielen diese Frauen nun etwa Activity? Wir hören im geschlossenen Wagen ja keinen Ton von draußen – ein kleines Manko der Bordunterhaltung. Jedenfalls wirkt es so, als stellen die Tussis abwechselnd etwas pantomimisch dar. Vor allem Tobias lacht sich schlapp angesichts dieses kauzigen Szenarios.
Wir fahren an einem Lüderitz-Ortsschild an einer Felswand vorbei, welches vom Stil her an die Hollywood-Buchstaben angelehnt ist. Mit der peinlichen Note, dass die Ü-Punkte fehlen, da nur mit Großbuchstaben gearbeitet wird. Die kleine Stadt am Meer, benannt nach dem deutschen Kaufmann Adolf Lüderitz, bahntechnisch bereits vom Inland abgekoppelt und auch touristisch dem Untergang entgegensteuernd, wird uns also als LUDERITZ präsentiert. An schwimmenden Flamingos vorbei fahren wir zum Diaz-Kreuz. Von dort aus werfen wir einen Blick auf eine Robbenkolonie auf der tiefergelegenen Felsbank gegenüber. Dazu gibt’s das zweite Mini-Konzert des Tages, diesmal von Schwarzen Austernfischern dargeboten – einer schwarzen Vogelart mit rotem Schnabel. Ansonsten kann das Diaz-Kreuz, auch als Diaz Point bekannt, wenig und bietet obendrein optisch einen eher kümmerlichen Eindruck, was die Gruppe zu reichlich Häme gegenüber dieser Sehenswürdigkeit verleitet, die diesen Namen der Mehrheit zufolge gar nicht verdient hat.
Bald Rechtsverkehr in Namibia?
Zurück Richtung Klein Aus Vista bekommen wir einen Einblick in den namibischen Straßenbau, der unter dem Titel „Wie unsere Entwicklungshilfe verschwendet wird“ verkauft werden dürfte. Denn im Diamanten-Sperrgebiet wird eine Straße nachgeteert, die noch top in Schuss ist. Abschnittsweise wird eine Seite gesperrt. Wir befinden uns auf Höhe Garub. Von Lüderitz aus kommend wird die linke Straßenseite frisch geteert. Ein Bauarbeiter hält ein Wendeschild, auf dessen einer Seite „Stop“ steht, auf der anderen Ry Go. Als wir ankommen, prangt uns die Stop-Seite entgegen, doch der Bauarbeiter winkt uns eifrig durch. Wir fahren also auf der freien rechten Seite entlang, bis uns auf der linken Seite ein Fahrzeug entgegen kommt, deren Insassen fröhlich winken. Eine kuriose Situation angesichts der Tatsache, dass in Namibia Linksverkehr herrscht. Nun fahren also die beiden einzigen Autos, die in der jüngeren Vergangenheit diesen Streckenabschnitt passieren, mangels Absprache der dafür angestellten Arbeitskräfte gleichzeitig und jeweils auf der falschen Seite über eine unnötigerweise frisch geteerte Straße. Das legt für Tobias die Vermutung nahe, dass an dieser Stelle im Sperrgebiet gerade getestet wird, ob Namibia für Rechtsverkehr bereit ist.
Auf der rechten Seite befindet sich der ehemalige Bahnhof von Garub. Ein weißes, eindeutig verlassenes Häuschen und ein Schild mit der Aufschrift „Garub“ an den Gleisen sind alle Anzeichen, die hier noch auf einen Bahnhof hindeuten. Seit Jahrzehnten fährt hier angeblich kein Zug mehr. Die Schienen sind noch da, werden aber seit 14 Jahren wieder instand gesetzt, ohne dass wirklich etwas passiert – außer, dass bereitgestellte Gelder in dunklen Kanälen versickern. So wird Lüderitz schon allein durch die dürftige Verkehrsanbindung ins Abseits manövriert. Auf der linken Seite geht es schließlich zu den wilden Wüstenpferden von Garub. Diese tummeln sich an einem künstlichen Wasserloch, zusammen mit zwei Oryx. Ein neugieriges Wildpferd leckt den Sprinter der Konkurrenz ab und wirft einen Blick durchs geöffnete Fahrerfenster. Zwei andere Pferde kämpfen mit erhobenen Vorderhufen. Wieder andere schlagen sanftere Saiten an, indem sie sich streicheln lassen. Die Wüstenpferde wirken gut genährt, werden aber offenbar nicht von Menschen gepflegt. Manche wirken verletzt, Hautfetzen hängen ihnen vom Körper. Nicht unbedingt ein wunderschöner Anblick wie er Pferdenarren vorschwebt, aber ein kurzweiliger Halt vor dem Abendessen.
Auf der Terrasse des Klein Aus Vista Desert Horse Inn gibt’s kurz vor dem Sonnenuntergang eine Gesangsdarbietung des Kirchenchors. Eine der Sängerinnen hat eine lila Kochmütze auf dem Kopf und trägt eine Hose im Leoparden-Look. Da verziehe ich mich lieber schnell an den hintersten Tisch, möglichst außerhalb ihres Blickfeldes. Michael bestellt ein Beer Shandy (Radler) und immer wenn er nicht aufpasst, gönne ich mir ein Schlückchen. Zum Abendessen werden wir mit einem malerischen Sonnenuntergang belohnt. Wir sehen eine schwarze Hügelkette, darüber eine Schicht herrliches Orange und eine Stufe darüber den Himmel. Sieht total irre aus, ein bisschen wie ein Schattenspiel. Die Sonnenuntergänge in Namibia haben es in sich und glänzen mit Farben. Vor dem Dessert, einem Apfel-Mandel-Crumble, stapfe ich ins Bett. War aber lecker, erzählt mir Michael. Mit Erdbeersoße und Eis sollte die Nachspeise sein, doch diese Zutaten fehlten. Die Zweibeiner machen Bedienung Julia darauf aufmerksam. Sie lacht gemäß dem Motto „Stimmt, stand so auf der Karte“, sammelt alle Teller ein und bringt das Dessert mit einem Klacks Eis zurück.
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