Fotorecht: Wenn jemand vom Ordnungsdienst nicht mit aufs Foto will
Ein Mitarbeiter eines städtischen Ordnungsamtes ging juristisch gegen eine Zeitung vor. Diese hatte ein Foto abgedruckt. Fotografiert worden war ein Abschleppvorgang. Im Hintergrund war der Stadtbedienstete in Uniform als gemeindlicher Vollzugsbeamter zu sehen.
Der Kläger meinte, ebenso wie bei Polizeibeamten dürfe sein Bildnis, das bei einem Routineeinsatz entstanden sei, nicht veröffentlicht werden. Einerseits bestehe an seinem Bildnis nur ein geringer Informationswert, andererseits bestehe die Gefahr, dass er durch die Veröffentlichung als Verantwortlicher für die Abschlepppraxis der Stadt bekannt werde. Ein Interesse der Öffentlichkeit an seiner identifizierbaren Abbildung sei nicht erkennbar.
Das Landgericht Leipzig wies aber in erster Instanz die Klage ab. Begründung: Die Abschlepppraxis der Stadt X sei seit geraumer Zeit Gegenstand des medialen Interesses, der Kläger sei nur im Hintergrund zu sehen und werde nicht als Gesicht des Abschlepp-vorgangs wahrgenommen. Weder werde er namentlich benannt noch bestehe die Gefahr, dass er aufgrund des Fotos einer größeren Öffentlichkeit bekannt werde.
Doch mit dieser Niederlag wollte sich das Ordnungsmann nicht zufriedengeben. Er legte beim OLG Dresden Berufung ein.
Das Oberlandesgericht daraufhin in einem aktuellen Beschluss: „Im Rahmen einer Presseberichter-stattung beurteilt sich die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung nach dem abgestuften Schutzkon-zept der §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben als auch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention in Einklang steht Bildnisse einer Person dürfen danach zwar grundsätzlich nur mit deren - hier nicht vorliegender - Einwilligung verbreitet werden Hiervon bestehen allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG Ausnahmen, wenn dadurch berechtig-te Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden.“
Die beklagte Zeitung hatte sich darauf berufen, dass der uniformierte Stadtmitarbeiter nur „Beiwerk“ im Sinn des § 23 KUG zu einer Landschaft sei. Das machte das OLG allerdings nicht mit. „Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist hiernach“, so heißt es in dem OLG-Urteil, „ob die Landschaft bzw. sonstige Örtlichkeit im Zentrum steht, das heißt den eigentlichen Abbildungsgegenstand darstellt und abgebildete Personen nur „bei Gelegenheit“ bzw. „zufällig“ - in untergeordneter Position - auf der Bildfläche erscheinen. Dies ist hier nicht der Fall. Die Abbildung zeigt eine typische "Abschleppsituation" auf Veranlassung der Ordnungsbehörde, bei der die abgebildeten Beamten den hoheitlichen Charakter dieser Zwangsmaßnahme für den Durchschnittsbetrachter deutlich werden lassen und symbolisch für den Rechtsträger stehen, auf den diese Maßnahme zurückzuführen ist. Diese Wirkung wird hier erst durch das Zusammenspiel von Abschleppfahrzeug und beteiligten Personen erzielt; ihr kommt daher ein eigenständiger Aussagegehalt zu, bei dem nicht die Örtlichkeit, sondern die Amtshandlung im Vordergrund steht, deren Bestandteil der Kläger ist.“
Das klang ja noch ganz gut für den Kläger. Doch dann führten die OLG-Richter weiter aus, dass davon auszugehen sei, „ dass dessen identifizierbare Abbildung im hier vorliegenden Kontext nach § 23 Abs. 1 Nr. 1, 2 KUG gerechtfertigt ist.“ Der Begriff des Zeitgeschehens, auf den § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG Bezug nehme, dürfe nicht zu eng verstanden werden. Es gehöre zum Kern der Pressefreiheit, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht. Dazu zähle auch die Entscheidung, ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird.
Das Gericht prüfte nun, welches Recht – dass allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers (der sich nicht in der Zeitung sehen wollte) oder das Informationsrecht der Öffentlichkeit Vorrang habe. Das ist natürlich wieder eine Einzelfallentscheidung und hängt von der Einschätzung der jeweiligen Richter ab. Hier kam jedenfalls das Gericht zu dem Schluss: „Durch die Verbreitung des Bildnisses wird … kein berechtigtes Interesse des Klägers verletzt (§ 23 Abs. 2 KUG). Dieser ist lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen und wird im Rahmen seines Einsatzes seiner Funktion entsprechend lediglich als Hoheitsträger abgebildet. Dass er aufgrund des streitgegenständlichen Bildnisses in seinem Umfeld auf die Berichterstattung angesprochen wurde, stellt für sich genommen keine gravierende Beein-trächtigung dar.“
(OLG Dresden, Beschluss vom 14. Juli 2022 – 4 U 1090/22 –)
Bürgerreporter:in:Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld |
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