Fotorecht: Neues über das Fotografieren von fremden Eigentum
Es ist zum Haare raufen: durch problematische richterliche Grundsatzentscheidungen wird das Fotografieren auch in Deutschland immer weiter rechtlich eingeschränkt. Überall lauern juristische Fallstricke und wer einen Fotoapparat zur Hand nimmt, steht mit einem Bein fast schon vor der Richterbank.
An eines kommen aber auch Richter nicht vorbei. Durch das Fotografieren einer Sache wird das Eigentum an eben diesem in keinerlei Weise beeinträchtigt. Die Sache wird dem Eigentümer nicht entzogen, er kann nach wie vor damit tun und lassen, was er will, und sie wird durchs Fotografieren auch nicht verändert oder gar beschädigt (sehen wir einmal von der Verwendung von Blitzlicht ab, dass etwa wertvolle alte Gemälde beeinträchtigen kann). Das einzige, was beim Fotografieren geschieht ist, dass die von der Sache reflektierten Lichtstrahlen durch einen chemischen (Analogfilm) oder physikalischen (Digitalkameras) Prozess auf ein Medium aufgezeichnet werden. Das Amtsgericht Hamburg: „Die Ablichtung eines Gegenstandes nutzt … allein den in der Sache verkörperten immateriellen Wert. Dieser Wert ist jedoch nicht dem Eigentümer zugewiesen, sondern dem Urheber Ein ausschließliches Recht, Abbilder herzustellen und zu verwerten, wie es den Inhabern von Urheber- und Immaterialgüterrechten zusteht, kann dem Sacheigentümer insofern grundsätzlich nicht zustehen“ (Urteil vom 30. August 2012 – 35a C 332/11 –, Rn. 21, juris).
So hat auch der Bundesgerichtshof (BGH), Deutschlands oberstes Zivilgerecht, schon des Öfteren folgerichtig und zutreffend festgestellt, dass ein "Recht am Bild der eigenen Sache" der deutschen Zivilrechtsordnung unbekannt ist - und dies sogar in der berühmt-berüchtigten Sanssouci-Entscheidung, über die im Rahmen der Serie „Fotorecht“ hier auf myheimat ja schon ausführlich berichtet wurde.
Jetzt fühlen sich aber manche Juristen als Schild und Schwert des Eigentumsrechtes (wahrscheinlich, weil sie dazu neigen, selbst eher gerne über viel Eigentum zu verfügen). Und Juristen können sehr einfallsreich argumentieren und Paragraphen auslegen, um ein Recht zu begründen, dass es eigentlich so gar nicht nach dem Gesetz gibt. Wie sagte schon Goethe (der ja selbst Jura studiert hatte): „Im Auslegen seid frisch und munter! Legt ihr’s nicht aus, so legt was unter."
Doch kommen wir erst einmal zu dem Urteil, das heute vorgestellt werden soll. Der Fall ist recht simpel. Ein Fotograf spazierte in ein Museum, fotografierte dort ausgestellte Bilder und veröffentlichte diese Fotos dann im Internet. Das gefiel dem Museum - bzw. der dahinter stehenden Stadt - ganz und gar nicht und sie klagte vor dem Landgericht Stuttgart.
Mit Urheberrechten war allerdings nicht viel zu machen. Denn die Künstler, die Urheber der abfotografierten Gemälde, waren schon lange tot und ihre Werke sind nach deutschem Recht gemeinfrei, können also ohne Erlaubnis vervielfältigt und genutzt werden. Auch das Hausrecht, das dem Museumsträger in seinem Gebäude zusteht, hilft diesem nicht viel weiter. Das Museum kann zwar einen Fotografen, der in den Räumen unerlaubt fotografiert, deshalb hinauswerfen, aber damit nicht die Nutzung der schon entstandenen Aufnahmen verhindern.
Nun ist ein Museum trotzdem gegen solche Fotografier- Aktionen nicht ganz schutzlos. Mit dem Kauf einer Eintrittskarte wird ein Vertrag zwischen Museum und Kunde geschlossen. Das Museum kann über allgemeine Geschäftsbedingungen - AGB’s - (etwa die Hausordnung) die Vorgaben regeln, unter denen sie das Fotografieren gestattet oder auch nicht. Das funktioniert auch mit einem konkludent abgeschlossenen Betretenvertrag, falls infolge freien Eintritts kein Kauf einer Eintrittskarte erforderlich ist. Verstößt im Nachhinein ein Fotograf gegen den Vertrag, kann das Museum gegen ihn aus Vertragsverletzung vorgehen.
Ob die Stadt bzw, das Museum im Stuttgarter Fall solche einschlägigen Regelungen in ihrem „Kleingedruckten“ getroffen hat, ergibt sich nicht aus der hier besprochenen Entscheidung. Das Gericht hat diese Frage vielmehr ausdrücklich dahinstehen lassen. Das Landgericht (LG) Stuttgart beschritt in seinem Urteil vom 27.09.2016 (Az. 17 O 690/15 -) leider einen anderen Weg. Die Stuttgarter Richter sahen einen Anspruch des Museums nach § 1004 Abs. 1 BGB wegen Eigentumsverletzung vollumfänglich als begründet.
Erst einmal befindet sich das LG Stuttgart damit durchaus in juristisch gesehen guter Gesellschaft. Denn obwohl der BGH selbst immer wieder betont, dass es kein Recht am Bild der eigenen Sache gibt, haben die obersten Bundesrichter kräftig daran mitgewirkt, ein solches argumentativ in ihrer Rechtsprechung zu entwickeln.
Der BGH machte ein entsprechendes Abwehrrecht eines Eigentümers allerdings bislang in seiner Rechtsprechung ausdrücklich am Grundeigentum fest. Nur wer Teile des Grundstücks einschließlich mit dem Grundstück fest verbundener Teile (in der Regel also Gebäude) fotografiert und zwar von einem Standpunkt auf dem Grundstück aus, kann - wenn er dazu keine Erlaubnis hat - gegen das Eigentumsrecht verstoßen. Schlussfolgerung des BGH: Fotografiert man diese Gebäude oder andere Grundstücksteile von außerhalb des Grundstücks, so verstößt man nicht gegen das Eigentum. Offenbar machte der BGH hier eine Anleihe an die Panoramafreiheit des Urheberrechtsgesetztes, wonach an sich geschützte Kunstwerke vom öffentlichen Straßenraum - also außerhalb des Grundstücks - gleichwohl fotografiert und diese Fotos auch verwendet werden dürfen. Dass Panoramafreiheit und das Fotografieren von fremden Eigentum nichts miteinanderzutun haben, hat zwar auch der BGH festgestellt. Und eigentlich vergleicht man ja auch nicht Äpfel mit Birnen, außer wenn’s grad so schön passt …
Jedenfalls sah es bislang so aus, dass man nur auf fremden Grundstücken vorsichtig sein musste, wenn man Teile dieses Grundstücks fotografierte. Bewegliche Sache, weil nicht fest mit dem Grundstück verbunden und deshalb keine wesentlichen Teile, fielen von vornherein heraus.
So entscheid dann auch das LG Hamburg: „Die von der Klägerin vorgetragene Eigentumsbeeinträchtigung ergibt sich auch gerade nicht aus der angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Insbesondere die "Apfel-Madonna" Entscheidung aus dem Jahr 1965 ist insoweit noch immer von Bedeutung. Diese befasst sich mit der Frage der Eigentumsbeeinträchtigung durch die Verbreitung von Nachbildungen gemeinfreier beweglicher Kunstwerke. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass in der Nachbildung keine Verletzung des dem Museum zustehenden Eigentums an dem Originalwerkstück liege. Die Sachherrschaft über den körperlichen Gegenstand, welche durch die Eigentumsordnung geschützt werde, werde nicht beeinträchtigt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1965, Ib ZR 111/63). Es liege gerade keine Einwirkung auf das Originalwerkstück vor und in dem dortigen Fall werde keine "Fühlungnahme“ mit dem Originalwerkstück vorgeworfen. Das Werk als geistiges Gebilde an sich sei keine Sache im Sinne von § 90 BGB und könne daher nicht Gegenstand des sachenrechtlichen Eigentums sein. Aus diesen Grundsätzen folgt, dass ohne eine direkte Einwirkung auf den im Eigentum stehenden beweglichen Gegenstand eine Eigentumsbeeinträchtigung nicht angenommen werden kann. Zwar lässt der Bundesgerichtshof weiter offen, ob das Fotografieren des Originals gegen den Willen des Eigentümers als eine zur Abwehr nach §§ 903, 1004 BGB berechtigende Einwirkung auf das Eigentum anzusehen wäre. Ein solches wird vorliegend jedoch auch der Beklagten nicht konkret vorgeworfen. Die Klägerin stellt lediglich in den Raum, dass Fotografien der gesicherten Gemälde unerlaubt angefertigt worden sein müssten. Es bleibt unklar, wann, durch wen und auf welche Art und Weise dies konkret erfolgt sein könnte. Wenn die Klägerin jedoch eine Beeinträchtigung des Eigentums zur Grundlage ihrer Ansprüche macht, wäre von der Klägerin substantiiert und unter Beweisantritt vorzutragen und im Streitfall zu beweisen gewesen, wie ein Einwirken auf das Eigentum durch die Beklagte erfolgt sein soll. Das ist nicht erfolgt“ (Urteil vom 12. Juli 2013 – 332 S 76/12 –, Rn. 10, juris).
Das Amtsgericht Hamburg hatte sich im August 2012 noch deutlicher am Grundstücksbegriff orientiert. Auch hier ging es um das Fotografieren von alten Gemälden in einem Schloss. Der Amtsrichter knüpfte direkt an die Entscheidungen des BGH an und grenzte bewegliche Sachen davon ab: „Jedenfalls ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Gemälde - anders als die vom Bundesgerichtshof beurteilten Gebäude, Gartenanlagen und Parks - bewegliche Sachen auf den Grundstücken der Klägerin darstellen, nachdem auch die Klägerin keine Umstände vorgetragen hat, aus denen sich ergeben würde, dass die betroffenen Gemälde wesentliche Bestandteile der Grundstücke gemäß § 94 BGB wären. Auf solche beweglichen Sachen kann die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht erstreckt werden. Das Grundstückseigentum der Klägerin umfasst nämlich gerade nicht das Recht, aus den auf dem Grundstück befindlichen beweglichen Sachen gemäß § 99 BGB Früchte zu ziehen. Die beweglichen Sachen sind vielmehr rechtlich selbstständig, sodass Erträge aus der Verwertung von Abbildern beweglicher Sachen keine Früchte des Grundstücks sind, auf dem sich die beweglichen Sache - gerade - befinden, sondern Früchte der Sache selbst. Mit anderen Worten: die Verwertungsbefugnis liegt hier beim Sacheigentümer und nicht beim Grundstückseigentümer. Dann aber fehlt die Grundvoraussetzung für die Annahme des Bundesgerichtshofs, dass durch die Lage der zu fotografierenden Sache auf einem Grundstück die Verwertungsbefugnis des Grundstückseigentümers zu einem ausschließlichen Verwertungsrecht werden kann.“
Doch wenn die juristische Büchse der Pandora er einmal geöffnet ist … Das LG Stuttgart sah die Sache ganz anders wie die Richterkollegen in Hamburg. Der BGH leitete die Eigentumsverletzung aus der Verwertungsbefugnis des Grundstückseigentümers ab; diese Befugnis umfasst, so der Gerichtshof, danach auch das Recht, aus dem Grundstück Früchte zu ziehen. Zu diesen Früchten gehören nach § 99 Abs. 3 BGB nach den BGH-Entscheidungen ebenso wie die Erträge etwa aus der Vermietung eines Schlosses als Kulisse für einen Kinofilm auch die Erträge aus der Verwertung von Abbildern der Gebäude und Gärten auf dem Grundstück Zu einem ausschließlichen Verwertungsrecht wird dieses Recht des Grundstückseigentümers nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn Lage und Nutzung seines Grundstücks rein tatsächlich dazu führen, dass verwertungsfähige Bilder nur von seinem eigenen Grundstück, nicht von öffentlichen Plätzen oder anderen Grundstücken aus angefertigt werden können“ (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2010 – V ZR 45/10 –, Rn. 15)
Jetzt sind „Früchte einer Sache“ im Sinn des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Erzeugnisse der Sache und die sonstige Ausbeute, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen wird. Das Gesetz spricht insoweit nur von Sache, ohne diese Regelung auf Immobilien zu beschränken. Darauf baut das LG Stuttgart nun seine Argumentation und reißt die schon erwähnte Büchse der Pandora damit ganz auf: „Diese Rechtsprechung des BGH, die zur Frage der Eigentumsverletzung bei Verwertung von Fotografien eines Grundstücks ergangen ist und deren Erstreckung auf die ungenehmigte Anfertigung von Fotografien gemeinfreier beweglicher Objekte bislang offen gelassen wurde, lässt sich auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen. Denn der BGH greift zur Begründung seiner Entscheidungen nicht auf grundstückspezifische Besonderheiten zurück, sondern stützt diese allein auf allgemeine eigentumsrechtliche Erwägungen.“ Die Stuttgarter Richter meinen, dass „kein durchgreifender Grund ersichtlich (sei), warum die für die Anfertigung und Veröffentlichung von Lichtbildern unbeweglicher Grundstücke geltende Rechtsprechung nicht auf die Rechtslage übertragbar ist, die bei Anfertigung und Veröffentlichung von Lichtbildern beweglicher Gegenstände gilt.“
Damit ist eigentlich der letzte Schritt getan, um aus dem Eigentumsrecht gegen den Willen des Gesetzgebers doch einen Abwehranspruch gegen das Fotografieren herzuleiten. Denn wenn die Nutzung von Bildern eines Gegenstandes „ Früchte aus eben dieser Sache“ sind, kann auch die letzte Beschränkung, die der BGH noch eingebaut hatte, fallen - der Umstand, dass die Sachen auf dem Grundstück des Eigentümers fotografiert worden sein mussten. Es ist logisch eigentlich nicht so recht zu begründen, weshalb nur dann dem Eigentümer diese „Früchte“ (Ausbeute des immateriellen Wertes durch Nutzung von Abbildungen) ausschließlich zustehen sollen, wenn sie sich auf einen ihm gehörenden Grundstück befinden bzw. zum Zeitpunkt der Aufnahme befunden haben.
Noch ist aber das genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart nicht rechtskräftig. Es wurde ein Rechtsmittel eingelegt und jetzt muss das OLG Stuttgart entscheiden (dortiges Az.: Az: 4 U 204/16). Hoffen wir Fotografen, dass es doch noch zu einer etwas fotografier-freundlicheren Entscheidung kommt.
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Bürgerreporter:in:Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld |
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