Virvon varvon – Finnische Osterbräuche
Kiiviniemi (Finnland) |
Der Artikel erschien in leicht abgewandeltere Form in der
TG-Aktuell, Vereinszeitung der TG-Leun, Ausgabe April 2009.
An Palmsonntag standen sie wieder vor der Tür, kleine Prinzessinnen als Hexchen verkleidet, in der Hand bunt geschmückten Weidenzweigen mit Kätzchen. Imker denken hier natürlich gleich an ihre Bienen, denen die ach so wichtige Frühjahrskost entzogen wird.
Das in der Volksschule Leun gelernte Verbot kam mir jedenfalls sofort in den Sinn, als ich vor vielen Jahren zum ersten Mal mit Osterhexen Bekanntschaft machte. Zum Glück gibt es hier oben genug Weiden und sehr viel weniger kleinen Hexen sodass für die Bienen immer genug Kraftnahrung vorhanden ist.
Die Sprecherin der Hexenschar fragt meist höfflich „Saako täällä virpoa?“ – „Dürfen wir hier ‚virpen’?“. Selten wird dem widersprochen, aber die höffliche Frage gehört zum Brauch. Als nächstes trägt die Truppe im Sprechgesang ein Gedicht vor, mal selbstsicher und laut, mal schüchtern und leise.
Es gibt mehrere solche Gedichte, aber meist hört man das folgende:
Virvon, varvon,
tuoreeks, terveeks,
tulevaks vuodeks.
Vitsa sulle
palkka mulle. Virvon, varvon,
Frische und Gesundheit
fürs kommende Jahr.
Ein Zweig für Dich,
eine Belohnung für mich.
Man bekommt einen der bunten Weidenzweige überreicht und erwartungsvolle Augen schauen einen an. Ein Körbchen, oder bei sehr optimistischen auch schon mal ein kleiner Sack, wird einem entgegen gehalten und dahinein legt man dann Süßigkeiten oder andere kleine Geschenke. Der Monetarismus hat auch hier Einzug gehalten, sodass klingende Münzen oft mit größerem Wohlgefallen entgegen genommen werden, als klebriger Zuckerkram. Das kann man dann auch oft aus den Kommentaren der abziehenden Hexenschar entnehmen. Die dem Brauch gebührende Höflichkeit beschränkt sich auf die Frage am Anfang der Zeremonie.
Wie alle Bräuche so hat auch dieser viele Wurzeln. Das Wort ‚virpoa’ kommt vom russischen ‚verboa’ und bedeutet ‚Weide’. ‚Verboa’ hat seinen Ursprung im lateinischen ‚verbanae’, welches wiederum für ‚heilige Zweige’ steht. Und damit sind wir dann auf Umwegen durch halb Europa beim Palmsonntag angekommen. Heilige Zweige waren schon im 6 Jh. Bestandteil der katholischen Osterzeremonien.
Weidenkätzchen waren die einzigen lebenden Zweige die hier im Norden zu Osterzeit zur Verfügung standen, um an die Palmzweige zu erinnern, die bei Jesus Einzug in Jerusalem seinen Weg zierten. Das Wort ‚kissapalmu’ – also ‚Kätzchenpalme’ – war einen gebräuchliche Bezeichnung für die Weide. Früher in Ost-Finnland, im Bereich der Orthodoxen Kirche wurden die heiligen Zweige am Samstag vor Palmsonntag gesegnet und das ‚virpominen’ fand nur am Sonntagmorgen statt und Belohnungen gab es erst an Ostern.
Aber auch aus heidnischer Zeit kennt man die Verwendung von frischen Zweigen besonders in Frühjahrsritualen. Auch im Finno-ugrischen Kulturkreis kennt man das symbolische Austreiben der bösen Geister durch peitschen und fuchteln mit grünen Zweigen. ‚Vitsa’ steht für Zweig, aber auch für Peitsche und in manchen Versen heisst es auch direkt ‚piiska’ – ‚Peitsche’.
Während und nach dem 2. Weltkrieg kamen Evakuierte aus östlichen Landesteilen ins übrige Finnland und der Brauch vermischte sich mit einer in Finnland und Schweden verwurzelten Tradition. Kinder, als Hexen und Trolle verkleidet, zogen hier zwischen Karfreitag und Ostersonntag durch die Strassen. Dies geht wiederum auf den alten Gedanken zurück, dass während Jesus im Grabe lag keiner böse Geister daran hindert die Leute heimzusuchen.
In Pohjanmaa (deutsch Ostbottnien) ist auch der Brauch Osterfeuer zu entzünden noch sehr lebendig. Auch hier vermischen sich heidnische Ursprünge mit späteren christlichen Elementen. Die Feuer brennen am Ostersamstag beziehungsweise in der Nacht zum Ostersonntag. Früher gab es einen strengen Kodex, der regelte, was in einem Osterfeuer verbrannt werden durfte. Im Gegensatz zum Sonnenwendfeuer wurde großen Wert auf starke Rauchentwicklung und Funkenflug gelegt - viel Stroh war unerlässlich. Man nahm an, dass die bösen Geister, Hexen und Trolle, die vor der Auferstehung keiner mehr zügeln konnte, durch Rauch und Funken am besten daran gehindert würden, die Menschen zu schädigen - aber davon vielleicht nächstes Jahr mehr.
Bürgerreporter:in:Erwin Fischer aus Leun |
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