DAS TÄFERTINGER SÜNDENREGISTER

Immer dem Schild nach
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BLICK ZURÜCK AUF EIN BESONDERES FREIZEITVERGNÜGEN

Als ich von Neusäß kommend nach Täfertingen fahre, fällt mir an der ersten Kreuzung rechts ein Schild auf, daß mich in Gedanken unwillkürlich ins Jahr 1967 zurückversetzt.

Das Freizeitangebot für Jugendliche war in den 60er Jahren nicht allzu üppig und der Aktionsradius mangels Elterntaxi sehr begrenzt. In die anderen Dörfer, die heute zur Stadt Neusäß gehören, kam man selten, denn dort gab es auch nicht viel mehr zu erleben, außer der Gefahr von den eingeborenen Rowdies verkloppt zu werden. Täfertingen war für uns Hainhofer Jungs eine echte Ausnahme. Am Wochenende radelten wir zu Dritt oder Viert zum Sportgelände, denn gleich daneben befand sich dieser moderne Minigolfplatz mit seinen 18 Bahnen. Wir fühlten uns wie echte Golfprofis, denn wir hatten unsere eigenen Schläger und Bälle dabei, die wir für eine Unsumme unseres gesparten Taschengelds in der „Sport-Ecke“ in Augsburg erstanden hatten und in einer Saison leisteten wir uns sogar eine Jahreskarte für unbegrenztes Einlochen mit möglichst wenig Schlägen. Dank der eigenen Ausrüstung und der vielen Übungsstunden brachten wir es auf recht achtbare Ergebnisse, doch an dieser Stelle meldet sich bei jedem Minigolfer das schlechte Gewissen.

Seien wir ehrlich: es gibt kaum jemanden, der beim Minigolf noch nie gemogelt hat! Diese verführerischen kleinen Wertungskarten, in die man höchst eigenverantwortlich seine Ergebnisse einträgt, sind ein persönliches Sündenregister! Ob Jung oder Alt, evangelisch oder katholisch, ob Männlein, Weiblein oder Divers … wer hat da nicht schon mal klammheimlich die 5 in eine 4 verwandelt und den einen oder anderen Schlag listig als „Probeschlag“ definiert oder schlichtweg „vergessen“? Bei der Verkündigung der Endergebnisse gab es denn oftmals erstaunte und ungläubige Gesichter unter den Mitspielern. Ich weiß nicht mehr, ob dieses Vergehen unter die damals gültige Beichtpflicht gefallen wäre. Falls ja, hätte man dem Herrn Pfarrer die eine oder andere Minigolf-Wertungskarte vor das vergitterte Fensterchen im Beichtstuhl halten können, wenn man beim Abarbeiten des Sündenkatalogs beim Gebot mit dem „Ablegen eines falschen Zeugnisses“ angelangt war. Heute sind diese kleinen Vergehen hoffentlich verjährt.

Ich fahre also gespannt dem Hinweisschild nach und stelle freudig fest, daß es die Täfertinger Minigolfanlage 2022 tatsächlich immer noch gibt. Nach der coronabedingten Zwangspause sieht es dort leider noch nicht sehr einladend wie auf einer Baustelle aus, aber es hängen Schilder mit den Öffnungszeiten aus und anscheinend kann man dort wieder dem Golfsport des Kleinen Mannes nachgehen. Sogar die Langnesetafel für das obligatorische Eis danach hängt noch am angestammten Platz neben dem Kassenfenster. Schade, daß heute keiner spielt, aber ich bin sicher, auf dem einen oder anderen Kärtchen würden nach den 18 Hindernissen wie zu allen Zeiten einige Schläge weniger notiert sein, als der Spieler tatsächlich dafür benötigt hat.

Bürgerreporter:in:

Helmut Weinl aus Neusäß

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