Fotorecht
Kunstfreiheit versus Persönlichkeitsrecht

Es geht wieder einmal um das Abbilden von Personen auf einem Foto. | Foto: Jens Schade
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Im Rahmen der Serie „Fotorecht“ geht es heute um eine gerichtliche Entscheidung, die erst einmal gar keine Beziehung zur Fotografie hat. Denn der Rechtsstreit drehte sich um eine auf T-Shirts gedruckte Abbildung eines Linolschnittes. Dieser Linolschnitt zeigte das von einer Künstlerin hergestellte Porträt einer Frau, die erst vor dem Landgerichts Görlitz und dann vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden gegen die Herstellung und den Verkauf von besagten T-Shirts mit „ihrem Bildnis“ juristisch vorging. Doch das OLG Dresden machte in seiner Entscheidung einige interessante Ausführungen, die sich auch auf die Fotografie übertragen lassen. Schließlich unterscheidet sich ein fotografisches Bildnis von einem gezeichneten (oder wie hier in Linoleum geschnittenen) Porträt nur durch seine andere technische Herstellungsart.

Die Klägerin berief sich zum einen auf „Datenschutz“ und zum anderen auf die Vorschrift des § 22 Kunsturhebergesetz (KUG). Das KUG war mit seinen §§ 22 und 23 für Fotografen schon lange vor dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eine wichtige Vorschrift. Denn dort ist das grundsätzliche Verbot, Abbildungen von Personen gegen den Willen der Abgebildeten zu veröffentlichen, gesetzlich fixiert – und daneben die Ausnahmen, nach denen es dann auch ohne Einwilligung doch wieder erlaubt ist. Und viele gewichtige juristische Stimmen sehen diese Bestimmungen des KUG auch als Ausnahmeregelungen gegenüber der DSGVO an. Doch das ist nicht das Thema dieses Beitrags.

Das OLG Dresden hat zwei wichtige Aussagen getroffen, die sich so auf alle künstlerischen Abbildungen von Personen – egal ob gemalt, gezeichnet oder fotografiert – übertragen lassen.

Aussage Nr. 1: Auch die Verwendung eines mit individuellen künstlerischen Mitteln erstellten Bildnisses zu kommerziellen Zwecken kann eine Datenverarbeitung nach der DSGVO darstellen, „sofern aufgrund einer Gesamtschau der für die Identifizierbarkeit geeigneten Daten Rückschlüsse auf die darin verkörperte natürliche Person möglich sind.“ Aber: die Anforderungen an die Erkennbarkeit der abgebildeten Person sind im Datenschutz wesentlich strenger als nach dem KUG. Im Datenschutzrecht (wie fast alles in der Juristerei gibt es hier verschiedene Theorien, die umstritten sind) dürfte es auf die realistischen Möglichkeit einer Identifizierung des Abgebildeten durch Dritte im Rahmen einer Gesamtschau der für die Identifizierbarkeit geeigneten Daten ankommen. Hingegen stellt § 22 KUG nach der Rechtsprechung demgegenüber zu Gunsten des Anonymitätsinteresses des Betroffenen nur sehr geringe Anforderungen an die Erkennbarkeit.

„Und?“, wird jetzt der eine oder andere fragen, „ist es nicht egal, nach welcher Vorschrift die Wiedergabe eines Bildnisses verboten ist?“ Richter müssen aber alle geltend gemachten Anspruchsgrundlagen prüfen und nacheinander „abhaken“. Für diesen Beitrag zum Thema Fotorecht sollte auch nur deutlich gemacht werden, dass man ein Verbot nach dem KUG nicht ohne weiteres in Verfahren nach dem Datenschutzrecht übertragen kann.

Gewichtiger ist – und das war für mich auch Anlass, diesen Artikel zu schreiben – die Aussage Nr. 2 . Denn nachdem die Richter zumindest eine Erkennbarkeit der abgebildeten Person (d.h., der Klägerin) nach § 22 KUG bejaht haben, stellte sich die Frage, ob nicht Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG eingreifen, die eine Veröffentlichung dann doch erlauben. Und hier wird es jetzt ganz spannend.

Obwohl es ja um den kommerziellen Verkauf jener Shirts ging, brachten die Richter nun Art 5 Abs. 3 des Grundgesetzes ins Gespräch. In dieser Verfassungsregelung wird die Freiheit der Kunst durch den Staat garantiert. Der entscheidende Satz in dem Urteil: „ Die Verwendung des Linolschnitts mit dem Bildnis der Klägerin für den Druck der vom Beklagte über sein Modelabel vertriebenen T-Shirts dient neben den vom Beklagten verfolgten wirtschaftlichen Interessen auch einem höheren Interesse der Kunst, § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG. Dieses Erfordernis ist dann erfüllt, wenn die Verwendung des Bildnisses zu einem der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unterfallenden Zweck erfolgt.“

Das bedeutet: Die Kunstfreiheit kann auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines gegen seinen Willen abgebildeten Menschen in seine Schranken verweisen, so dass dieser die Veröffentlichung seines Bildnisses – selbst zu kommerziellen Zwecken – hinnehmen muss. Das alles ist natürlich immer eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall, eine Garantie vor Gericht in jedem Fall zu obsiegen, gibt es nicht. Doch das Urteil zeigt, dass man sich als Fotograf nicht immer gleich ins Bockshorn jagen lassen sollte. Die Freiheit der Kunst ist ein scharfes Schwert und Schild.

(OLG Dresden, Urteil vom 4. April 2023 - 4 U 1486/22)

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Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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