Unser neues Reisetagebuch
UNTERWEGS IM LÄNDLICHEN OBERITALIEN 2023
Bassano del Grappa - Mantova - Soave
Vorweg erwähnt:
Meine Reisetagebücher und Bilder erheben keinen professionellen Anspruch und sollen keine Reiseführer ersetzen, die man im gut sortierten Onlinehandel erwerben kann. Dafür empfehle ich für viele Regionen Italiens die blauen Bände des Michael-Müller-Verlags, die neben den Big Points auch Nebenschauplätze abseits der gängigen Routen beleuchten und meine individuelle Art des Reisens stets gut unterstützt haben. Meine Aufzeichnungen sind ganz persönliche Momentaufnahmen, bei denen jeweils nur die Orte erwähnt werden, die wir auf der aktuellen Tour besucht haben. Die heuer durchfahrenen Regionen haben wir schon Dutzende Male bereist und in anderen Texten und Fotobüchern erwähnt. Auf konkrete Tipps zu Restaurants oder Unterkünften verzichte ich bewußt, denn sie sind ständigem Wandel unterworfen und letztendlich hängt das Wohlbefinden dort von den persönlichen Empfindungen und Erwartungen ab. Die Reihung der Bildergalerie folgt in groben Zügen den Texten.
Zum Betrachten der Fotos sei ein PC oder Laptop empfohlen.
Unterwegs
Die Route findet das Auto schon fast von alleine. Auf der B17 über Landsberg und Schongau, später das kurvige, steile Ettaler Mandl talwärts nach GAP und noch später den noch steileren Zirler Berg hinab nach Innsbruck. Am Berg Isel den Blinker rechts setzen und einfädeln auf die Brennerautobahn, das 10-Tages-Pickerl und die Brennermaut hat der ADAC vorab digital aufs Nummernschild tätowiert. Hier oben bessert sich auch endlich die seit Tagen deprimierende Schlechtwetterlage. Südtirol ist kuhglockenschön, aber nicht mein große Liebe, also flott an der Sterzinger Schranke das Biglietto gezogen und weiter talwärts nach Italien. Hier an der Oberen Etsch atmet man immer noch die erzkonservative k.u.k-Luft. In Brixen und Bozen tragen sie festverwurzelt ihre blauen Schürzen, erst in Trient weht ein mentaler Südwind über die Gipfel. Unterwegs zu Claudios B&B zweigen wir in Trento Nord normalerweise südöstlich ab und fahren die ruhige Route entlang der Brenta durch das beschauliche Valsugana in Richtung Bassano del Grappa. Dieses Mal soll sich die Anfahrt jedoch durch ehemaliges "Kriegsgebiet" deutlich spektakulärer gestalten. Nächste Ausfahrt Rovereto Nord, hier beginnt Italien.
Über den Berg der Zehntausend Toten
Über das Massiv rechter Hand haben schon die Römer einst ihre Galeeren über den Nago-Paß an den Gardasee geschleppt, wir aber verlassen die A22 auf der Ostseite und fädeln uns nach einigen Fehlversuchen navigesteuert auf der SS 46 ein. Die Route über den im Grande Guerra heiß umkämpften Gebirgsstock hinüber in die venezianische Ebene ist pure Autofahreridylle und entzückt gleich hinter Rovereto mit einem unerwarteten Blick auf den in einen Steilhang gemauerten "Eremo di San Colombano". Wir begegnen nur wenigen Fahrzeugen im Verlauf der gut ausgebauten Piste und genießen die Blicke von den Aussichtspunkten auf die von den Italienern und Österreichern so gnadenlos malträtierten Gipfel. Auf der Passhöhe besuchen wir das "Ossario del Pasubio", eines dieser makabren Beinhäuser, welches die sinnlosen Opfer dieser Gebirgsschlachten allzu gerne zu Helden erheben möchte. Das Mittagessen wird wegen der fortgeschrittenen Zeit unser persönliches Opfer und so sitzen wir erst spätnachmittags in Schio am Cafétisch bei einem spritzigen Aperol und einem Panino, bevor uns die letzten 25 Kreisverkehre bis Bassano schwindlig machen. Herzlicher Empfang von Vater und Sohn Oriella. Claudio lockt mit einer Einladung am Abend zu Spargel mit Ei, auch hier in Bassano hat das Edelgemüse gerade Saison. Widerstand wäre zwecklos!
Ein Spaziergang in 14 Metern Höhe
Der dicke Vorhang verbirgt einen azurblauen Himmel. Ab in die Nachbarstadt! Wenn Du Dich Cittadella näherst, siehst Du zunächst kein einziges Haus der historischen Altstadt. Nur der Kirchturm des Doms und ein Kran überragen die riesige, fast vollständig erhaltene Stadtmauer, die mit einer Länge von 1461 Metern das Centro Storico fast kreisrund umschließt. In die Stadt selbst kommt man nur durch eines der vier Tore, die nach den Nachbarstädten in den jeweiligen Himmelsrichtungen benannt sind. Folglich nähern wir uns von Norden der "Porta Bassano", welche für Touristen der wichtigste Zugang ist, denn nur hier ist der Aufstieg zur kostenpflichtigen Rundtour auf der Mauer möglich. Die 5 Euro Wegezoll sind gut investiert, denn die Aussicht auf die Dächer der Stadt und das Umland ist von hier oben unvergleichlich. Nach einer Stunde und vielen Fotos wieder runter ins Erdgeschoß der Altstadt zu bester venezianische Küche in der "Hosteria Veneta". Ansonsten ist Cittadella ein an manchen Tagen fast verschlafenes Städtchen, welches für uns dennoch seit langem zu den Perlen Oberitaliens zählt. Ein makelloser Urlaubstag, wenn da nicht die schlammgrauen Bilder des überfluteten Lamonetals bei unseren Freunden in der Romagna wären.
Über eine Brücke mußt Du geh'n ...
Bassano del Grappa ist für uns Kult(ur)stätte, d.h. eigentlich mehr Kult als Kultur, ohne daß der ernsthafte Bereich bei uns gänzlich ausgeklammert wäre. Unser erster Weg führt stets auf den Ponte Vecchio über die Brenta, auch Ponte degli Alpini genannt, erbaut 1569 nach Plänen des Stararchitekten Andrea Palladio. Am linken Brückenkopf wird in Nardinis dunkler und lauter Grappakaschemme traditionell ein Aperitivo gesüffelt, erst dann sind wir bereit für einen Stadtbummel. Bergauf geht eine Piazza nahtlos in die andere über, Wendepunkt ist am Castello degli Ezzelini und von da an führt unser Weg wieder steil hinab zum Fluß, diesmal aber ans rechte Ende der Brücke. Dort steht das "Museo degli Alpini" mit den beiden heißbegehrtesten Kaffeetischchen der Stadt, die hoch über dem rauschenden Wasser schweben. Drinnen serviert man Brotzeitbretter mit regionalen Würsten und Käse sowie einer stets großen Auswahl an offenen Weinen. Wir sind mit neuer Kraft noch gut in der Zeit und steuern das Auto deshalb anschließend ins benachbarte Marostica. Ein Drink auf der Piazza mit dem Schachbrett geht immer und sofort sind die Erinnerungen an das farbenfrohe historische Spektakel letzten September wieder vor Augen. Auf den 14 Kilometern nach Hause platzen ein paar Regentropfen auf der Windschutzscheibe.
Yin und Yang am Dorfrand
Samstag. Unbeständige Witterung. Trotzdem fahren wir los in Richtung Asolo, biegen aber zunächst genau entgegengesetzt ab nach San Vito, um nochmals die "Tomba Brion" zu besuchen. Dies ist wohl die exklusivste private Grablege von ganz Italien. Geschaffen vom Promiarchitekten Carlo Scarpa und beauftragt von der Gattin des früh verstorbenen Industriellen Giuseppe Brion, entstand an dessen Geburtsort in den 70er Jahren ein Ort der Ruhe mit einer Aura, die an japanische Gartenkultur erinnert. Mit unverputztem Beton und wenigen schmückenden Elementen ist es dem Gestalter gelungen, stets wechselnde Perspektiven zu schaffen, bei denen der Blick nach draußen an manchen Stellen verwehrt bleibt, um an der nächsten Ecke unendlich weit bis zu den Hügelketten im Norden zu reichen. Diese Symbiose aus streng geometrischen grauen Betonelementen und der sanften asolanischen Landschaft in sich aufzunehmen, setzt aufgeschlossene Besucher voraus. Der gemeindliche Friedhof gleich nebenan ist mit seinen uralten Grabdenkmälern ebenfalls einen Rundgang wert.
Raindrops keep fallin on my head
Die kurze Weiterfahrt auf den Hügel, auf dem die Altstadt von Asolo thront, läßt einen die frischen Impressionen verarbeiten. Von den angeblichen "Hundert Horizonten" der Stadt sind heute auf Grund der feuchten Witterung nur wenige verblieben. Doch die gelöste Stimmung hält an. Das Parkhaus kurz vor dem Stadttor ist günstig und auch die Preise in der Gastronomie sind erfreulich niedrig, obwohl Asolo durchaus ein Besuchermagnet ist und die Busse gerne mal eine Ladung Fangotouristen aus Abano oder Montegrotto ausspucken. Man könnte hier auf den Spuren der Eleonara Duse, der Caterina Cornaro oder Robert Brownings wandeln, ehrfurchtsvoll vor dem Luxushotel Cipriani verharren oder zur Burgruine hochhecheln, aber nichts von alledem steht heute auf unserer To-Do-Liste. Zwei Gläschen Prosecco, Mozzarella und Burrata mit Blick auf ewiggestrige Alpinihüte und Mountainbiker mit strammen Wadeln sind die bessere Wahl. Und da sich der einsetzende Regen leider nicht bessert, wandern wir unter den Arkaden trockenen Fusses zurück zur Garage. Auf dem Rückweg stoppen wir noch am "Tempio Canovanio" über dem Dorf Possagno, wo mich das optische Wechselspiel zwischen dem gemusteren Pflaster und der hügeligen Umgebung immer wieder aufs Neue fasziniert. Es bleibt aber beharrlich feucht und wir schlagen den Heimweg ein. Claudio möchte heute abend die berühmten "Bigoli" zubereiten, das sind die venezianischen dickeren Schwestern der Spaghetti, die gerne in Entensoße serviert werden. Daß dieses "kleine Abendessen" unter Freunden ein Höhepunkt dieser Reise werden sollte, wissen wir in diesem Moment noch nicht!
Steigende Temperaturen ... sinkende Laune
Bei sommerlichen 27 Grad verlassen wir Claudios Betten in Richtung Mantua. Wir fahren mautfrei über Land und stoppen zum wiederholten Mal in Piazzola sul Brenta auf dem einzigartigen Campo vor der weitläufigen Villa Camerini etwas außerhalb des Centro. Unter den Arkaden der Loggia werden gerade die Tische eingedeckt, aber es erscheint uns zu früh für ein Pranzo, ein Fehler wie sich 50 Kilometer weiter herausstellen sollte. Nächster Halt ist Montagnana, die umgürtete mittelalterliche Perle, doch die endlos bereits außerhalb des Mauerrings abgestellten Fahrzeuge verheißen nichts Gutes. Ein Antik- und Gastronomiemarkt hat sich über das ganze historische Zentrum ausgebreitet, jede noch so kleine Osteria und das Festzelt auf der Piazza sind heillos überfüllt. So bleibt vom süßen Schinken nur der Duft und wir fahren deutlich gefrustet weiter nach Mantua. An der Wallfahrtskirche von Curtatone übt aber nicht einmal die Madonna Barmherzigkeit mit uns, denn die wenigen offenen Trattorien schließen gerade ihre Tore. So geht es hungrig zu unserem Bed & Breakfast Casanonni, wo wir in einem alten verwinkelten Fischerhaus im Borgo Angeli freundlich empfangen werden und den tollen "See"blick auf den Lago Superiore geniessen. Die Binnenseen, die der Fluß Mincio hier bildet, umschließen dekorativ die Altstadt von Mantua. Und in der Osteria al Bolide wird unser seelisches Gleichgewicht mit deftiger mantovaner Hausmannskost endlich wieder ausbalanciert. Der Sonnenuntergang im Fischerviertel ist hinterher ein Gratiszugabe!
Mantua ... Rock around the clock!
Sonniges Erwachen im Fischerhaus und Nonno Roberto hat schon den Caffè und das Frühstück bereitet! Dann voller Erwartung die 4 Kilometer rein in die Gonzaga-Stadt und rüber über den Ponte Giorgio, um vom östlichen Ufer und mit der Sonne im Rücken die umwerfende Skyline Mantuas zu geniessen, ein Bild welches unweigerlich an die Lagune Venedigs erinnert. Nach einer Handvoll Fotos zurück an den Parkplatz an der Stadtmauer und es folgt eine Piazza-Hopping, welches sich über den ganzen Tag hinzieht. Zwischendrin bekommt der Ticketautomat neues Futter und der A-PU bei 40 Grad Innentemperatur ein frisches Biglietto. Wir lassen dem Aperitivo fast nahtlos den Mittagsimbiss folgen, wandern mal hier und mal dort hin, die Lumix hämmert nebenbei zahllose Bilder mit kitschig blauem Himmel auf die Speicherkarte. Der Rundfahrt auf dem Ausflugsboot in mitten einer pubertierenden Schulklasse quer über die Seen können wir auch nicht widerstehen und danach geht es wieder durch heimelige Gassen von Piazza zu Piazza, von coolem Spritz Misto mit Aperol und Campari zu Risotto alla Pilota. Erst um 20 Uhr geht unser Giro di Mantova zu Ende, in einer der schönsten Innenstädte in ganz Oberitalien. Nur wenige kennen dieses urbane Highlight, obwohl es nur einen Katzensprung entfernt vom Gardasee versteckt ist. Immerhin ist dem geschichtsfesten Italienreisenden bekannt, daß der legendäre Tiroler Wirt Andreas Hofer just hier von den Franzosen im 1810er Jahr hingerichtet wurde. Was für ein Urlaubstag, dieser 22. Mai 2023!
Risotto alla Pilota
Die traditionelle mantovanische Küche ist eine der deftigen, sättigenden ihrer Gattung. Die Speisekarten sind nicht sehr umfangreich und ähneln sich sehr von Osteria zu Osteria. Seit Alfred Bioleks ungelenken Kochversuchen kennen wir alle die Grundregeln für ein gutes Risotto: 1. es muß ständig gerührt werden (stimmt nicht!) und 2. es muß am Ende "schlotzig" sein (stimmt!). Ganz anders verhält es sich beim Risotto alla Pilota aus Mantua. Das Gericht ist nicht etwa die Lieblingsspeise aller Flugkapitäne, sondern wurde nach den Reisarbeitern benannt, die an der Herstellung der Grundzutat beteiligt waren. Der Riso wird nicht sämig "all'onda" wie bei der venezianischen Variante serviert, sondern zeigt eine eher feste, trockene Konsistenz. Das kommt von der deutlich anderen Art der Zubereitung, die einem gerne die Nonna Lucia oder Tante Google verraten. In dieses Risotto gehören eine deftige regionale Wurst und viel Grana Padano. Als Vorspeise ist so ein mächtiger, würziger Teller eher gewöhnungsbedürftig. Was Risotto betrifft, bin ich ohnehin eher der schlotzigen venezianischen Rezeptur zugetan.
Liebesknoten am Staudamm
Der hohe Druck hält an und Opa Roberto hat zum Frühstück stolz ein Schälchen mit Kirschen aus dem Vorgarten bereitgestellt. Wir wollen heute das Naturschutzgebiet des Parco del Mincio umrunden und stoppen dazu erst einmal in Rivalta. Die bunten bemalten Häuser zeugen von seiner Vergangenheit als Fischerdorf und das alte Viertel am Fluß ist heute noch hübsch anzusehen. Nach Goito ist es nur ein Katzensprung, aber die vielen LKW an der Zufahrt halten die Spannung hoch. An der Piazza Matteotti bildet das Ensemble aus der Basilica und zwei roten Türmen ein lohnendes Fotomotiv. Auf einer angenehmen, oft von rotem Mohn gesäumten Piste nähern wir uns Valeggio sul Mincio, wo der Legende nach die Tortellini als "Knoten der Liebe" erfunden wurden. Doch in die burggekrönte Stadt droben auf dem Hügel wollen wir heute nicht. Wir überqueren den Ponte Visconteo, den verbliebenen Rest eines gewaltigen Staudamms aus dem Jahr 1393 und biegen ab in das museale Dörflein Borghetto, das direkt über den Fluß gebaut ist. Viele Touristen in Cabrios der Bayrischen Motorenwerke oder auch auf den unvermeidlichen E-Bikes erinnern daran, daß man nur 13 Kilometer vom Gardasee entfernt ist. Borghetto wirkt wie ein kitschiges Postkartenmotiv, ist aber trotz des Andrangs immer wieder schön anzusehen. Natürlich bestellen wir in einer kleinen Osteria köstliche Tortellini, bevor wir in Anbetracht der hohen Temperaturen auf kleinen Straßen, aber ohne weiteren Halt, zurück in unser angenehm kühles Domizil fahren.
Heute geht uns einiges am Po vorbei
Die Anzeigen am Armaturenbrett haben sich seit Sonntag eingepegelt: der Tachometer bei den Überlandfahrten auf 70 kmh, das Thermometer zeigt stets um die 28 Grad. Wir drehen heute eine Runde in der Poebene. Da ein ständiges Lüftchen weht, ist es nicht so drückend heiß wie befürchtet. Die Mündung des Mincio ist ein fotografischer Flop und die Fahrt auf dem Damm direkt am Ufer des Po auch nicht berauschend. Das erste Ziel San Benedetto Po überzeugt da schon mehr, gehört es doch immerhin der Vereinigung "Borghi piu belli d'Italia" an. Hauptattraktion ist das Konvent San Benedetto in Polirone. Bei seiner Gründung im Jahr 1007 durch die Familie Canossa (da war doch was!) lag es auf einer Flußinsel des Po, heute ist es umringt von einer weitläufigen Piazza. Wir steuern weiter auf flotten Pisten über das flache Land und kommen zügig voran. Vorbei an Guastalla und Gualtieri erreichen wir ein Dorf, das fast jeder Deutsche kennt, aber den wenigsten sagt der Name etwas. In Brescello wurden ab den frühen 50er Jahren die weltbekannten Filme um die Streithähne Don Camillo und Peppone gedreht. Ohne die beiden Kontrahenten wäre es ein verschlafener Ort wie hundert andere hier geblieben, aber so wird der zentrale Platz um die Dorfkirche permanent von Touristen als Selfie-Point vor den Statuen der beiden Filmhelden benutzt. Vom weiteren Verlauf des Tagesausflugs sei noch ein lustloser Rundgang in Sabbioneta und eine schwierige, aber erfolgreiche Supermarktsuche erwähnt. Dann zieht dunkles Gewölk auf und erste Donner rollen mahnend übers Firmament.
Heavy Metal Thunder
Das Smartphone berichtet am Abend über den Tod der Rocklegende Tina Turner und vermutlich ist Anna Mae, die Begnadete Punkt 23 Uhr an der Himmelspforte angekommen, denn sie wird direkt über uns standesgemäß mit einer fulminanten Lightshow aus Blitz und Donner begrüßt. Unten im Borgo Angeli glauben wir, uns fliegt das Blech weg und wir ziehen im Fischerhaus ängstlich die Bettdecken über die Nasen bis das Spektakel endlich zur Ruhe kommt. We don't need no other hero ...
Das Krokodil an der Kirchendecke
Der Himmel ist durch das nächtliche Gewitter freigeblasen, im Norden zeigt sich gar schüchtern und blass die Alpenkette. Nach Robertos Frühstück liegt unser erster Fotostopp nur ein paar hundert Meter entfernt. Wir stellen das Auto vor dem bedrohlich und düster wirkenden Hauptportal des "Cimitero Monumentale" ab, dessen brachialer dunkler Beton an die Protzbauten der Nationalsozialisten erinnert. Der Rundgang durch das weitläufige Gelände des Friedhofs ist jedoch sonnig und heiter, an die Faschisten erinnert allenfalls ein Schild zum Krematorium. Wir fühlen uns wie in einem Freiluftmuseum, keines der detailverliebten Grabmale im historischen Teil ähnelt dem anderen. Das Objektiv sucht gierig nach Motiven zwischen den unzähligen Reihen und findet u.a. die letzte Ruhestätte der mantovanischen Motorsportlegende Tazio Nuvolari. Dieser Friedhof gäbe genug Material für ein ganzes Fotobuch ab!
Beeindruckt fahren wir weiter zur Marienkirche Santuario Beata Vergine Maria delle Grazie, um eine Bootsfahrt durch den Naturpark des Mincio zu buchen, doch die Biglietteria am Ufer ist heute geschlossen. Ich packe allen Mut und mein bestes Italienisch aus, rufe die am Schalter hinterlegte Nummer an und vereinbare einen Termin für Samstag. Wir beobachten durch Fernglas und Kamera noch ein wenig die Vogelwelt und steigen wieder hinauf zur Kirche. Auch in deren kuriosem Innenraum fühlen wie uns erneut wie im Museum. Wie auf einer Galerie stehen reihum in kleinen Nischen schaufensterartige Puppen, die allegorisch Gedanken aus der christlichen Themenwelt verkörpern. Auf den Besucher wirken manche der skurrilen Szenen durchaus befremdlich und spätestens wenn er das mumifizierte Krokodil an der Decke hängen sieht, wird er sich fragen, wo er wohl darin die Verbindung zum christlichen Glauben findet. Dabei ist das an die Kette gelegte Monstrum einfach das Sinnbild des Teufels, der besiegt und unschädlich gemacht wurde. Wir kehren noch auf einen Imbiß im "Cacciatore" ein und beenden diesen "katholischen Donnerstag" fürs Erste ermattet und kehren zum Entspannen in den Garten des Fischerhauses zurück. Abends kehren wir jedoch nochmals in den Wallfahrtsort zurück, da wir im Glauben gefestigt wurden, daß die der Maria so nahen Pizzen bei "Da Mario" nicht nur riesig sind, sondern auch uns für einen Augenblick dem Himmel ein Stück näher bringen.
Carpi hat den größten!
Bestes Ausflugswetter an diesem Freitag. Ich überstimme beharrlich die mahnende Stimme des Bordinstruments und Madame antwortet nervig kilometerlang mit "die Route wird neu berechnet", bis wir endlich jenseits der A22 sind und den Landstraßen Richtung Carpi folgen dürfen. Jeder kennt Capri, keiner kennt Carpi, möchte man meinen, doch wir waren schon öfter in dem sehenswerten Städtchen nahe Modena, als Zwischenübernachtung auf dem Weg weiter in den Süden. Carpi hat etwas ganz Besonderes, nämlich mit der "Piazza dei Martiri" einen der größten Stadtplätze Italiens. Mit 17.000 qm Fläche und verkehrsberuhigt bietet er den Tauben die längste Landebahn und den Kindern den weitläufigsten Übungsplatz fürs Laufrad. Der Dom wurde nach dem Erdbeben 2012 über Jahre hinweg restauriert und wir sehen ihn heuer endlich vom Gerüst befreit in aller Schönheit. Im optischen Einklang mit dem Castello Pio, dem Stadttheater und den gegenüberliegenden schier endlosen Arkaden wirkt die gesamte Szenerie wie eine Filmkulisse aus den 50er Jahren. Einst hieß der Platz wie so viele in Italien "Piazza Vittorio Emanuele" und als deutscher Tourist wünscht man sich diesen Namen mit Bedauern zurück, denn seine jetzige Bezeichnung im Gedenken an ein faschistisches Massaker im Jahr 1944 mag nicht so recht zu diesem heiteren Ambiente passen. Am unteren Ende mündet der Stadtplatz fast übergangslos zwischen dem Portikus des historischen Getreidemarkts und dem Rathaus in den ebenso von Laubengängen gesäumten Corso Alberto Pio, der uns zurück zu unserem Parkplatz am Friedhof führt. Wir fahren die gut 50 km mautfrei zurück und dieses Mal lasse ich dem Navi seinen Willen.
Grazie Grazie, Mille Grazie
Der Ortsteil Grazie bei Curtatone entwickelte sich im Lauf dieser Woche für uns immer mehr zum Dreh- und Angelpunkt. Heute steht bei besten meteorologischen Bedingungen die gebuchte Bootstour mit den "Barcaioli del Mincio" auf dem Tagesprogramm. Mit acht anderen Passagieren erleben wir einen 90minütigen Ausflug, der uns schlicht sprachlos macht. Wir tauchen hautnah ein in eine artenreiche Vogelwelt von Reihern, Kranichen, Kormoranen, Haubentauchern und immer wieder Schwänen mit vielköpfigem Nachwuchs. Vor und neben mir werden euroschwere Telekanonen auf volle Brennweite ausgefahren, das macht ein bißchen neidisch. Der Bootsführer hält einie Male an besonders schönen Plätzen, vor uns sehen wir die Silhouette von Mantua und dann passieren wir unseren Garten am B&B Casa Nonni. Diese einmalige Birdwatching-Tour wird sicher als der einzigartige Höhepunkt dieser Reise in Erinnerung bleiben, auch wenn meine Bilder den tatsächlichen Eindruck leider nur zaghaft wiedergeben. Welch prächtige Motive die Besucher in ein paar Wochen erwarten, wenn auf den grünen Teppichen tausende von Lotospflanzen erblühen, mag man sich als Fotoshooter erst gar nicht vorstellen.
Völlig geflasht setzen wir uns ins "Cacciatore", um mit kalten Getränken und einem Imbiß wieder mental runterzukommen. Erst nach zwei Stunden drehen wir noch eine Runde mit dem Auto um den Naturpark und besuchen den schattigen "Bosco della Fontana" auf der Mantovaner Seite. Dann geht es in flotter Fahrt zurück in den Borgo, wo sich die Ereignisse in der Fußballbundesliga gerade nervenaufreibend überschlagen und nach dem Schlußpfiff wieder mal die Bayern ganz oben stehen.
Du kommst hier nicht rein!
Es ist Sonntag und der FCA spielt weiterhin in der Bundesliga! Wir genießen das letzte Frühstück von Roberto, dann beladen wir den Benziner mit dem strategisch für die restlichen beiden Tage sortierten Gepäck. Der Weg nach Soave führt uns zunächst durch die Reisfelder in die Risottometropole Isola della Scala, doch zum Mittagessen ist es noch viel zu früh und die Risotteria Ferron bleibt sonntags geschlossen. Der Rest vom Städtchen hat wenig Strahlkraft und so fahren wir gleich weiter nach Soave. Dort sind Straßen und Parkplätze gleichermaßen gut gefüllt, aber wir finden glücklicherweise einen Platz direkt am gebuchten Hotel "Residenza Ai Capelli" vor der Stadtmauer. Gezielt erstürmen wir gewohnheitsmäßig die Loggia der "Enoteca al Drago" und bekommen dort den letzten Tisch. Das Smartphone meldet sich mit dem Hinweis, wir wären umgebucht in die "Locanda Ai Capitelli". Dieses Haus von Elga & Andrea kennen wir bestens und tasten uns nach dem ersten Gläschen Soave den Umleitungsschildern folgend hitzegestresst an den Stadtrand. Große Überrraschung und herzliche Umarmung der immer lieben Elga, dann bekommen wir ein schönes Zimmer mit Terrasse zum Relaxen. Soave platzt auf Grund eines Literaturfestivals aus allen Nähten. Den Abend verbringen wir völlig relaxed im ultramodernen "Casetta" zwischen knackigen Bedienungen, dröhnender Musik, durchgeknallten Italienern, einem Piatto Misto, kühlen Drinks und einer Flasche Soave von Rocca Sueva gleich gegenüber. Man feiert Geburtstag mit schrägen Ständchen, es gibt rote Rosen für alle Damen und man fühlt sich angekommen. Ein ungewöhnlicher, cooler Abend, der bei angenehmen Temperaturen auf unserer Terrazza in der Locanda mit vielen Pluspunkten notiert wird.
Hot town, summer in the city
Nachts wecken uns heftige Regenschauer. Das liebevoll von Elga zubereitete Frühstück auf der Terrasse mit dem Panoramablick zwischen Rosen hindurch auf das Castello zu genießen, gehört zu den unbezahlbaren Stunden solcher Reisen. Man möchte diesen Ort am liebsten gar nicht mehr verlassen. Das Thermometer erklimmt erneut sommerliche Markierungen, wir nehmen uns nicht mehr viel vor für diesen letzten Tag. Erst fahren wir hoch zur Burg, um die Stadt Soave und die grüne Hügelwelt ringsum von oben zu betrachten, dann hinunter in die zubetonierte Gegenwelt entlang der Autostrada mit dem Ziel Supermercato Eurospin. Die wenigen Einkäufe sind schnell erledigt und schon sind wir wieder im Centro, das nach der gestrigen Hektik fast dörflich und verschlafen wirkt. Aperolgespritzt zurück zu einem Mittagsschlaf draußen in der Locanda, um danach ein wenig beschattet auf der Terrasse abzuhängen.
Der Zeigefinger Gottes
Ein letzter kurzer Ausflug soll es dann doch sein. Monteforte d'Alpone liegt gleich hinter dem nächsten Hügel und ist neben Soave die bedeutendste Gemeinde der Classicozone dieses Weins, der hauptsächlich aus der Rebsorte Garganega gekeltert wird. Monteforte ist durch den riesigen, aber extrem schlanken Campanile der Kirche Santa Maria Maggiore schon von weitem zu sehen, aber so richtig beeindrucken einen die Dimensionen erst, wenn man direkt auf dem schrägen Kirchplatz vor dem Gotteshaus steht, welches mit seinen neoklassizistischen Säulen wie ein griechisches Pantheon und für diesen Ort leicht überdimensioniert wirkt. Der Blick ins Innere ist durchaus lohnend und am heutigen Nachmittag auch wohltuend kühl. Drinnen und draußen gelingen noch ein paar hübsche Fotos und da wir das Auto auf dem Parkplatz der Enoteca an der Rückseite abgestellt hatten, dürfen wir jetzt noch die kuriose Straßenführung durch ein enges Nadelöhr und quer über die Piazza hautnah erleben.
Arrivederci
Dieser brütend heiße Tag und somit die ganze Reise enden mit einem köstlichen Abendessen auf der Terrasse der Locanda Ai Capitelli. Wir werden morgen früh noch einmal die sympathische Elga umarmen und mit einem lachenden und einen weinenden Auge zurück über den Brenner fahren. Wir haben Menschen wiedergetroffen, die schon so etwas wie Freunde geworden sind und wir haben mit Roberto und Marina eine neue Familie kennengelernt, die uns sofort ans Herz gewachsen ist. Trotzdem ist heute ein guter Tag für die Rückreise, denn für Entdeckungstouren durch Landschaften und kleine Städte wie wir sie gerne unternehmen, werden die Temperaturen in Italien ab Juni langsam zu hoch.
Wir bedanken uns bei unseren Gastgebern für Ihre Herzlichkeit:
Claudio & Paolo Oriella, Bed & Breakfast Le Fate Corbezzole, Romano d'Ezzelino
Marina und Roberto, Bed & Breakfast Casanonni, Mantova
Elga mit Familie, Locanda Ai Capitelli, Soave
Zum guten Schluß
Alle Bilder wurden wieder mit der extrem zuverlässigen und vielseitig einsetzbaren Panasonic Lumix FZ 2000 geschossen. Als weitere technische Unterstützung diente unterwegs neben dem Smartphone ein Samsung Tablet mit externer Tastatur, welches als komfortable Schreibmaschine für die Texte eingesetzt wurde. Die kostenfreie App TEXTMAKER ist dafür ausreichend und perfekt bedienbar. Zuhause wurden die Bilder wie immer aufgepeppt mit den beiden uralten und kostenfreien Tools GOOGLE PICASA und ULEAD PHOTOIMPACT, ein Duo, welches für mich seit nunmehr 20 Jahren ein treuer Wegbegleiter auf allen Betriebssystemen und Computern ist.
Bürgerreporter:in:Helmut Weinl aus Neusäß | |
Helmut Weinl auf Facebook |
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