Von Straßenfotografie und Mieterzeitschriften: Neue Urteile zum Fotorecht
Thema Fotorecht: Es gibt wieder einige interessante neue Gerichtsurteile, die für Fotografen von Bedeutung sind. Die Entscheidungen umfassen natürlich immer nur Teilaspekte der vielfältigen rechtlichen Probleme, die sich uns stellen (Jedenfalls allen, die mit der Kamera unterwegs sind und ihre Aufnahmen dann - und sei es bei myHeimat - einem größeren Betrachterkreis zugänglich machen). Jeder, der sich grundlegend mit den Fragen beschäftigen möchte, sei auf die ersten Folgen meiner Serie zum Fotorecht verwiesen. Hier will ich jetzt auf einige neue aktuelle Entscheidungen hinweisen.
Werden unsere Bilder veröffentlicht, können wir Fotografen grundsätzlich verlangen, dass unser Name genannt wird. Schließlich ist der Abdruck eines Bildes ja auch eine gewisse Werbung für uns. Manchmal liegt da - gerade wenn es um Bilder im Rahmen von Pressemitteilungen geht - bei den Zeitungsmedien aber vieles im Argen. Im Raum Hannover etwa verwendet ein großer hier ansässiger Medienkonzern bei einigen seiner gedruckten Produkte zwar gerne auch mal solche Fotos (als Pressereferent eines Vereins oder einer Gruppe kann man sich dann auf die Schulter klopfen - „hat mal wieder geklappt mit der Pressearbeit“), lässt aber trotz entsprechender Hinweise konsequent den Namen des Fotografen weg. Nicht ganz die feine Art, aber als Pressereferent ist man natürlich in der Zwickmühle. Legt man sich mit der Redaktion an, dürfte dies zu einer Eiszeit in den Beziehungen führen, die einem Abdruck weitere Pressemitteilungen eher hinderlich wäre.
Nicht ganz so viel Rücksichtnahme brauchte ein Fotograf nehmen, der vor dem Amtsgericht Kassel erfolgreich auf Schadensersatz wegen unterlassener Urheberbenennung klagte (Urteil vom 17. Juni 2014 - Az. 410 C 300/13 -). Er hatte Lichtbilder an die Beklagte verkauft und sich dabei sogar noch ausdrücklich ausbedungen, bei einer Veröffentlichung als Urheber genannt zu werden. Anfang 2012 stellte der Fotograf aber fest, dass die Beklagte seine Fotos ohne Urheberbenennung auf ihrer Internet-Seite veröffentlicht hatte.
Unser Fotograf rief erfolgreich das Gericht an. Der zuständige Amtsrichter in Kassel entschied: „Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 97 Urhebergesetz (UrhG) i.V.m. § 13 S. 2 UrhG. Gemäß § 13 Satz. 2 UrhG hat jeder Urheber das Recht, als solcher bei der Benutzung seines Werkes genannt zu werden. Wie diese Nennung zu erfolgen hat, hängt von der Art und Weise des betroffenen Werkes ab. Maßgeblich können auch Verkehrsgepflogenheiten oder Branchenübungen seien. Bei Fotografien entspricht es der Verkehrsübung, den Urheber in engem räumlichen Zusammenhang namentlich zu nennen, etwa in Form einer Bildunterschrift Für einen etwaigen Verzicht des Klägers auf sein Urheberbenennungsrecht sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Insbesondere liegt in der entgeltlichen Einräumung einer Nutzungsberechtigung wie vorliegend geschehen regelmäßig kein solcher Verzicht. Denn insoweit ist Schutzgut nicht die ökonomische Verwertung des Werkes, sondern das Urheberpersönlichkeitsrecht, welches dazu führt, dass der Urheber auch dann zu nennen ist, wenn er sich vertraglich der Verwertungsrechte an seinem Werk entledigt hat. Denn das Urheberpersönlichkeitsrecht geht nicht aufgrund einer vertraglichen Abrede unter.“
Die Pflicht zur Nennung des Fotografen ist dabei nicht nur eine reine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung letztendlich folgenlos bleibt. Im Urteil heißt es weiter: „Die Konsequenz der Verletzung dieses Rechts führt zu einem Schadenersatzanspruch des Klägers als Urheber, weil damit nicht nur sein Urheberpersönlichkeitsrecht eingeschränkt wurde, sondern auch die Vermutungswirkung des § 10 Abs. 1 UrhG ausgehebelt ist. Dieser Schadensersatzanspruch wird typischerweise mit einem Betrag in Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühren bemessen, dem so genannten hundertprozentigen Verletzerzuschlag. Das Gericht hat im vorliegenden Verfahren keinen Anlass, von diesem Ansatz abzuweichen. Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass hier eine atypische Fallkonstellation vorliegt, die einen niedrigeren Satz gebietet, etwa im Falle von e-bay-Anzeigen.“ Das Ergebnis: Der Kläger hatte die Bilder für 620 Euro verkauft, diesen Betrag setzte das Gericht auch als Lizenzgebühr an; der Schadenersatz beläuft sich nun auf das Doppelte. Das war eine ziemlich kostspielige Entscheidung, den Namen wegzulassen.
Das Urteil des Landgerichts (LG) Berlin vom 3. Juni 2014 - Az. 27 O 56/14 - dürfte vor allem die Fotofreunde unter uns interessieren, die sich mit der sogenannten Straßenfotografie, oft auch Neudeutsch „Streetfotografie“ genannt, interessieren.
Das Berliner Landgericht kam zu dem Schluss, dass eine Veröffentlichung (hier in Form einer Fotoausstellung) eines Straßenfotos mit der Klägerin im Bild rechtswidrig war. Die Beklagte hatte allerdings Glück im Unglück. Das Gericht verneinte einen Schadensersatzanspruch. Teuer wurde es für die Beklagte trotzdem. Sie muss nicht nur anteilige Gerichtsgebühren bezahlen, sondern auch die Abmahnkosten des Anwaltes. Was war geschehen?
Die Beklagte organisierte eine für jedermann frei zugängliche, unentgeltliche Open-Air-Fotoausstellung. Dabei wurde auch ein Bild mit einer Straßenszene gezeigt, auf der die Klägerin abgebildet war. Schadenersatz wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechtes gab es in diesem Fall aber nicht. Nach der Rechtsprechung kommt nämlich eine Geldentschädigung zum Ausgleich für erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzungen nur dann in Betracht, wenn es sich um eine schwerwiegende Verletzung handelt und wenn sich die erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgleichen lässt. Die Berliner Richter sahen in dem Straßenbild aber keine schwere Verletzung. „Weder von dem Foto selbst noch von dessen konkreter Einbettung in die Straßenszene geht eine soziale Prangerwirkung für die Klägerin aus. Die streitgegenständliche Abbildung zeigt die Klägerin lediglich in einer gewöhnlichen Alltagssituation. Sie geht tagsüber auf einer Straße. Im Hintergrund ist ein neben anderen Gebäuden ein Leihhaus zu sehen. Die Klägerin trägt normale Kleidung. Durch die Darstellung selbst entsteht kein negativer Eindruck von der Klägerin. Insbesondere entsteht nicht der Eindruck, sie komme gerade aus dem Leihhaus. Die Klägerin ist so abgebildet, wie sie sich im öffentlichen Straßenraum bewegt. Für eine bewusst unvorteilhafte Darstellung oder eine Verfälschung ihres Bildnisses ist weder etwas ersichtlich noch dargetan“, heißt es in dem Urteil. Auch zur Abschreckung bedurfte es nach Ansicht der Richter keiner Geldzahlung. „Indem die Beklagten der Abmahnung der Klägerin umgehend nachgekommen sind und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben haben, haben sie im konkreten Fall zu erkennen gegeben, dass sie sich über die Grenzen einer zulässigen Bildnisveröffentlichung grundsätzlich nicht hinwegsetzen wollen und es vorliegend auch unter dem Gesichtspunkt der Prävention, der auch nur bei hartnäckigen und vorsätzlichen Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Bedeutung ist (vgl. OLG München AfP 2001, 135), nicht der Zuerkennung einer Entschädigung in Geld bedarf.“
Achtung: Diese Entscheidung würde ich nicht als Freibrief verstehen. Denn was eine nur „leichte“ und was schon eine „schwere“ Verletzung des Persönlichkeitsrechtes ist, dürfte beinahe jeder Richter etwas anders sehen. Wie heißt es so schön: "Vor Gericht und auf hoher See ist man nur in Gottes Hand."
In diesem Fall prüfte das Gericht übrigens auch, ob nicht die Freiheit der Kunst - schließlich ist Streetfotografie eine Kunstrichtung - die Bildveröffentlichung rechtfertigt und das Persönlichkeitsrecht der Klägerin aushebelt.
Die Ausführungen hierzu finde ich besonders interessant. Die Urteilspassage soll deshalb ungekürzt wieder gegeben werden „Die Kunstfreiheit zieht dem Persönlichkeitsrecht Grenzen“, stellt das LG Berlin fest und weiter: „Das gilt im Verhältnis von Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht auch deshalb, weil die Durchsetzung dieses Rechts gegenüber der Kunstfreiheit stärker als andere gegenüber einem Kunstwerk geltend gemachte private Rechte geeignet ist, der künstlerischen Freiheit inhaltliche Grenzen zu setzen. Insbesondere besteht die Gefahr, dass unter Berufung auf das Persönlichkeitsrecht öffentliche Kritik und die Diskussion von für die Öffentlichkeit und Gesellschaft wichtigen Themen unterbunden werden. Um diese Grenzen im konkreten Fall zu bestimmen, genügt es daher im gerichtlichen Verfahren nicht, ohne Berücksichtigung der Kunstfreiheit eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts festzustellen. Steht im Streitfall fest, dass in Ausübung der Kunstfreiheit durch schriftstellerische Tätigkeit das Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigt wird, ist bei der Entscheidung über den auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestützten zivilrechtlichen Abwehranspruch der Kunstfreiheit angemessen Rechnung zu tragen. Es bedarf daher der Klärung, ob diese Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurückzutreten hat. Eine geringfügige Beeinträchtigung oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung reichen hierzu angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit nicht aus. Lässt sich freilich eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zweifelsfrei feststellen, so kann sie auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden (BVerfG, 1 BvR 1783/05 v. 13.06.2007, juris Rdz. 79 f.). Vorliegend ist die Klägerin in ihrem Persönlichkeitsrecht hinreichend schwerwiegend beeinträchtigt, auch wenn diese Beeinträchtigung für die Zuerkennung einer Geldentschädigung nicht ausreicht. Die Verbreitung des Bildnisses der Klägerin stellt hier einen erheblichen Eingriff in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht bzw. ihr Recht am eigenen Bild dar, der entgegen der Auffassung der Beklagten die Privatsphäre und nicht die Sozialsphäre der Klägerin betrifft. Die Privatsphäre umfasst sowohl in räumlicher als auch in thematischer Hinsicht den Bereich, zu dem andere grundsätzlich nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird (vgl. BGH v. 20.12.2011, VI ZR 261/10, juris Rn. 16). Die Klägerin befand sich zwar bei der Anfertigung der Aufnahme im öffentlichen Straßenraum, jedoch bei einem offensichtlich rein privatem Lebensvorgang ohne Öffentlichkeitsbezug. Die Verrichtung erkennbar privater Lebensvorgänge in der Öffentlichkeit ist aber nach der Rechtsprechung des BGH auch dann Teil der geschützten Privatsphäre, wenn der Betroffene gewärtigen muss, unter Beobachtung der Medien zu stehen. Denn es würde eine erhebliche Einschränkung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit darstellen, wenn jeder, der einer breiteren Öffentlichkeit bekannt ist, sich in der Öffentlichkeit nicht unbefangen bewegen könnte, weil er auch bei privaten Gelegenheiten jederzeit widerspruchslos fotografiert und mit solchen Fotos zum Gegenstand einer Berichterstattung gemacht werden dürfte (BGH v. 17.2.2009, VI ZR 75/08, juris Rn. 13). Insoweit besteht hier auch kein Unterschied zu dem vom BGH entschiedenen Fall, da es an der Privatheit des Lebensvorgangs nichts ändert, ob die Betroffene mit neuem Lebensgefährten durch Paris oder allein durch Berlin bummelt. Entsprechendes muss für eine der breiten Öffentlichkeit völlig unbekannte Person wie die Klägerin gelten. Sie wurde über mehrere Wochen hinweg gegen ihren Willen auf einer viel befahrenen Straße überlebensgroß auf einem Plakat der Öffentlichkeit präsentiert und so aus ihrer Anonymität herausgerissen. Die Klägerin hat nachvollziehbar dargetan, dass sie es als peinlich empfunden hat, einer breiten Öffentlichkeit auf diese Art und Weise vorgeführt zu werden. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass im Bekannten- bzw. Freundeskreis der Eindruck entstehen konnte, die Klägerin habe sich gegen Vergütung für die Abbildung zur Verfügung gestellt. Das Recht der Klägerin, nicht für die Ausstellung der Beklagten herhalten zu müssen, überwiegt daher das Recht auf Kunstfreiheit, da überwiegende berechtigte Interessen der Klägerin im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG anzuerkennen sind.“
Die Richter prüften dann noch etwaige Bereicherungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte, verneinten aber auch dies. Zwar zeigt, wer das Bildnis eines Dritten unberechtigt für kommerzielle Zwecke ausnutzt, dass er ihm einen wirtschaftlichen Wert beimisst. An der damit geschaffenen vermögensrechtlichen Zuordnung muss sich der Verletzer festhalten lassen und einen der Nutzung entsprechenden Wertersatz leisten. Hier hat die Beklagte das Bild aber gerade nicht für Werbezwecke oder sonst wie kommerziell genutzt.
Nicht ganz so glimpflich ging hingegen für den Kläger, dessen Bildnis in einer Mieterzeitschrift eines Wohnungsbauunternehmens veröffentlicht worden war, der Prozess aus. Seine Klage wurde in letzter Instanz vom Bundesgerichtshof (BGH) abgewiesen. „Teilnehmer an einem Mieterfest einer Wohnungsbaugenossenschaft haben gegen diese keinen Anspruch auf Unterlassung, Geldentschädigung und auf Erstattung von Abmahnkosten wegen einer ohne ihre Einwilligung erfolgten Veröffentlichung eines Fotos, das sie auf dem Mieterfest zeigt, in einem an die Mieter gerichteten Informationsbrief“, stellte der BGH in seinem Urteil vom 4. April 2014 fest (Az.: VI ZR 197/13). Denn, so die obersten Bundesrichter, derartige Bilder seien dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und berechtigte Interessen der wurden Abgebildeten nicht verletzt (§ 23 Abs. 2 KUG). Das Urteil: „Das Mieterfest war ein Ereignis von lokaler gesellschaftlicher Bedeutung. Die Informationsbroschüre der Wohnungsbaugenossenschaft, in der über das Fest berichtet wurde, war an ihre Mieter gerichtet, also an den (beschränkten) Personenkreis, der üblicherweise an dem Fest teilnahm und entsprechend der Ankündigung eingeladen war, im Folgejahr teilzunehmen. Das Recht, über solche zeitgeschichtlichen Ereignisse aus dem gesellschaftlichen Bereich zu berichten, steht grundsätzlich auch der Wohnungsbaugenossenschaft zu, wenn sie eine Informationsbroschüre herausgibt; denn auch eine solche Broschüre gehört zu den Medien. Sie kann sich unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auf ein schützenswertes Interesse berufen, ihre Genossenschaftsmieter im Bild über den Ablauf und die Atmosphäre der Veranstaltung zu informieren.“ Zudem, so der BGH weiter, standen der Verbreitung des beanstandeten Bildnisses auch keine besonderen schützenswerten Interessen der Abgebildeten entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG). Das Bild war nach Meinung der Richter in keiner Weise unvorteilhaft oder ehrverletzend.
Bürgerreporter:in:Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld |
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