Fototipps: Ein unscharfer Vordergrund gibt Porträts Tiefe

Normal ist wohl meistens das: Fotografieren wir ein Porträt, positionieren wir unser Model möglichst vor einem neutralen Hintergrund, sehen zu, dass der Kopf ganz im Sucher zu sehen ist, das Licht stimmt und drücken dann entschlossen den Auslöser. Meistens ist dabei die Blende des Objektivs auch eher mehr geschlossen. Fotografen alter Schule haben noch den Lehrsatz im Ohr, dass erst nach dem Abblenden um zwei Blendenstufen ein Objektiv seine beste Leistung offenbart. Außerdem kann ein bisschen Abblenden nichts schaden, es erhöht die Schärfentiefe. Die Gefahr, dass sich das Model vielleicht etwas bewegt und dadurch vor allem seine Augen aus dem Schärfenbereich geraten, wird zumindest ein bisschen minimiert. Außerdem werden - ist der Schärfenbereich groß genug - kleine Patzer bei der präzisen Fokussierung nicht sofort unbarmherzig mit fotografischem Ausschuss bestraft.

Bei einem „Outdoor-Shooting“ – wie Fotografen Neudeutsch das Fotografieren außerhalb des eigenen Wohnzimmers oder Studios nennen (klingt doch ziemlich professionell) - wird man dann doch oft gezwungen, widerwillig aufzublenden und eine geringere Schärfentiefe in Kauf zu nehmen. Nicht unbedingt, weil sonst das Licht nicht reicht und wir mit Verschlusszeiten aus freier Hand oder mit hohen rauschbehafteten ISO-Werten Probleme bekommen. Draußen vor der Tür lässt sich nicht immer ein passender neutraler Hintergrund finden. Mit Aufblenden und dem Fokussiren nur auf unser Porträtmodel (möglichst dabei auf beide Augen scharfstellen) schaffen wir es, den sonst vielleicht doch etwas störenden Hintergrund in Unschärfe aufzulösen.

Nach so langer Vorrede nun endlich der heutige Fototipp. Holen wir beim Porträtieren besondere Effekte ins Bild. Dazu müssen wir mit möglichst offener Blende arbeiten. Und wir platzieren zusätzlich etwas im Vordergrund unseres geplanten Bildes. Dieses "etwas" befindet sich allerdings dank der durch die geöffnete Blende nicht mehr im Schärfenbereich und wird dadurch mehr oder weniger unscharf. Im Idealfall bekommen wir ein klasse Bokeh, welches das Gesicht des Porträtierten einrahmt und der ganzen Aufnahme Tiefe verleiht.

Vielleicht sind von der Weihnachtsdekoration noch kleine Lichterketten mit LED-Lämpchen vorhanden. Geschickte Bastler können sie nun rund um das Objektiv befestigten, so dass man quasi wie durch einen Tunnel das Modell fotografiert. Die Lichter bilden dann unscharfe Lichtkreise, die bei richtiger Drapierung das Foto interessanter machen. Ist man kein guter Bastler, sollte ein Assistent oder eine Assistentin mit ruhiger Hand bereitstehen, um die Lichterkette ins Objektiv zu halten. Es müssen aber nicht unbedingt Weihnachts-LEDs sein. Beispielsweise kann eine glänzende Perlenkette direkt vor der Frontlinse ebenfalls  interessante Effekte hervorrufen.

Das Beispielsfoto zu diesem Beitrag entstand jetzt nicht zu Hause, sondern draußen in einem Park. Wer hier durch die Zweige einer Pflanze fotografiert, kann etwa mit Blättern einen unscharfen Vordergrund erzeugen, durch die unser Model „beobachtet“ wird. Im Fall des Beispielsfotos lockten Blüten und boten sich an, den hübschen Gesicht unseres Models einen schönen Rahmen zu geben. Das hatte zudem den Vorteil, dass man als Fotograf keine dritte Hand oder eine Hilfskraft zum Halten benötigte. Der Busch streckte seine blütentragenden Zweige von ganz allein in die Gegend.

Noch ein Satz zum Objektiv. Mit kurzen Weitwinkelbrennweiten kommen wir nicht allzu weit. Teleobjektive oder die Teleeinstellung am Zoomobjektiv sind für derartige Effekte eher zu empfehlen.

Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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