Die Panoramafreiheit – Eine Falle für Fotografen im Internet? Teil 1

Die deutsche Panoramafreiheit kann im Internet zur rechtlichen Falle werden. Die Frage ist, was darf man im Internet und was sollte man lieber lassen.
  • Die deutsche Panoramafreiheit kann im Internet zur rechtlichen Falle werden. Die Frage ist, was darf man im Internet und was sollte man lieber lassen.
  • hochgeladen von Jens Schade

Bilder im Internet zu veröffentlichen gehört für myheimat-User zum täglichen Geschäft. Auch der Autor dieses Beitrages war in dieser Hinsicht recht fleißig: Fotocommunities, Fotowettbewerbe, natürlich myheimat, aber auch Bildagenturen zählen zu den „Upload-Plattformen“. Doch wer einmal versucht, die rechtlichen Rahmenbedingungen dieses Tuns auszuleuchten, wird schnell ein ganz ungutes Gefühl in der Magengegend verspüren. Das Eis ist dünn und manchmal auch da, wo man sich eigentlich auf sicherem Grund und Boden glaubt.

Immer wenn wir etwas fotografieren, berühren wir möglicherweise Rechte von Dritten. Stellen wir uns eine typische Städteansicht vor, der Blick etwa entlang eines Boulevards in der City (neudeutsch für Innenstadt). Wie das so ist bei solchen Bildern: Da bewegen sich Passanten auf den Wegen, die alle ein Recht am eigenen Bild besitzen, Bauwerke wurden von Architekten gestaltet, an den Fassaden der Häuser sind Firmenlogos und Namen zu sehen, abgelichtete Autos zeigen ein unverwechselbares Design, selbst die Straßenlaternen müssen ja von irgendjemand in dieser Form entworfen worden sein. Dann hat noch Künstler eine Skulptur hier stehen oder zeichnet für einen Brunnen verantwortlich und sämtliche auf dem Bild zu sehenden Gegenstände stehen im Eigentum irgendwelcher meist unbekannter Dritter. Überall könnten Rechte von Anderen betroffen sein. In der Wohnung – selbst wenn es die eigene ist – wird das Eis für den Fotografen möglicherweise nicht viel dicker. Das Bild an der Wand, das auf dem Foto wiedergeben wird, hat ja ein Künstler gemalt, das Design der Möbel stammt eindeutig erkennbar von einer bekannten Möbelhauskette, die Titelseiten von Büchern sind ebenfalls klar auf dem Foto zu sehen, selbst das Geschirr auf dem Tisch hat kein 08/15-Aussehen, sondern ist als Markenware zu klassifizieren, zu allem Überfluss trägt die oder der in dieser Umgebung fotografierte Liebste ein Shirt, worauf sich möglicherweise deutlich ein Markenlogo lümmelt und auch die Turnschuhe können anhand gewisser eindeutiger Merkmale einer bestimmten Marke zugeordnet werden, von der außergewöhnlich teuren Uhr am Handgelenk einmal ganz zu schweigen. Wer angesichts dieser Umstände dann eben nur puritanische Aktfotografie mit neutralem Hintergrund betreibt und sich vermeintlich mit einem Modellvertrag ausreichend abgesichert glaubt, kommt vielleicht dann doch ins Grübeln über die Frage, ob ein bestimmter Magenta-Ton nun problemlos als Hintergrund verwendet werden sollte oder lieber nicht, oder es meldet sich gar, nachdem der stolze Fotograf sein Werk der Öffentlichkeit präsentiert hat, ein anderer Fotokünstler und behauptet, man habe mit Pose und Beleuchtungssituation sein (schon zuvor veröffentlichtes) Werk einfach nachgestellt und damit widerrechtlich kopiert.

Was genau der Fotograf darf, wer in diesen Situationen wann ggf. welche Ansprüche gegen den Fotografen geltend machen kann oder eben nicht, steht in den Gesetzen oder wurde manchmal auch nur durch die Rechtsprechung geregelt. Das Dumme: bei diesen Vorschriften und Regeln handelt es sich zumeist nur um nationales Recht, im Internet bewegt sich jeder aber praktisch überall auf dem Globus. Man hat also durchaus die Chance, schnell mit den unterschiedlichsten Rechtsordnungen der Welt konfrontiert zu werden.

Eine der wichtigsten Punkte für uns normale Fotografen ist die sogenannte Panoramafreiheit. Wir spazieren durch die Straßen, sehen ein schickes Haus oder ein tolles Denkmal und fotografieren es. Ob wir diese Dinge aber überhaupt fotografieren und wenn ja, was wir mit dem Bild dann machen dürfen, regeln in Deutschland und einigen anderen Ländern die Vorschriften zur Panoramafreiheit. Und hier fängt das Eis an, dünn zu werden. Denn ein Staat hat sie (die Panoramafreiheit), der andere hat sie nicht. Und wer sie hat, der regelt ihre Bedeutung und den Umfang aber oft immer ein bisschen anders als das Nachbarland.

Da ich glaube, dass dieses Thema auch für die anderen myheimat-User von Interesse sein könnte, will ich meine Überlegungen und Fragen dazu hier einmal vorstellen. Eine Rechtsberatung kann dies aber nicht sein. Ich habe mich zwar bemüht, dazu gewissenhaft zu recherchieren. Aber beim internationalen Urheberrecht bin ich auch nur Laie. Eine Garantie für die Richtigkeit meiner Überlegungen kann ich deshalb leider nicht geben. Auch wird die eine oder andere Frage von mir ungelöst im Raum stehen bleiben. Vielleicht hat ja jemand anderes aus der myheimat-Gemeinde dazu aber eine passende Anmerkung oder bereits (hoffentlich erfreuliche) Erfahrungen gesammelt.

Mit dem Thema Panoramafreiheit begeben wir uns in die Tiefen des Urheberrechts. Wer ein besonderes Werk herstellt, wird davor geschützt, dass andere einfach seine Leistung ausnutzen, die Ernte einfahren, ohne gesät zu haben. „Die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke Schutz nach Maßgabe dieses Gesetzes“, heißt es in § 1 des bundesdeutschen Urhebergesetzes (UrhG). An sich eine gute Sache. Auch wir Fotografen sind ja Urheber unserer Bildwerke und möchten nicht, dass irgendjemand anderes ohne unsere Erlaubnis einfach unsere tollen Fotos nutzt. Aber als Fotograf kommt man auch leicht in Situationen, in dem unser Wunsch, ein Bild zu machen und dies auch zu nutzen, mit dem Schutz eines anderen Urhebers kollidiert. Das passiert nicht nur, wenn wir ein Repro von einem Gemälde oder einer Zeichnung machen. Schon wenn wir ein künstlerisch gestaltetes Haus fotografieren, machen wir uns die Leistung des Architekten (mit) zu nutze. Bannen wir ein Denkmal, ein Standbild oder einen gut gestalteten Brunnen auf die Speicherkarte, manifestiert sich darin auch immer das Werk eben jenes Bildhauers.

Die Frage dieses Beitrags ist, wann darf man ein fremdes Werk, dessen Schutzfristen noch nicht abgelaufen sind, für sein Foto mit nutzen?
Zuvor ist allerdings die Vorfrage zu klären, ob es sich bei dem Objekt unserer Begierde überhaupt um ein geschütztes Werk handelt. Denken wir an mein obiges Beispiel mit den Straßenlaternen. Auch ihr Design hat ja jemand entworfen. Werden sie dadurch zu einem geschützten Werk? Für Deutschland maßgeblich ist die Bestimmung des § 2 UrhG. Da ein Gesetz abstrakt formuliert werden muss, um überhaupt handhabbar zu sein, hilft uns hier der reine Wortlaut des Gesetzes nicht viel weiter. Was sagen die Gerichte? Voraussetzung für ein urheberrechtlich geschütztes Werk ist danach die Individualität der Schöpfung, diese wird wieder an der „Schöpfungshöhe“ als quantitatives Maß gemessen. Der Bundesgerichtshof (BGH), Deutschlands höchstes Zivilgericht, beschreibt das so: „Von sonstigen Erzeugnissen unterscheidet sich ein urheberrechtlich geschütztes Werk dadurch, dass es etwas Neues und Besonderes, von bisher Bekannten zu Unterscheidendes darstellt und auf diese Weise dem individuellen menschlichen Geist Ausdruck verleiht. Charakteristische Merkmale des Werkes sind somit sein geistiger Inhalt, seine Ausdrucksform, und seine Individualität. Zufallswerke sind keine Werke in diesem Sinne, da sie nicht durch den individuellen Geist geprägt sind. Geschützt ist jedes einzelne Werk als solches, nicht hingegen die Werkgattung, der es angehört“ (Urteil vom 20.09.1955 - I ZR 194/53 -, in: Entscheidungssammlung des BGH – BGHZ – Band 18, Seite 175 ff.). Alles klar? Nun, jedenfalls liegt hier schon der erste Fallstrick. Es kann teuer werden, wenn man als Fotograf etwas nicht als geschütztes Werk an sieht, das später ein Richter dann doch als Kunstwerk bewertet. Und wie das so ist in der Juristerei: Zwei Juristen, drei Meinungen.

Letztendlich kommt noch das zeitliche Moment hinzu. Ein Kunstwerk im oben genannten Sinne ist nicht für ewig geschützt. Irgendwann ist das Werk Allgemeingut. Oder sollte es eigentlich sein. Das Schloss Sanssouci in Potsdam ist urheberrechtlich nicht mehr geschützt, sein Architekt schon zu lange tot. Wer meint, nun Fotos davon machen und sie ohne weiteres verwerten zu können, lädt zu Abmahnungen und Schadensersatzforderungen geradezu ein. Denn nunmehr fällt das Fallbeil des Schutzes des Eigentums (und das, obwohl es in Deutschland ein Recht am Bild des Eigentums gar nicht gibt). Aber davon zu sprechen, würde hier viel zu weit führen. Ein andermal vielleicht. Dieser Text zur Panoramafreiheit wird schon so lang genug. Ach ja, da wir uns im Internet auf internationalem Parkett bewegen: Natürlich sind die Fristen für den Ablauf des jeweiligen nationalen Urheberechts nicht unbedingt überall in der Welt gleich. Das wäre zu einfach. Und wenn für den Fristbeginn auf den Tod des Urhebers abgestellt wird, braucht man zudem schon ein gutes historisches Wissen.

Aber kommen wir zurück zu der Frage, wann man ein fremdes Kunstwerk für sein eigenes Bild nutzen darf. Zuerst einmal natürlich immer dann, wenn der andere Urheber zustimmt. Wenn etwa ein Body-Painter ein Model in ein lebendes Kunstwerk verwandelt und in Absprache mit ihm ein Fotograf dieses Werk dann für die Nachwelt als Foto konserviert, ist das in Ordnung. Tunlichst sollte eine derartige Erlaubnis für spätere Beweiszwecke aber schriftlich abgefasst werden. Eine andere Möglichkeit zeigt für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland § 24 Abs. 1 UrhG auf. „Ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, darf ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden“, heißt es dort. Klar, im Streitfall würde ich mich immer darauf berufen und mein Foto als eigenständiges künstlerisches Werk betrachten. Ob man mit dieser Argumentation aber auch den Richter überzeugen kann? Das ist eher ein Weg für Leute, die das volle Risiko lieben. Und die Zitierfreiheit des § 51 UrhG sollte ebenfalls nicht überspannt werden, wie auch die Herausgeberin einer Frauenzeitschrift vor nun schon etwas längere Zeit feststellen musste. Auch für die Presse gibt es noch Ausnahmen in § 50 UrhG, davon später.

Die Hauptausnahme des Urheberschutzes findet sich im bundesdeutschen Recht im § 59 UrhG. Dort steht: „Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse nur auf die äußere Ansicht.“ Das ist die „Panoramafreiheit“, wie sie in Deutschland gilt.

So eindeutig, wie es im Gesetz steht, ist es leider dann aber doch nicht. Bundesdeutsche Richter schränkten diese Panoramafreiheit in ihren Urteilen ein. Es reicht entgegen dem äußeren Wortlaut des Gesetzes nicht aus, dass das abgebildete Werk selbst an einem öffentlichen Weg steht. Man muss es auch von dort fotografiert haben und dies aus normaler Perspektive; ein erhöhter Standpunkt (etwa mit Hilfe einer Trittleiter) gefährdet nach dieser Rechtsprechung, die sich leider allgemein durchgesetzt hat, bereits die Panoramafreiheit. Große Menschen sind hier echt im Vorteil. Erst recht darf ein Gebäude danach nicht aus dem Haus gegenüber aus dem 3. Stock fotografiert werden, etwa um stürzende Linien zu vermeiden. Bei unserem österreichischen Nachbarn ist das anders. Auch die Bundesrepublik Österreich gewährt die Panoramafreiheit und anders als bei den Kollegen „aus dem Reich“ reicht es den dortigen Richtern, dass das abgebildete Werk selbst von einem öffentlichen Weg aus zu sehen ist. Dieser kleine Unterschied wurde für ein ganz bestimmtes Foto aus der Alpenrepublik zum Verhängnis. Ein Fall, der bei mir die ersten flauen Gefühle in der Magengegend auslöste.

Zuvor lauern jedoch noch weitere Fallstricke, auf den ich nur kurz hinweisen will. Da ist zum einen die Voraussetzung „bleibend“. Das kurzfristige Aufstellen eines Kunstwerks, etwa im Rahmen einer Straßenausstellung für einen Monat, ist nicht „bleibend“, ebenso wenig wie es etwa die Verhüllung des Berliner Reichstages durch ein Künstlerehepaar war. Das Werk muss schon für einen erheblichen Zeitraum dort draußen stehen. Hierzu - nur als Anriss - folgender Fall: Man macht eine Städtetour, schlendert durch die fremde Fußgängerzone, sieht eine Skulptur oder Plastik auf einem öffentlichem Platz, macht ein Foto davon und stellt es bei myheimat zusammen mit einem Bericht über seinen kleinen Ausflug ein. Was man nicht wusste: die künstlerische Arbeit war in der Fußgängerzone nur anlässlich irgendeiner besonderen Aktion aufgestellt und verschwand nach wenigen Tagen wieder. Da freut sich der Abmahnanwalt. Gut, im Falle der Veröffentlichung auf myheimat könnte sich der Bildautor eventuell zunächst noch damit herausreden, man sei journalistisch tätig geworden und habe über das Aufstellen jenes Kunstwerkes in jener Stadt berichten wollen, § 50 UrHG. Nur leider vertreten viele Zivilrichter die Ansicht, dass nach dieser aktuellen Phase der Bericht aus dem Internet wieder entfernt werden muss. Zwar halte ich diese Rechtsansicht für falsch, ohne mich nun damit gleich mit einem ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten („Was gestern Recht war, kann heute doch nicht Unrecht sein“) verbunden zu fühlen. Aber eine einmal zulässige Berichterstattung kann doch nicht durch reinen Zeitablauf rechtswidrig werden. Wäre der Beitrag gedruckt worden, käme ja auch kein Mensch auf die Idee, dass alle noch vorhandenen Zeitungen mit der Abbildung vier Wochen nach ihrem Erscheinen eingesammelt und eingestampft werden müssten. Nur - solange diese Erkenntnis noch nicht bei den Gerichten angekommen ist - wird deren Meinung ggf. auch zwangsweise durchgesetzt. Der Staat sitzt da am längeren Hebel. Aber ich schweife aus, über die Pressefreiheit soll hier nicht referiert werden.

Ebenfalls einen besonderen Beitrag wert sein dürfte die Frage, was genau nach deutschem Recht denn ein „öffentlicher Weg, eine öffentliche Straße oder Platz“ ist. Auch hier können teure Fettnäpfchen auf den unbedarften Fotografen warten. Ein weiterer Punkt für juristische Auseinandersetzungen könnte zudem der Streit sein, ob das Werk - obwohl im Bild zu sehen - durch das Foto überhaupt genutzt wurde. Fotografiert man Tante Emma relativ formatfüllend und ist im Hintergrund lediglich schemenhaft ein Teil eines Gebäudes zu sehen, könnte der Fall ja anders zu beurteilen sein als wenn das Gebäude offensichtlich das Hauptmotiv darstellt.

In diesem Beitrag will ich mich indes auf die Frage beschränken, ob Fotografen, die in der Bundesrepublik ein Werk im Sinne des Urheberrechts als Hauptmotiv an einem öffentlichen Weg ohne weitere Hilfsmittel fotografieren und dieses Bild in Hinblick auf § 59 UrhG auch nutzen dürfen, auch dann rechtmäßig handeln, wenn sie ihre Fotos ins Internet stellen. Ich habe das Gefühl, dass im Datenstrom des Internets die Panoramafreiheit nicht viel Wert ist und nur den äußerst trügerischen Anschein von Rechtssicherheit bietet.

Dazu ein Fall, der sich mitten in Deutschland abgespielt hat. Mitten in Deutschland? Nun gut, in Karlsruhe eben, dem Sitz des BGH, und dann noch im schönen Wien. In Wien steht das Hundertwasser-Haus. Das hat ein Fotograf als Hauptmotiv aufgenommen. Unbestreitbar ist das Haus ein Kunstwerk, ebenso unstrittig wächst es an einer öffentlichen Straße in die Höhe. Da der für das Haus verantwortlich zeichnende Künstler erst kürzlich verstorben ist, gibt es keine Diskussion über den Ablauf der Schutzfristen. Nur: unser Fotograf hat dieses Haus leider nicht vom Boden aus aufgenommen, sondern - wohl um eine bessere Perspektive zu erreichen - von einem Fenster aus dem gegenüberliegenden Gebäude aus. Von dem Foto wurden Postkarten gedruckt und in Österreich verkauft, ohne Einverständnis des Herrn Hundertwasser versteht sich. Das war alles völlig legal. Dann hat unser Fotograf (bzw. sein Verlag) jedoch den Fehler begangen, diese Postkarten auch in der Bundesrepublik Deutschland zu verkaufen. Wir erinnern uns: In der Bundesrepublik muss der Fotograf mit beiden Beinen fest auf dem Pflaster stehen und darf nicht ein paar Stockwerke höher schweben. Der Künstler, bzw. nach seinem Tod dessen Erben, klagten und bekamen vor dem BGH recht. Weil der Fotograf das Haus nicht von der Straße aus fotografiert hatte, verletzte er mit der Verbreitung seiner Postkarten in Deutschland das Urheberrecht des Künstlers (BGH, Urteil vom 05.06.2003 - I ZR 192/00 -).

Zwingend ist dieses Ergebnis meines Erachtens zwar nicht. Man könnte auch sagen, wer sein Werk in Österreich zur Schau stellt, gibt damit kund, dass er selber für dieses Werk keinen weitergehenden Schutz beansprucht, als ihm das Standortland zubilligt. Ist ihm das zu wenig, muss er eben alles sein lassen und das Haus in einem anderen Land bauen. Verankert man diese Art „Rückverweisung“ auf das fremde Recht im deutschen Recht, läge auch kein formaler Verstoß gegen internationale Verträge (zum RBÜ siehe weiter unten) vor. Wie aber gesagt: man könnte, man tut es aber nicht. Es gibt keine nationale oder internationale Regelung, die etwa einem Werk (nur) den Schutzstandard des Rechtes des Landes beispielsweise der Erstveröffentlichung zu kommen lässt.

Wenn überall in der Welt keine strengeren Anforderungen als im deutschen Recht gestellt werden würden, käme man damit als Deutscher noch ganz gut klar. Leider gibt es stattdessen Staaten - auch eine Reihe von Ländern der Europäischen Union zählen dazu - die überhaupt keine Panoramafreiheit kennen. Bei unserem Nachbarn Frankreich ist die Panoramafreiheit ein Fremdwort. Niemand kann sich dort auf sie berufen. Solange der Urheberrechtsschutz nicht abgelaufen ist, darf man dort Fotos von Kunstwerken nicht verwerten, selbst wenn diese im öffentlichen Straßenraum stehen. Spinnen wir den Hundertwasser-Fall also etwas weiter und versetzen das Gebäude von Wien nach Berlin (man kann stattdessen natürlich auch jedes andere geschützte Gebäude oder Kunstwerk in der BRD nehmen). Diese Haus oder Kunstwerk fotografiert nun ein bundesdeutscher Fotograf, rechtstreu vom Bürgersteig aus, so wie es in Deutschland zulässig ist. Auch er druckt Postkarten und vertickt diese in Deutschland. Völlig legal. Jetzt verkauft er diese Postkarten aber nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in Frankreich. Liebe Leser, ihr ahnt, was passiert. Der Fotograf verletzt in Frankreich das Urheberrecht, weil dort solche Aufnahmen nicht ohne Genehmigung verbreitet werden dürfen.


lex loci protectionis - kein Zauberspruch sondern ein Rechtsprinzip

Der Urheberrechtsinhaber des Hauses kann wegen des Verkaufs der Bilder vom Haus in Frankreich unseren bundesdeutschen Fotografen in Deutschland verklagen. Da beide hier in unserem Beispielsfall beteiligten Staaten (BRD und Frankreich) die Revidierte Berner Übereinkunft (RBU) ratifiziert haben - das ist ein internationaler Vertrag zum Urheberrecht - kommt das Schutzlandprinzip zur Anwendung. D.h., maßgebend ist das Schutzgesetz (Urheberrecht) desjenigen Landes, für das Schutz in Anspruch genommen wird (Der Jurist drückt dies vornehm mit „lex loci protectionis“ aus). Da im Beispielsfall vor dem Verkauf der Postkarte in Frankreich um Schutz nachgesucht wird, ist dies das französische Recht. Dieses Recht muss nun auch das deutsche Gericht anwenden, es arbeitet lediglich hinsichtlich des Gerichtsverfahrens mit der deutschen Prozessordnung.

Die erste Frage, die nun zu klären wäre, lautet, ob das französische Urheberrecht auch den klagenden Urheber schützt. Leider sind meine Rechtskenntnisse des französischen Rechtes noch sehr ausbaufähig. Die Bundesrepublik Deutschland aber schützt die Rechte derjenigen Urheber, die entweder Deutsche oder EU-Bürger sind (oder aus einem EWR-Staat kommen, zu dieser Freihandelszone zählen noch ein paar europäische Staaten außerhalb der EU), § 120 Urheberrechtsgesetz (UrhG). Ohne es nachgelesen zu haben gehe ich deshalb davon aus, dass dieses Prinzip des deutschen Urheberrechts in der EU auf Gegenseitigkeit beruht, mithin Frankreich nicht nur Urheber mit französischer Staatsangehörigkeit schützt, sondern alle Urheber der Union. Bei dem Beispielsfall - das fiktive Hundertwasserhaus in Berlin - stammt der Künstler aus der EU, dürfte damit auch vom französischen Recht geschützt sein. Wie oben schon gesagt, gibt es in Frankreich keine Panoramafreiheit. Die Folge: Der Verkauf der Postkarte, der in Deutschland ohne weiteres möglich ist, ist in Frankreich illegal und führt zur Verurteilung des Fotografen. Die Rechtslage in Deutschland nützt ihm net a bisserl. Der Urheber könnte in dem Beispielsfall übrigens nicht nur in Deutschland, dem Wohnsitz des Fotografen, klagen. „Tatort“ ist ja Frankreich. Der Urheber kann damit auch ein französisches Gericht anrufen. Für die EU ergibt sich dies schon aus Art. 5 Nr. 3 der EG-Verordnung Nr. 44/2001 (vgl. dazu auch Urt. des EuGH vom 25.10.2011 C-509/09 und C-161/10 -). Ein Verfahren weit entfernt im Ausland mit einem fremden Rechtssystem und in einer fremden Sprache macht die Sache aber auch nicht unbedingt einfacher.

Wer jetzt im Umkehrschluss übrigens meint, er könne gefahrlos in Deutschland etwa in Printmedien Bilder vom beleuchteten nächtlichem Eifelturm vertreiben, sollte, bevor er sich auf dieses Abenteuer einlässt, lieber zuvor fachlichen Rat von einem im internationalen Urheberrecht erfahrenen Rechtsanwalt einholen. Wohl dürfte der Vertrieb solcher Fotos in Deutschland einen Eingriff in das Recht des Urhebers darstellen, der aufgrund des Schutzlandprinzips nach deutschem Urheberrecht zu beurteilen wäre. Doch muss die Aufnahme von den nächtlichen Lichteffekten am Eiffelturm (die sind urheberrechtlich geschützt, der Turm selbst nicht mehr, sein Konstrukteur Gustave Eiffel (eigentlich Gustav Bönickhausen) starb bereits 1923, sein Urheberrecht ist damit erloschen) ja zuvor fotografiert worden sein. Und bereits das ungenehmigte Fotografieren eines Kunstwerkes stellt eine Urheberrechtsverletzung durch Vervielfältigen dar. Da der Turm irgendwo in Paris herumsteht. ist diese Vervielfältigung zwangsläufig in Frankreich geschehen. Voilá, diese Urheberechtsverletzung dürfte dann wieder nach französischem Recht zu beurteilen sein. Und im Übrigen: nicht ausgeschlossen ist, dass Richter meinen, auch nach deutschem Recht dürfe der beleuchtete Eifelturm nicht fotografiert und veröffentlich werden. Stichwort "bleibend" (eine Tatbestandsvoraussetzung für die Panoramafreiheit). Schließlich geht das Licht am Tag ja aus.

Bislang ging es in dem Beispielsfall um die Verwertung eines Bildes auf Postkarten. Der Postkartenverkauf ist ebenso wie andere verkörperlichte Medien (Druckerzeugnisse, Foto-CD etc.) noch händelbar. Ein Bildautor (oder sein Verlag) kann selbst entscheiden, ob er sein Produkt - etwa die Postkarte - nur im Land A oder auch im Land B oder C zum Verkauf anbietet. Ist ein Export nach Frankreich geplant, kann er sich gezielt über die dortige Rechtslage informieren und sein Vorhaben ggf. eben sein lassen. Bei einer Betätigung im Internet geht das aber gerade nicht. Für den normalen User gibt es keine Möglichkeit, etwa die Ansicht eines von ihm veröffentlichten Bilder auf myheimat auf den Abruf in einem bestimmten Land zu beschränken. Steht das Foto im Internet, ist es nicht nur EU-weit, es ist sogar weltweit zugänglich. Im Extremfall müsste ein deutscher User deshalb sein Verhalten am Recht des Staates mit dem strengsten Recht ausrichten.

Die mich zu diesem Artikel bewegende Frage ist deshalb, kann mir, wenn ich ein Foto, das nach bundesdeutschem Recht aufgrund der Panoramafreiheit unbedenklich veröffentlicht werden kann, ins Internet stelle, das Gleiche passieren, wie unserem fiktiven Postkartenfotografen vom ebenfalls fiktiven Hundertwasserhaus in Berlin bei einem Verkauf seiner Postkarte in Frankreich, weil das Bild nach dem Recht eines anderen Landes ein dort urheberrechtlich geschütztes Werk zeigt?

Damit diesen Beitrag überhaupt noch jemand liest, breche ich hier erst einmal ab. Der Text wird sonst zu lang. Ich hoffe, es ist mir aber gelungen, die Problemstellung hinreichend deutlich herauszuarbeiten. In einem zweiten, demnächst folgenden Teil, will ich der aufgeworfenen Frage weiter nachgehen.

Der Link hierfür:
http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...

Und wer sich fragt, ob er fremde Dinge einfach so knipsen darf, der könnte sich für den folgenden Beitrag interessieren:

http://www.myheimat.de/hannover-seelhorst/ratgeber...

Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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