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Gambia - Affen, Krokodile, Geschichte der Sklaverei und westafrikanische Küche

Gib dem Affen Erdnüsse

An meinem ersten Tag in Gambia erkunde ich erstmal die Gegend per Pedes. Meine Schuhe kann ich angesichts der Sandstraßen nach meinem Aufenthalt an der Smiling Coast vermutlich wegschmeißen.
Ich hatte mit mehr Ansprache gerechnet, denn so viele Touris sind momentan nicht in da Hood. Aber bis auf vereinzelte Taxi-Angebote sind die Gambier überraschend zurückhaltend. Selbst die Shopverkäufer und Geldwechsler machen allenfalls dezent auf sich aufmerksam. Das wird sich in den folgenden Tagen ändern, da werden mich deutlich mehr Einheimische ansprechen, wobei die wenigsten penetrant hart bleiben.
Geldwechsler. Ja... natürlich war der Wechselkurs am Flughafen unterirdisch. Selbst am Senegambia Strip – der „Partymeile“, in der sich das Nachtleben abspielt - kriege ich zwei Dalasi mehr pro Euro (59:1).

Der Bijilo Forest mit seinen zwei Affenarten und seinen vielen Pflanzen und Vögeln wurde von Deutschland mitaufgebaut und dann in gambische Hände überführt. Die Chinesen sind auch schon da. Also nicht persönlich, aber sie bauen dort. Wo auf manchem Kartendienst noch der Ticketschalter der Parkverwaltung eingezeichnet ist, hat uns das Reich der Mitte verdrängt. Also ein Stück den Senegambia Highway entlang und auf der anderen Seite rein – ja, der Park ist nicht riesig. Der Eintritt liegt bei 150 Dalasi, ein Beutel Erdnüsse bei 200 Dalasi, der Guide soll mindestens 500 Dalasi bekommen. Ich hab ihn exklusiv und er macht nen guten Job (auch als Fotograf). Westliche Grünmeerkatzen und Temminck-Stummelaffen (aka Rote Colobusaffen) teilen sich das Areal – und sind deine besten, anhänglichen Freunde, solange du ihnen deine Nüsse gibst. Tierfotografen werden ihre Freude daran haben, Familien mit Kindern sowieso. Ein paar prächtige Baobabs, darunter ein spektakulärer liegender, sowie unterschiedliche Termitenhügel und der westliche Rotschnabeltoko runden die Waldwanderung ab. Stichwort Baobab: Der dickflüssige weiße, mit Zucker angereicherte Saft dieser Baumriesen schmeckt ausgezeichnet und soll sehr magenfreundlich sein.

Der Müll wird hier selbstverständlich nicht getrennt. Er wird per Eselkarren abtransportiert. Ganz schön viel Last – und schon ziemlich überfüllt, der Wagen. Die obersten Plastikflaschen purzeln schon heraus.

Senegambia Strip

Abends ab auf den Strip – also den Streifen mit den Strandhotels, Restaurants, Bars und Wechselstuben. Erstmal futtern. Ein junger Kerl winkt mich ran, cool mich wiederzusehen blablabla – das hat auch schon der Kellner im Restaurant nebenan gemeint und der und der – ich bin erst einen Tag da, ich bin euch noch nie begegnet. Entweder glauben sie, wir können einen Afrikaner nicht vom anderen unterscheiden oder sie können einen Toubab („weißer Mann“) nicht vom anderen unterscheiden. Trotzdem geselle ich mich zu Skinny – eine lokale Berühmtheit, der Michael Schuhmacher von Senegambia – und seiner Crew. Wir ziehen von Bar zu Bar, die Jungs kümmern sich ganz gut um mich, dafür fällt mein Anteil an der Rechnung etwas höher aus. Leben und leben lassen. Eine aufgebrezelte Lady in einem phänomenalen Kleid crasht die Runde – was von den jungen Männern toleriert wird (man ist quasi bereit, die Beute zu teilen) -, um an mich heranzukommen, verkraftet den Korb (wir haben in einer halben Stunde kaum zehn Worte gewechselt und ich habe ihr Ansinnen nach meiner Nummer abgelehnt) aber ziemlich schlecht. Die Gruppe löst sich allmählich auf, im Tanzlokal mit Live-Band unter freiem Himmel sind wir nur noch zu dritt – inmitten von älteren Weißen (hauptsächlich Frauen) und hippen Gambiern. Na, hier werde ich keine Lady abkriegen, selbst wenn ich wollte. ;)

Westafrikanisch kochen

Man kommt sehr leicht in Kontakt zur lokalen Bevölkerung. Viele versuchen, dir etwas zu verkaufen. Ein Nein wird meistens akzeptiert. Die Männer offerieren meist ihre Dienste als Fahrer oder Guide, die Frauen locken eher mit der Zubereitung eines leckeren Mahls.
Kochen in Gambia dauert lang. Egal, ob Benachin oder Domoda. Wir brauchen Fleisch, Reis und jede Menge Gemüse. Mit einer Einheimischen, die privat kocht, lernt man lokale (Open-Air-)Märkte kennen. Einkaufen zum Spottpreis. Zucker gibt’s in einer selbstgedrehten Tüte aus Zeitungspapier, Öl wird von einem Kanister in einen kleinen Plastikbeutel gefüllt. Das Fleisch liegt ungekühlt auf dem Verkaufstresen, der Verkäufer verscheucht die Fliegen mit einem Wedel. Bitte mach, dass ich das überlebe. Bis das Essen fertig ist, dauert sehr lang. Kochen ist in Gambia Frauensache, der Mann hat in der Küche offenbar nichts verloren, mithelfen untersagt. Er bezahlt die Einkäufe. Ein leckeres Essen, das locker für zwei, drei Tage reicht, gibt’s für unter zehn Euro. Wer Domoda und Co. ohne Fleisch haben möchte, also nur Maniok, Süßkartoffel etc. zum Reis packt, kommt auch mit drei Euro hin und kann davon Tage lang zehren. Wurden die Hände vor der Zubereitung geschwaschen? Nein. Wurden westliche Hygienemaßstäbe eingehalten? Keinesfalls. Dennoch: keine Magenkrämpfe, kein Durchfall, alles bleibt ruhig. Und es schmeckt wirklich gut.

Heilige Krokodile

Auf zu den Heiligen Krokodilen nach Kachikally, unweit des Fischerdorfes Bakau. Junge, Junge, dass der Preis der Crew viel zu hoch war, wusste ich. Aber angesichts dieser Kurzstrecke fühle ich mich schon von meinen neuen Freunden verarscht. Leben und leben lassen. Wer in Gambia (und sonstwo auf der Welt) vom Tourismus lebt, hat es seit der Pandemie nicht leicht. Der deutschsprachige Guide nach einer durchzechten Nacht völlig durch, der Fahrer ein Schlitzohr. Ob ich seine Fahrdienste in Deutschland bewerben könne? Ja, eigentlich schon – ist ne coole Socke. Pünktlich. Zuverlässig. Ein guter Fahrer, der Skinny, wenngleich nicht ganz StVO getreu, sofern die in Gambia irgendeine Bedeutung hätte.

An den Krokodilpool ist ein kleines Landeskunde-Museum mit Staatsgeschichte und Musikinstrumenten angeschlossen. Die Krokodile können angefasst werden, sie liegen recht faul herum, haben hier ein chilliges Leben. Sie mussten nie jagen, haben nie Fleisch gekostet – werden mit Fisch gefüttert. Der Rückenpanzer ist plattenhart, an der Seite und an den Schwimmflossen sind die Krokos hingegen butterweich. Man nähert sich ihnen nicht von vorne, sondern von hinten. Den Abschluss des Fotoshootings stellt die Mutprobe dar, seinen Kopf in ein geöffnetes Krokomaul zu stecken. Das habe ich auf einem Promofoto gesehen, da bin ich dabei. Als ich erfreut zustimme, macht der Guide allerdings einen Rückzieher. Menno, das wäre doch trotz mir darauf ein tolles Bild fürs Fotoalbum geworden. Sie haben hier sogar ein ziemlich großes Albino-Krokodil. Auf dem Rückfahrt winkt uns der Lehrer einer freien Grundschule in Bakau ran – kurze Frage des Fahrers, ob ich aussteigen möchte - und schwupp, sind wir mitten im Unterricht. Die Kinder können „Bruder Jakob“ in mehreren Sprachen, auch Deutsch, singen. Spenden erwartet.

Sklavenhandel: Kunta Kinteh Island

Die nächste Tour buche ich bei Ebrima Jammeh am Strip. Er nimmt sich viel Zeit für das Beratungsgespräch und zielt keineswegs auf einen schnellen Abschluss ab. Der Tourismus ist momentan am Boden. Zwar haben die meisten Sehenswürdigkeiten offen, laufen aber mit Minimalbetrieb, da die Gäste ausbleiben. Wo normalerweise Mahlzeiten inkludiert sind, entfällt die Verpflegung einfach. Seine Preise sind gerade im direkten Vergleich zwar zu hoch, aber sein lokaler Konkurrenz sagt den Trip nach Juffureh ab, da er kein Boot auftreiben konnte. Ebrima verzichtet auf eine Anzahlung, reguläre Boote (für Touristen) fahren derzeit nicht und aus Sicherheitsgründen rät er von einem privaten Kapitän ab. Er stellt mir Malang als Fahrer und Guide zur Verfügung stellt. Netter Typ – wobei nett sind sie eigentlich alle – leben und leben lassen. Er macht seinen Job gut, obwohl der Preis für den Ausflug nach Albreda / Juffureh, zu den Wurzeln von Alex Haley (Kunta Kinteh), deutlich zu hoch ist. Zirka 25 Minuten Autofahrt an den Hafen von Banjul, mit der Fähre rund eine halbe Stunde Überfahrt nach Barra. Die Fahrt an sich ist unspektakulär, das „Ausschiffen“ zu beobachten allerdings ein Erlebnis. Das sind vielleicht Menschenmassen. Und Autos. In Barra noch rund 40 Minuten Fahrt über eine Sandstraße, die gerade ausgebaut wird. Dann tauchen wir am Strand, im kleinen Museum und vor allem natürlich auf James Island (jetzt Kunta Kinteh Island) mit den Original-Mauerresten der Festung des Sklavenhandels in ebenjene Geschichte ein.

Kurz bevor wir zurück auf die Fähre gehen, gabeln wir noch ein kleines Mädchen auf, das seine Schwester im Getümmel verloren hat und im Restaurant nach Hilfe fragt. Malang redet der Kleinen gut zu, klopft die wichtigsten Infos ab (Nachname: Tah) und übergibt sie mit diesen Informationen am Wachposten ab. Ein weiterer häufiger Nachname in Gambia, der uns immer wieder begegnet: Jallow. Wir haben in Deutschland wohl ein paar Nationalspieler mit westafrikanischen Wurzeln.

Bootsfahrt durch Mangroven

Mit Malang geht’s am nächsten Tag nach Makasutu, zu den Pavianen in den Wald. Palmwein ist aus, der lokale Guide spricht das Thema Trinkgeld mehrfach an (kein Tourismus, keine Arbeit, kein Verdienst), Paviane lassen sich auch nicht blicken. Die Paddelbootfahrt auf dem Creek durch die Mangroven in aller Ruhe ist eine entspannte Sache. Man sieht hauptsächlich verschiedene Vögel wie Reiher sowie Austern, die sich an Luftwurzeln heften, die bei Flut wieder ins Wasser tauchen. Drei Grünmeerkatzen trauen sich auch ans Ufer. Auch dieser Trip wäre normalerweise günstiger gegangen, aber man ist bei Malang gut aufgehoben. Dieses Mal bringt er einen kleinen Jungen vom Nirgendwo bis zur Schule und rettet einem Mädchen mit umgeschnallten Geschwisterchen mit einer schnellen Brems- und Ausweichreaktion das Leben. Sie hatte nicht mehr nach rechts geschaut, bevor sie die Straße kreuzte – mit etwas mehr Tempo und etwas weniger Aufmerksamkeit hinterm Steuer, wäre das unausweichlich ein Unfall mit Personenschaden geworden.

Auf dem Rückweg legen wir noch einen Stop beim Markt und dann beim Stadion ein, damit ich meinen, für den Brüsseler Flughafen notwendigen PCR-Covid-Test machen kann. Nur: So funktioniert das hier leider nicht. Wenn länger keiner kommt, machen die dort früher Feierabend. Dann fährt man zum staatlichen Gesundheitsbüro oder so. Dort versucht man an einen Arzt zu kommen, der seinen Feierabend unterbricht. Aufwändig. Für mich als Bayern war das der teuerste Covid-Test bislang. 

Gambia während Covid-Zeit

  • 1 von 100 trägt hier Maske, am Flughafen der Großteil, in der Bank auch viele
  • Tourismus existiert, ist aber stark eingeschränkt; (Halb-)Tagesausflüge nach Juffureh oder Makasutu umfassen deutlich weniger Leistungen als normalerweise, meist gibt es kein Essen.
  • Wer auf entspanntes Nachtleben, Strand, Märkte und leckeres westafrikanisches Essen steht, kann trotzdem kommen. Zumal man recht leicht mit den Einheimischen ins Gespräch kommt – es ist eher schwieriger, wieder rauszukommen.
  • Du findest hier sehr schnell neue Freunde – die natürlich deine Kohle wollen. Die aber recht offen und cool sind – und sich dann auch um dich kümmern.
  • Wer gerade keinen Job hat, fährt Taxi.
  • Die Einreise ist in diesen Zeiten vergleichsweise leicht [wenn man von den zigtausend Formularen absieht, die man für europäische (Transit-)Staaten benötigt], nur: mach den Covid-Test so früh wie erlaubt vor dem Rückflug und nicht kurz vor knapp – sonst wird’s teuer und umständlich!
  • An das gambische Englisch muss man sich erst gewöhnen. Beispielsweise bedeutet „gal“ Girl, mit Cassu sind Cashew-Nüsse gemeint, und das th haben wir in der Schule anders gelernt. Teils erschließt sich nur aus dem Kontext, was gemeint sein könnte, als dass man es heraushört.
  • Wer sich nicht in islamische Länder traut, kann beruhigt sein: In Gambia, obwohl größtenteils muslimisch, ist Religion kein nennenswerter Faktor. Muslime und Christen leben wir friedlich nebeneinander, die Menschen sind unabhängig von der Konfession sehr offen und tolerant. Der Islam ist hier auch recht gemäßigt, Kopftücher sind auch für Muslima nicht verpflichtend, Vollverschleierung sieht man fast gar nicht.
  • Warum gibt’s in Gambia eigentlich keine Schuhputzer? Die könnten sich eine goldene Nase verdienen. Es gibt praktisch nur Sandstraßen – und Fußgänger waten selbst an den Hauptverkehrsrouten durch Sand.

Wer mehr über das Thema Fliegen in Covid-Zeiten lesen möchte, klickt auf den Link.

Tipp: Wer seinen Flughafentransfer zum Hotel ganz entspannt im Vorfeld buchen möchte: Seyfo ist ein guter Fahrer, der einen fairen Preis macht und sich über weitere Fahrten freut.
Rechtlicher Hinweis: Alle Bilder dieses Beitrags sind vom Autor selbst und unterliegen dem Urheberrecht.

  • Grünmeerkatze
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  • fliegende Händlerin in Kololi
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  • Albino-Krokodil in Kachikally
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  • Kunta Kinteh Island
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  • Grünmeerkatze
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  • Temminck-Stummelaffe (Roter Colobusaffe)
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  • Temminck-Stummelaffe mit Baby
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  • Bild 8 / 17
  • lokaler Markt in Kololi
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  • Reste des Sklavenhalter-Mauern auf Kunta Kinteh Island
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  • Gefängniszelle auf Kuntah Kinteh Island
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  • Bild 12 / 17
  • Mit dem Paddelboot durch die Mangroven von Makasutu Forest
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  • Austern klammern sich in den Mangroven an Wurzeln
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  • Klebrig-süßes Baumharz im Makasutu Forest
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  • Rote Frucht im Makasutu Forest
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  • Dreibeiniger Stuhl in Gambia
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