Fototipps: Wenn Majoretten mit Leuchtstäben tanzen
Seit dem 11.11. ist wieder die fünfte Jahreszeit angebrochen. Und zu den beliebten Tanzauftritten der Karnevalsvereine zählen dabei Vorführungen im Dunkeln mit leuchtenden Majorettenstäben. Wenn die Mädchen damit über die Bühne wirbeln, ist es eine Augenweide. Zuschauen und genießen ist einfach, nicht ganz ohne Herausforderung ist jedoch der Versuch, das Ganze ansprechend im Foto festzuhalten. Als ich zu Beginn dieses Jahres auf einer Prunksitzung mit dem Blitz arbeitete, wurde ein neben mir stehender Fotograf, der das Ganze versuchte, hauptberuflich für die Presse im Bild festzuhalten, ziemlich unwirsch. Blitzlich würde stören, meinte er, um belehrend hinzuzufügen: „Das mit dem Blitz bring doch eh‘ nichts!“ „Tut es doch“, antwortete ich, „wenn man’s kann.“
Diese Antwort war sicherlich nicht der Anfang einer langen und tiefen Freundschaft. Und, so muss ich doch zerknirscht einräumen, sie war eigentlich auch nur die halbe Wahrheit. Denn Können allein tut es leider doch nicht, man braucht daneben auch noch eine gehörige Portion Glück. Warum ist das so?
Entgegen der Ansicht des „Kollegen“ von der Presse (er wird sicherlich bei der Verbindung von „MyHeimat“ und „Kollege“ nur die Nase rümpfen) hatte ich nicht einfach alles dem Aufsteckblitz und der kamerainternen TTL-Automatik überlassen. Das Ergebnis wäre in der Tat ein „totgeblitztes“ Foto, dass von der Atmosphäre eines Majorettentanzes mit Leuchtstäben nichts, aber auch gar nichts, im Bilde konserviert hätte. Wie muss stattdessen eine brauchbare Aufnahme erstellt werden?
Einerseits sollte mindestens eine Tänzerin relativ scharf abgebildet sein, andererseits aber wollen wir natürlich auch die Lichtwirbel und –spuren, die ja im Standbild die Bewegung symbolisieren, festhalten. Um Spuren abzubilden, muss die Belichtungszeit entsprechend lang sein, um eine Tänzerin, die sich ja zudem noch schnell bewegt, scharf abzulichten, muss die Belichtungszeit ziemlich kurz sein. Wer jetzt auf die Idee komm, einfach zwei Aufnahmen zu machen, einmal mit Blitz und einmal mit längerer Verschlusszeit, um das Ganze zu Hause dann später in Photoshop und Co. am Computer zu einem Bild zusammen zu basteln, dem wünsche ich viel Glück. Mir jedenfalls ist das noch nie so recht gelungen (liegt vielleicht daran, dass ich kein Photoshop-Guru bin). Aber im Prinzip ist die Idee schon einmal ganz richtig. Wir müssen zwei Belichtungen in einem Bild vereinen.
Man wähle eine lange Belichtungszeit, sagen wir, 1/10 sec und lösen gleichzeitig das Blitzgerät aus (ob man jetzt die Kamera auf den ersten und den letzten Verschlussvorhang einstellt, sollte ausprobiert werden). Wir haben nun praktisch zwei Aufnahmen in einem Bild, also eine Doppelbelichtung, die Langzeitbelichtung und die Blitzaufnahme, die je nach Leuchtdauer des Blitzes sehr kurz ist.
Jetzt beginnen die Unwägbarkeiten und Fortuna ist gefordert. Zwei völlig unterschiedliche Lichtquellen treffen zusammen. Da sind das schwache Raum- und Scheinwerferlicht mit wahrscheinlich ziemlich warmen Farben und zum anderen das „kalte“ Blitzlicht. Beide Lichtquellen müssen harmonisch kombiniert werden.
Zu bedenken ist zudem: das Blitzlicht sollte nur die Tänzerin erfassen und nicht etwa auch den Rest der Bühne. Verwendet man in Anbetracht der zumeist großen Bühnen nur einen Amateurblitz mit von Haus aus schwacher Leistung, ist das jedenfalls kein großes Problem. Trotz Amateurstatus des Gerätes sollte es aber in der Leistung etwas zurückschraubbar sein. Denn unsere Tänzerin wird ja nicht nur vom Blitz angestrahlt, sondern auch von der (zwar abgedunkelten, aber dennoch vorhandenen) Raumbeleuchtung mehr oder weniger erhellt. Da, wo beiden Lichtquellen zusammen treffen, besteht die Gefahr, dass das Licht addiert wird und eine Überbelichtung erfolgt. Um das zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Blitz etwas zurückzunehmen. Welche Zeiten und Blitzeinstellungen ideal sind, lässt sich allerdings nur ausprobieren.
Und so kommt endgültig das Glück ins Spiel. Wenn man über keine Erfahrungswerte verfügt, muss man für einen guten Treffen wahrscheinlich viele Probeaufnahmen machen. Das nervt nicht nur den neben einen stehenden Fotografen aus der professionellen Liga, sondern irgendwann auch die anderen Zuschauer, überdies ist im Zweifel der Tanz beendet, bevor die richtige Einstellung gefunden wurde. Außerdem: bei den heutigen Darbietungen ist es ja nicht einheitlich dunkel bzw. mäßig erleuchtet. Zumeist ist eine Lichtshow mit eingebunden. Scheinwerfer und farbigen Leuchten blitzen auf, schwenken über die Bühne und verlöschen wieder. Eine Einstellung, die eben noch passend war, kann im nächsten Moment völlig daneben liegen. Unendliche Möglichkeiten für Fehlschüsse, wenig Chancen für ein gutes Bild. Klappt es also nicht beim zweiten oder dritten Mal, dann sollte man es lieber sein lassen und es bei einem anderen Auftritt noch einmal versuchen.
Weiter im Horroszenario: Die Bühnendeko, der Elferatstisch, sie alle werden nur vom Kunstlicht mehr oder weniger erleuchtet. Und sie bewegen sich in der Regel nicht. Das bedeutet, verwischte Spuren durch einen Verwackler sind bei den Hintergrundobjekten absolut unerwünscht. Wir brauchen aber lange Belichtungszeiten, um die Wischspuren der bewegten Majorettenstäbe aufzunehmen. Nun könnte dieses Problem mit einer Kamera auf einem gewichtigen Dreibeinstativ aus der Welt geschafft werden. Allein die Vorstellung, mit so einem sperrigen Apparat sich durch enge Stuhlreihen oder im schmalen Raum vor der Bühne schnell zu bewegen, lässt indes erhebliche Zweifel an der praktischen Verwirklichung entstehen. Mit etwas Glück ist am idealen Aufnahmestandort aber etwas vorhanden, worauf die Kamera aufgelegt oder abgestützt werden kann, um zumindest eine gewisse Stabilität zu erreichen. Ein Einbeinstativ lässt sich möglicherweise auch einsetzen und könnte hilfreich sein.
Soweit zu den rein technischen Schwierigkeiten. Ein Bild ist aber nur gut, wenn auch die dargestellten Tänzerinnen und ihre Leuchtspuren optimal dargestellt werden. Das Problem: wenn man den Auslöser drückt, weil die in den Sucher genommene Tänzerin gerade eine tolle Pose zeigt, bekommt man die garantiert nicht aufs Foto. Ehe der Fotograf reagiert und die Kamera ausgelöst hat, ist vielmehr schon eine völlig andere Pose zusehen und „im Kasten“. Die Lage und Länge der Leuchtspuren von den Majorettenstäben lassen sich ebenfalls bei der Aufnahme schlecht einschätzen. Man muss also schon ahnen, was kommen könnte und auslösen. Funktioniert vielleicht besser bei jemanden, der den Tanz kennt. Ansonsten: eher reine Glückssache.
Viel Ausschuss ist also vorprogrammiert. Doch wenn es klappt, dann haben wir tolle Fotos, die so jedenfalls der Nachbar eher nicht hat. Darüber freut sich dann wohl auch der Karnevalsverein und unsere fotografierten Modelle. Denn dass man ihnen ein paar gelungene Bilder zukommen lässt, ist ja Ehrensache.
Bürgerreporter:in:Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld |
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