Neubürger auf dem Vormarsch
Neophyten - Neozoen eine willkommene Bereicherung?
- Neozoen / Neophyten – eine Begriffserklärung
Neozoen sind Tiere und Neophyten Pflanzen, die seit dem Zeitpunkt der Entdeckung Amerikas (1492) in ein Gebiet gelangen, in dem sie nicht heimisch sind. Meist werden sie von Menschen gewollt (als Urlaubssouvenir) oder ungewollt (zum Beispiel im Ballastwasser von Schiffen) eingeschleppt. Hin und wieder passiert es dann, dass Zierpflanzen oder Tiere, die für den heimischen Bereich gedacht sind entweichen und ihr Glück in freier Natur versuchen. Ist dieser Prozess erfolgreich und existiert die Art mindestens 25 Jahren und/oder drei Generationen in einem Gebiet frei lebend, gilt sie als etabliert.
Nutztiere und –pflanzen zählen ebenso wenig zu den Neubürgern wie Zootiere. Auch Arten, die bereits in Gebieten ausgestorben waren und wieder angesiedelt werden, fallen nicht unter diesen Begriff. Der Luchs im Harz ist also ebenso wenig ein Neozoon wie der Strauß, dessen Fleisch als Rindersteakersatz dient, oder der Eisbär im Zoo. Waschbären, die nachts Mülleimer und Vogelnester räubern und deren Jungtiere durchs Unterholz deutscher Wälder streifen, erfüllen jedoch die „Einwanderungskriterien“ genauso wie die Halsbandsittiche, die in Schwärmen durch Köln zu ihrem Schlafbaum ziehen.
Paprika und Peperoni wiederum erfüllen nicht mal annähernd die Bedingungen zum Neophyten. Das Springkraut, das entlang deutscher Flüsse wächst und die riesigen Stauden des großen Bärenklau zeigen hingegen deutlich erfolgreiche Anpassungen an das Leben in der „wilden Natur“. Sie gelten daher als Neophyten.
- Beispiele für Neozoen
Der Waschbär (Procyon lotor)
Familie: Kleinbären (Procyonidae)
Der etwa fuchsgroße Waschbär erreicht eine Kopf-Rumpf-Länge von 40-70 cm. Besonders markantes Kennzeichen ist seine Zorro-Maske, die ihm den Spitznamen „Bandit“ eingebracht hat. Durch seine heimliche Lebensweise und die Tatsache, dass der Allesfresser gerne Nester ausräubert wird er dieser Bezeichnung durchaus gerecht.
1934 wurden Waschbären in Hessen ausgesetzt und entwischten etliche Male aus Zuchtfarmen in die freie Wildbahn. Ausgehend von diesen „Flüchtlingspopulationen“ hat sich der Waschbär mittlerweile über ganz Deutschland ausgebreitet. Er bevorzugt Laub- und Mischwälder und dort besonders die Nähe zu Wasser. Die Jagstrecke, die einen guten Hinweis für die Besatzzahlen darstellt, hat sich in den letzten 10 Jahren verneunfacht. Waren es im Jahr 1998/99 noch rund 6.000 Waschbären die zur Strecke kamen, waren es im Jagdjahr 2008/09 über 54.700.
Der Marderhund (Nyctereutes procyonides)
Familie: Hundeartige (Canidae )
Der Marderhund erreichte eine Kopf-Rumpf-Länge von 50-70 cm. Die Gesichtszeichnung erinnert an die des Waschbären jedoch ist der Bereich zwischen den Augen hell und nicht schwarz gefärbt.
1928 in die Sowjetunion verbracht, breitete er sich von dort aus kontinuierlich nach Westen aus. Heute ist der Marderhund auch in Deutschland weit verbreitet. Die Entwicklung der Jagdstrecke belegt dies deutlich. Kamen vor 10 Jahren rund 3.200 Marderhunde zur Strecke, waren es im vergangenen Jagdjahr mehr als 30.000.
Der Marderhund bewohnt vorzugsweise feuchte, unterholzreiche Laub- und Mischwälder, sowie sumpfige Wiesen mit Gebüschgruppen und Fluss- und Seeufer.
Problematisch ist, dass sowohl Waschbär als auch Marderhund gerne Nester ausplündern, was insbesondere bei Boden- und Höhlenbrütern zu bedrohlichen Bestandseinbußen führen kann.
Im Sinne des Erhalts der Artenvielfalt fordern auch internationale Artenschutzabkommen wie das 1992 in Rio de Janeiro getroffene Übereinkommen über die biologische Vielfalt und die Berner Konvention von 1999 eine strenge Kontrolle invasiver Arten.
Beispiele für Neophyten
Der Riesenbärenklau, auch Herkulesstaude genannt (Heracleum mantegazzianum)
Familie: Doldengewächse (Umbelliferae)
Der Riesenbärenklau ist eine gut zu identifizierende und beeindruckende Erscheinung auf Brachland sowie in Fluss- und Bachauen, denn mit einer Höhe von 3-5 Metern ist er einfach nicht zu übersehen. Bis zu einem halben Meter groß ist der Durchmesser der Blütendolden und die tief fiedergeteilten Blätter werden bis zu 3 Metern lang. Die Verbindung mit dem griechischen Sagenhelden Herkules liegt also wirklich nahe. Ebenso wie der Göttersohn ist die Pflanze leider auch ziemlich resistent gegen Vernichtungsversuche. Das Abstechen alleine reicht nicht, die Pflanze treibt immer wieder neu aus dem Wurzelstock aus. Die Samen sind sehr unempfindlich und das Ausbreitungspotential ist daher enorm.
Ursprünglich stammt die Herkulesstaude aus dem Kaukasus und kam über botanische und private Gärten schließlich in die freie Natur. Zunächst noch als Deckungspflanze für Wildtiere und Bienenweide gefördert, wird sie vielen Menschen langsam lästig. Ein Problem stellt vor allem der giftige Pflanzensaft dar, der bei Hautkontakt zu Rötungen, Schwellungen und Blasenbildung führt. Besonders im Zusammenwirken mit Sonnenlicht kommt es durch die im Pflanzensaft enthaltenen Substanzen (Furanocumarine) zu phototoxische Reaktion. Zum Entfernen des Bärenklau ist Schutzkleidung unbedingt nötig.
Das drüsige/japanische Springkraut (Impatiens glandulifera)
Familie der Springkrautgewächse (Balsaminaceae)
Ihren Namen hat die einjährige bis zu 2 m hohe Pflanze wegen ihrer Fruchtkapseln erhalten, deren Klappen bei der Reife aufspringen und die Samen bis zu 7 m weit in die Umgebung schleudern. Der Beiname Drüsig bezieht sich auf die unangenehm riechenden Drüsen am Blattstiel und Blattgrund.
Das Springkraut liebt feuchte und nasse Standorte mit hohem Grundwasserstand und säumt mittlerweile große Strecken an Fluss- und Bachufern. Solche Monokulturen führen zu Problemen, da durch das Absterben der Pflanzen bei Frostperioden mit einem Schlag große Uferteile nicht mehr erosionsgeschützt sind. Ursprünglich stammt die Pflanze aus dem westlichen Himalaja und wurde ab 1839 in europäischen Gärten kultiviert.
Verbreitung von Tier und Pflanzenarten - Teil des natürlichen Evolutionsprozess
Tiere und Pflanzen haben sich schon immer über größere Entfernungen ausgebreitet. Ohne den Finkenschwarm, der auf die Galapagosinseln verschlagen wurde, hätte sich dort nie eine so einzigartige Vogelwelt ausbilden können. Und ob Darwin zu seinen Erkenntnissen gelangt wäre scheint fraglich. Der Mensch hat diese natürlich Ausbreitung von jeher beschleunigt. Die römischen Kolonisatoren trugen dabei ebenso zur Verbreitung und Einwanderung neuer Arten bei, wie der rege Austausch unter mittelalterlichen Klostergärten. Die Entdeckung Amerikas gab dem weltweiten Pflanzen- und Tiertransport dann eine ganz neue Dimension und wurde daher als Definitionsstichjahr gewählt.
Fortschreitende Globalisierung und ein Abenteuer-Tourismus, an immer entlegenere Orte, heizen die Organismenverbreitung rund um den Erdball weiter an. Experten sind noch uneins, ob und wie man sich gegen die Zuzügler zur Wehr setzen muss. In den meisten Fällen löst sich das Problem mit den Einwanderern jedoch von selbst. Kein Neuankömmling findet am neuen Ort exakt die gleichen Umweltbedingungen vor wie in der Heimat. Meist fehlt die nötige Anpassungsfähigkeit und die Art ist nicht überlebensfähig. Die wenigen, die es schaffen, sind dafür oft umso robuster. djv
Bürgerreporter:in:Karl-Heinz Huber aus Langenfeld |
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