Was geschieht mit Wichmann?
Gerichtsverfahren zu „Wichmann“ – keine abschließende Entscheidung

Gerichtspräsident und Vorsitzender richter der 4. Kammer des VG Hannover Ingo Behrens erläutert die Rechtslage bei einem Ortstermin
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Der gerichtliche Streit um die ehemalige „Gastwirtschaft Wichmann“ im Stadtteil Döhren ist – jedenfalls vorerst – beendet. Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts stellte gestern (28. Januar) das Klageverfahren auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheides für eine massive Bebauung des Grundstücks Hildesheimer Straße 230 ein, nachdem sowohl der Rechtsanwalt des Investors, Eckhard David, als auch die Vertreter der Stadt Hannover übereinstimmend das Verfahren für erledigt erklärt hatten.

Hintergrund: Der Investor hatte seine Klage – sei es unbewusst, sei es aus prozesstaktischen Gründen - wenige Tage vor dem Inkrafttreten einer Veränderungssperre erhoben. Diese baurechtliche Veränderungssperre soll zur Vorbereitung eines Bebauungsplanes diesen, mit dem nach den bisherigen Überlegungen der Stadt ein Bauprojekt auf die Kubatur des früheren Gaststätte Wichmann beschränkt werden soll. Nachdem Gerichtspräsident Ingo Behrens mehr oder weniger deutlich zum Ausdruck gebracht hatte, dass die Veränderungssperre wohl rechtlichen Bestand haben wird, wurde die Hauptsache für erledigt erklärt, weil nach Klageerhebung sich die Rechtslage verändert hatte.

Damit ist der ablehnende Bauvorbescheid erst einmal bestandskräftig geworden. Formal steht die Stadt Hannover als Sieger da, allerdings muss sie doch einen Teil der Kosten tragen. Denn bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung konnte die Bauverwaltung ihr „Nein“ lediglich auf eine Erhaltungssatzung stützen. Und ob diese so rechtmäßig ist, daran äußerte das Gericht immerhin Zweifel.

Nachdem der Grundeigentümer das historische Gebäude der Gastwirtschaft Wichmann bis auf den letzten Stein abgerissen hatte, stellte sich für die Verwaltungsrichter die Frage, was die Erhaltungssatzung eigentlich noch erhalten soll. Ob durch so eine Satzung allein nur die überkommende Anmutung des früheren Gebäudes geschützt werden kann, ist bislang juristisch nicht geklärt. Dazu gebe es, so Ingo Behrens, noch keine Rechtsprechung. Die Kammer hätte also juristisches Neuland betreten müssen. Zudem fragten sich die Richter, ob dann die Erhaltungssatzung nicht auch die nähere Umgebung hätte mit einbeziehen müssen, anstatt sich auf nur ein Grundstück zu beschränken. „Hätte die Oma das auch für schützenwert angesehen“, zitierte Gerichtspräsident Behrens seine Mitrichterin aus der Kammer hinsichtlich der sich daraus ergebenden Abwägungsfragen. Offenbar neigt die 4. Kammer dazu, die Rechtmäßigkeit der Erhaltungssatzung anzuzweifeln. Dafür spricht letztendlich die Kostenentscheidung, die die Landeshauptstadt ebenfalls belastet.

Vorangegangen war ein mehrstündiger juristischer Schlagabtausch zwischen den Vertretern der Stadt und den Vertretern des Bauinvestors. Erst bei einem Ortstermin in Döhren, dann im Gerichtssaal im Fachgerichtszentrum an der Leonhardstraße. Rechtsanwalt David warf der Stadt vor, die Rechte des Eigentümers zu beschränken und einen Neubau zu verhindern. Es gab doch eine Baugenehmigung für ein Gebäude in Form der früheren Gaststätte; man hätte doch längst bauen können, konterte die Stadt.

Jetzt hängt alles davon ab, ob die Stadt Hannover es schafft, bis zum Auslaufen der Veränderungsspree einen Bebauungsplan aufzustellen. Doch selbst mit so einem Plan wäre noch nicht alles endgültig klar. Denn der zukünftige Bebauungsplan könnte dann ebenfalls vom Grundstückseigentümer oder einen Investor juristisch angegriffen werden. Darüber müsste dann allerdings im Zuge eines sogenannten Normenkontrollverfahrens das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg entscheiden.

Seltsam: Ingo Behrens zitierte als Vorsitzender Richter der Kammer eine Auskunft des Niedersächsichen Landesamtes für Denkmalpflege. Danach soll das Gebäude von „Wichmann“ nie unter Denkmalschutz gestanden haben. Dies kann aber nur die rückblickende heutige Einschätzung des Landesamtes sein, dass das Haus nie die Denkmaleigenschaft verdient hatte. Denn in der vom Landesamt herausgegebenen Denkmaltopographie für Hannover aus dem Jahr 1983 wird ausdrücklich das Gebäude der Gastwirtschaft als Baudenkmal genannt.

Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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