Fotorecht: Das Problem mit der „Zeitgeschichte“

Ein weiterer Beitrag zum Thema Fotorecht
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Früher war alles ganz einfach. Es gab Personen der Zeitgeschichte. Absolute Personen der Zeitgeschichte war die A- und B-Prominenz. Diese VIP’s galten anfangs für den Fotografen fast wie „vogelfrei“. Relative Personen der Zeitgeschichte wurden diejenigen Menschen genannt, die nur anlässlich eines bestimmten einmaligen Ereignisses für kurze Zeit in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerieten. Im Zusammenhang mit Berichten über dieses Ereignis durfte man auch sie ungefragt fotografieren und ihre Bildnisse veröffentlichen. Das hat sich im Laufe der Jahre jedoch sehr stark geändert. Die Rechtsprechung hat immer engere Grenzen für die Bildberichterstattung gezogen. Mittlerweile kommt es mehr auf ein Ereignis der Zeitgeschichte an und ob die fotografierten Personen dabei eine aussageträchtige Rolle spielen. Statt klarer Kante werden alle möglichen Rechte gegeneinander abgewogen. Für Fotografen und diejenigen, die Bilder veröffentlichen,  schon fast ein Vabanque-Spiel.

Das musste nun auch ein Zeitungsverlag schmerzlich erfahren, der über eine prominente 19jährige berichtet hatte. Die war Teilnehmerin bei einem Reitturnier. Doch die Unterlassungsklage der jungen Reiterin hatte ebenso Erfolg wie ihr Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten (OLG Frankfurt, Urteil vo 22.02.2018, Az. 16 U 87/17).

Aufhänger der Bildberichterstattung war ein öffentliches Reitturnier. So eine Sportveranstaltung ist ein Ereignis der Zeitgeschichte. Also kann man doch munter Fotos machen und die Bilder dann veröffentlichen. Sollte man denken. Der Jurist würde darauf jedoch antworten: „Grundsätzlich ja, aber …“

In dem vom Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) entschiedenen Fall hatte der Zeitungsverlag nach der Sachverhaltsdarstellung im Urteil Fotos während eines Reitturniers, an dem die Klägerin teilgenommen hatte, veröffentlicht. Die Bilder zeigten die Klägerin neben ihrer Mutter, einmal auch der Großmutter, am Rande des Turniers Ein weiteres Bild zeigt die Klägerin als Kleinkind neben ihrer Mutter und ihrer Großmutter und war vor etwa 17 Jahren bei einem Fußballturnier in einer anderen Stadt aufgenommen worden.

Die Frankfurter Richter: „Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 Kunsturhebergesetz (KUG) sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Art. 8 Abs. 1 EMRK (– daraus wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Menschen abgeleitet, Anm. des Verf. -) einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG , Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits."

Damit wird es schon kritisch. Niemand kann sich mehr darauf verlassen, dass Fotos von einer öffentlichen Veranstaltung wirklich aufgenommen und veröffentlicht werden dürfen. Denn wer kann voraussehen, was wohl ein Richter abwägen wird? Die Einzelgerechtigkeit kann mit so einer Rechtsprechung wohl größer werden, doch die Rechtsunsicherheit wächst dabei auch.

Das OLF Frankfurt weiter: "Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er umfasst nicht allein politische und historische Ereignisse, weshalb zu ihm auch Sportveranstaltungen zu rechnen sein können, selbst wenn sie nur regionale Bedeutung haben. Bei unterhaltenden Beiträgen bedarf es jedoch in besonderem Maß der Berücksichtigung kollidierender Rechtspositionen. Für die Abwägung ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen. Dabei ist der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung.“ Das hört sich kompliziert an und ist es auch.

Die Richter kamen im Fall der jungen Reiterin zu dem Schluss, dass die Veröffentlichung der angegriffenen Bildnisse nicht durch das Reitturnier und die Teilnahme der Klägerin daran als zeitgeschichtlichem Ereignis gerechtfertigt war. Zwar räumen sie ein, dass das international besetzte und angekündigte Reitturnier als zeitgeschichtliches Ereignis einzustufen ist. Doch ausschlaggebend für das Urteil war, dass die veröffentlichten Bildnisse in keinem ausreichenden Sachbezug zu diesem Turnier standen. Zwar wird der Presse vom OLG das Recht eingeräumt, „bei Auftritten von "prominenten Personen" bei zeitgeschichtlichen Ereignissen grundsätzlich nicht nur über das Ereignis selbst, sondern auch darüber berichten, welche Personen dort erschienen sind und in wessen Begleitung sie sich dabei befunden haben.“ Das soll jedoch dann nicht gelten, wenn die übrige Berichterstattung über das sportliche oder gesellschaftliche Ereignis sich allein darauf beschränkt, einen Anlass für die Abbildung prominenter Personen zu schaffen.

Genau dies sei hier aber der Fall gewesen. Das Ereignis der Zeitgeschichte sei quasi von der Zeitung nur vorgeschoben worden. Das OLG: „Über den Umstand hinaus aber, dass die Klägerin an dem Turnier teilgenommen hat, findet das Turnier und dessen Verlauf keinerlei Erwähnung mehr. Die Berichterstattung nennt nicht den Namen und den Rang des Turniers, erwähnt keine weiteren Teilnehmer und gibt keine weiteren Informationen über die Wettbewerbe und zu deren Verlauf. Der Beitrag kann mithin nicht als Bericht über eine öffentliche Sportveranstaltung eingestuft werden, sondern allein als Bericht über die Teilnahme der Tochter eines Prominenten an einer öffentlichen Sportveranstaltung.“ Immerhin: Auch der Umstand, dass ein Prominenter anwesend war, gilt nach dieser Entscheidung noch als berichtenswert, aber eben nur für bestimmte Fotos. „Das öffentliche Informationsinteresse daran“, heißt es im Urteil weiter, „rechtfertigt allenfalls die Veröffentlichung der nicht angegriffenen Bilder, die die Turnierteilnahme der Klägerin zeigen, nicht aber der angegriffenen Bilder, die allein die Klägerin mit ihrer Mutter und Großmutter zeigen. Die angegriffenen Bilder sind deshalb dahin zu würdigen, dass sie keinen ausreichenden Bezug zu dem am Rande erwähnten Reitturnier haben.“

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Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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