Fotorecht: Ein Moderator auf Prozessurlaub
Personen der Zeitgeschichte dürfen fotografiert, ihr Bildnis auch ohne „Modelrelease“ veröffentlicht werden. Grundsätzlich ist das so. Aber auch nur grundsätzlich. Denn die Gerichte haben im Laufe der Zeit diese Fotografierfreiheit, die sich Prominente gefallen lassen müssen, immer weiter eingeschränkt. Über die Frage, wann wer fotografiert werden darf, habe ich bereits in meiner früheren kleinen Artikelserie zum Thema Fotorecht auf myheimat ausführlich geschrieben. Jetzt hat das Landgericht (LG) Köln ein Urteil gesprochen, an dem sich der aktuelle Stand der Rechtsprechung zum Thema „Personen der Zeitgeschichte“ festmachen lässt (Urteil vom 8. Mai 2013, Aktenzeichen 28 O 349/12). Als Ergänzung zu meinem damaligen Beitrag soll hier jetzt über diese aktuelle Entscheidung berichtet werden.
Kläger im Kölner Verfahren war ein bekannter Moderator. Besonderes Aufsehen erregte er, als er wegen des Verdachtes der Vergewaltigung festgenommen und angeklagt wurde. Zwischenzeitlich ist er zwar von dieser Anklage rechtskräftig freigesprochen worden. Unsere Geschichte spielt aber zu einer Zeit, als der Strafprozess noch nicht beendet, die Untersuchungshaft jedoch bereits mangels dringenden Tatverdachtes aufgehoben war. Noch während der Strafprozess lief, reiste der Moderator mit seiner Ehefrau während einer Prozesspause nach Kanada. Und hier passierte es. Ein Fotograf erkannte auf dem Flughafen in Kanada den prominenten Moderator, fotografierte ihn und seine Ehefrau, verkaufte die Bilder an eine deutsche Zeitung, die sie unter der Überschrift „Auf Prozess-Urlaub in Kanada“ abdruckte. Dagegen wandte sich der Moderator zunächst mit einer Abmahnung. Als die Zeitung weder die Anwaltskosten zahlen noch sich bereit erklären wollte, diese Fotos nicht weiter zu veröffentlichen, klagte der Moderator vor dem Landgericht und gewann auch diesen Prozess.
Allerdings ordneten die Richter die Ausnahmen aus Kanada als „Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ ein (siehe dazu § 23 Abs. 1 Nr. 1 Kunsturhebergesetz - KUG). Das Landgericht führte dazu unter anderem aus: „Bei der Beurteilung, ob Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegen, ist eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (GG heißt Grundgesetz), Art. 8 EMRK (steht für europäische Menschenrechtskonvention) und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK vorzunehmen, weil § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nach Sinn und Zweck der Regelung und nach der Intention des Gesetzgebers in Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG Rücksicht auf das Informationsinteresse der Öffentlichkeit und auf die Rechte der Presse nimmt. Dabei ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zu Grunde zu legen, welcher der Pressefreiheit und zugleich dem Schutz der Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre ausreichend Rechnung trägt. Der Kläger ist auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit als Moderator und aufgrund des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens als Person des öffentlichen Interesses anzusehen. Diese Einstufung hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zur Folge, dass über eine solche Person in größerem Umfang berichtet werden darf als über andere Personen, wenn die Information einen hinreichenden Nachrichtenwert mit Orientierungsfunktion im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte hat und die Abwägung keine schwerwiegenden Interessen des Betroffenen ergibt, die einer Veröffentlichung entgegenstehen (vgl. BVerfG, GRUR 2008, 539 - Caroline von Hannover; EGMR, Urt. v. 11. 1. 2005, Beschwerde Nr. 50774/99 §§ 27ff. - Sciacca/Italien, und v. 17. 10. 2006, Beschwerde Nr. 71678/01 § 57 - Gourguenidze/Georgien). Maßgebend für die Frage, ob es sich bei den veröffentlichten Fotos um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handelt, ist das Zeitgeschehen. Dieses ist vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen und umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung oder spektakuläre und ungewöhnliche Vorkommnisse, sondern ganz allgemein alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Auch durch unterhaltende Beiträge kann Meinungsbildung stattfinden; solche Beiträge können die Meinungsbildung unter Umständen sogar nachhaltiger anregen und beeinflussen als sachbezogene Informationen. Selbst die Normalität des Alltagslebens prominenter Personen darf der Öffentlichkeit vor Augen geführt werden, wenn dies der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen kann.“
Aber diese Fotografier- und Veröffentlichungsfreiheit im Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht nicht schrankenlos. Auch ein Prominenter hat Anspruch auf Schutz seiner persönlichen Sphäre und muss es sich nicht gefallen lassen, immer und überall von jedem fotografiert zu werden und dass alles ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird. Das LG Köln: „Nicht alles, wofür sich die Menschen aus Langeweile, Neugier und Sensationslust interessieren, rechtfertigt dessen visuelle Darstellung in der breiten Medienöffentlichkeit. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden.“ Im Fall des Moderators sahen die Kölner Richter diese Grenze überschritten. In diese Abwägungsentscheidung stellte das Gericht dabei auch die Umstände ein, wie das Foto aufgenommen wurde. Paparazzi-Fotos haben dabei schlechte Karten. Denn, so heißt es im Urteil: „Für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes bei der Bildberichterstattung sind zudem die Umstände der Gewinnung der Abbildung, etwa durch Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrliche Nachstellung, zu bedenken sowie in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird. Das Gewicht der mit der Abbildung verbundenen Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts ist erhöht, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise der öffentlichen Erörterung entzogenen Einzelheiten thematisch die Privatsphäre berührt. Gleiches gilt, wenn der Betroffene typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden oder die Medienberichterstattung den Betroffenen in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und Alltags erfasst.“
Zunächst kommt das Gericht zwar zu der Ansicht, dass die streitigen Fotos vom Moderator und dessen Ehefrau durchaus berechtigte öffentliche Interessen dienen. Die Richter bewerten die Fotos aber im Zusammenhang mit dem Text, der zu diesen Bildern veröffentlicht wurde. „Die beanstandeten Aufnahmen, die den Kläger und seine Ehefrau mit einer Reisetasche am Flughafen zeigen, können für sich keinen besonderen Informationswert beanspruchen, da die hierin allein enthaltene Information, dass der Kläger und seine Ehefrau sich an einem kanadischen Provinzflughafen aufgehalten haben, für die Öffentlichkeit nicht von Bedeutung ist. Ihr Informationsgehalt ist vielmehr in Zusammenschau mit der sie begleitenden Wortberichterstattung, die der Kläger nicht beanstandet, zu bewerten. … Im Hinblick auf eine etwaige Sonderbehandlung Prominenter im Strafverfahren stellt sich der Vorgang deshalb auch unter dem Aspekt der "Wachhundfunktion“; der Presse als berichtenswertes Ereignis dar. Diese Berichterstattung über den "Prozessurlaub" wird mit der beanstandeten Abbildung belegt und illustriert. Demzufolge beschränkt sich der begleitende Bericht nicht darauf, lediglich einen Anlass für die Abbildung prominenter Personen zu schaffen, ohne dass die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung erkennen lässt.“
Aber gerade hier lag der Hase im Pfeffer. Denn jetzt kommt die Kehrtwendung zugunsten des Klägers. Nach Ansicht der Richter beschäftigte sich die Wortberichterstattung nicht „primär nicht mit den Gründen für die Prozessunterbrechung, sondern mit den Auseinandersetzungen des Klägers mit Frau T beschäftigt.“ Der Schwerpunkt der Wortberichterstattung lag somit nach Ansicht der Richter nicht in der Diskussion der Frage, weshalb dem Kläger "Prozessurlaub" gewährt wurde und ob einem Nicht-Prominenten ein solcher nicht gewährt worden wäre. Die Gründe für die Unterbrechung wurden nämlich nur mit einem Satz zu Beginn des Artikels erwähnt. Der übrige Bericht über die Ankunft in Kanada war nach Meinung des Landgerichts nur von geringem Informationswert und lediglich unterhaltender Natur.
In ihre Abwägungsentscheidung stellten die Richter deshalb ein, dass der Urlaub auch bei „Prominenten zum grundsätzlich geschützten Kernbereich der Privatsphäre gehört“ und urteilten: „Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass es sich um einen "Prozessurlaub" handelt. Denn gerade letztgenannter ist für den jeweils Betroffenen, der während des Prozesses unter ständiger Beobachtung steht, von besonderer Bedeutung, um sich zumindest für den Zeitraum des Urlaubs aus der medialen Öffentlichkeit zurückziehen zu können. Wollte man einem Angeklagten auch diese Möglichkeit der Rückzugsmöglichkeit allein mit dem Argument eines laufenden Strafverfahrens nehmen, würde man einen Angeklagten den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts trotz Geltung der Unschuldsvermutung entziehen und ihn auch in Momenten der Privatheit der Medienberichterstattung preisgeben. Das Gewicht der mit der Abbildung verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist auch erhöht, weil die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise der öffentlichen Erörterung entzogenen Einzelheiten - hier des Beginns des Urlaubs - thematisch die Privatsphäre berührt. Zudem konnte der Betroffene, der - wie bereits dargestellt - aufgrund des laufenden Prozesses ständig im Fokus der medialen Berichterstattung stand, die berechtigte Erwartung haben, nicht auch noch auf einem kanadischen Provinzflughafen während seines Urlaubs in den Medien abgebildet zu werden. Überdies zeigen die Aufnahmen den Kläger während der Ankunft auf einem Flughafen zu Beginn eines Urlaubs in einem Moment der Entspannung und des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und Alltags - oder hier des Strafverfahrens“ Weil zudem zu berücksichtigten war, „dass die Fotos in Unkenntnis des Klägers und damit heimlich gemacht wurden“ und „aus einem heimlichen oder überrumpelnden Vorgehen“ sich kein besonderer Schutzbedarf ergeben darf, war das letztendlich der Meinung, dass die berechtigten Interessen des Klägers das Berichterstattungsinteresse überwiegen und damit die Regelung des § 23 Abs. 2 KUG aushebelt.
Bürgerreporter:in:Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld |
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