Fußgängerzone in Friedberg
Die Diskussion zu einer Umwandlung eines Teilbereichs der Friedberger Ludwigstraße in eine Fußgängerzone rückt mehr und mehr in den Vordergrund. In der Presse war von der Forderung nach einem Bürgerbegehren die Rede.
Abgesehen davon, dass in der Zeit vor anstehenden Wahlen die Aussagen von Politikern meist populistischer Natur sind, wird das Bürgerbegehren einen Bürgerentscheid herbeiführen, der sicher nicht repräsentativ für den Willen der Bürgermehrheit sein wird.
Was ich vermisse, sind objektive Betrachtungen zum Stand der Dinge. Der Bericht von Christl Fischer, der Stellvertreterin im Orts- und Stadtverband der CSU Friedberg, zur Informationsveranstaltung des CSU-Ortsverbands am 23. April 2009 sagt im Grunde aus, dass jede Entscheidung weder die Pro- noch die Contraseite zufrieden stellen wird. Ich möchte die Angelegenheit einmal anders angehen. Zur Verdeutlichung will ich zwei Beispiele anführen.
Beispiel eins: Lindau Insel.
Wir besuchten Lindau zuletzt im April dieses Jahres. Hier präsentiert sich ein in sich geschlossenes, für den Besucher nur zu Fuß erschließbares Terrain. Die Bewohner und Lieferanten sind berechtigt zur Zufahrt. Die Besucherparkplätze befinden sich außerhalb des Kernbereichs. Nach über drei Stunden Spaziergang haben meine Frau und ich unser Fahrzeug zu keiner Zeit vermisst. Zu viel gibt es an jeder Ecke zu sehen. Kleine Geschäfte, in kultigem Ambiente, einladende Gastronomie. An vielen Punkten lockt der Ausblick auf den Bodensee. Alle Geschäfte, alle Straßenschilder weisen ein modern gesagtes 'Corporate Design' auf. Wo man sich auch bewegt, wird der Stil nicht gebrochen.
Beispiel zwei: Ulm, Fischerviertel.
Auch hier sind die Besucherparkplätze außerhalb, das Gelände ist nur zu Fuß erschließbar. Anwohner und Lieferanten haben Zufahrtsberechtigung. Die Eindrücke des Gebiets gleichen jedoch Lindau zusehends: Das Viertel ist „hergerichtet“ für den Besucher. Die schiefen, verwinkelten Gebäude in den teilweise engen Gassen des Viertels laden ein, den Blick schweifen zu lassen. Auch hier ist das 'Corporate Design' in jedem Schaufenster, an jedem Gebäude zu erkennen. Neubauten werden harmonisch in die bestehende Struktur gebaut.
Was kann Friedberg dem Besucher entgegen setzen? Seit Kindesbeinen kann ich mich nicht erinnern, die Friedberger Ludwigstraße unter einem anderen Gesichtspunkt gesehen zu haben als als sie sich heute präsentiert. Ich würde fast behaupten wollen, die Ludwigstraße ist mit den letzten infrastrukturellen Baumaßnahmen als Durchfahrtstraße aufgewertet worden. Von der Münchner Straße ist die Zufahrt ebenso modernisiert wie durch den ebenfalls gerade neu ausgebauten Friedberger Berg. Das zu meiner Kindheit berüchtigte „Ritthaler-Eck“ - heute ist dort das Geschäft von Farben Glass - wurde verbreitert um den Verkehrsfluß zu verbessern. Es gab viele Gastronomiebetriebe, an deren Stelle heute Discounter, Döner und asiatische Gerichte verkauft werden. Das ehemalige „Kaffee Heinle“ war neben der Eisdiele in der Bauernbräustraße kultureller Treffpunkt. Heute gibt an diesen Stellen Dinge zu bestaunen, die weniger als ein Bruchteil aller Besucher brauchen kann oder genau so gut wo anders bekommt.
Die Ludwigstraße ist heute eine breit ausgebaute Durchfahrtsstraße. An verschiedenen Stellen wird versucht, durch künstliche Barrieren wie Blumenkästen den Zustand zumindest optisch zu ändern. Die Gastronomiebetriebe hatten bei der Installation und Einrichtung anscheinend freie Hand. Nicht kulturell angepasst, sondern im Gegensatz hochmodern präsentiert sich zum Beispiel der Ableger einer angestammten Großbäckerei ante portas Friedberg dem Besucher.
Was haben wir definitiv anzubieten in einer Friedberger Fußgängerzone? Mit welchem, letztlich auch lohnenden Paket an Maßnahmen kann etwas verändert werden? Hinweise gibt es genug: Man schaue, an welchen Punkten und warum der Friedberger Advent so beliebt ist im Umland: kritisch gesehen wegen der Gastrononie. An den Marktsonntagen sind die „Futterstände“ am besten frequentiert.
Dann ist da noch die Stadtmauer. Diese hat jetzt mit der Ludwigstraße nur indirekt zu tun. Aber ich möchte gerne die Meinung dieser Anwohner hören, wenn künftig Besucherströme durch die Gassen flanieren und jede Menge Störung und -das beibt dann nicht aus – Unrat verteilen. Zu bedenken ist auch, dass der Besucher dort eine ganze Strecke laufen muss um sich zum Beispiel ein Eis zu kaufen. Im näheren Umfeld gibt es Friseurgeschafte, Modehäuser, Fahrschule, gehobene Gastronomie. Das macht das Viertel nicht gerade zum kulturellen Highlight.
Schloß und Museum stehen mit der Ludwigstraße auch in keinem direkten Zusammenhang. Um dort hin zu gelangen, ist eine Fußgängerzone in der Innenstadt nicht von Belang. Aber wir investieren viel Geld und Werbung, um diesen Punkt Friedbergs aufzuwerten. Sollte dort wirklich einmal ein Gastronomiebetrieb installiert werden, wird sich zeigen, wer diesen am wirtschaftlichen Leben hält. Der „Friedberger“ wird das sicher nicht sein. Man muss sich nur umschauen, wie florierende Betriebe solcher Art ausgestattet sind: Beispiel Lueginsland in Augsburg und andere.
Fazit ist: Eine ganze Menge finanzieller Aufwand ist erst einmal notwendig, um eine echte Fußgängerzone Ludwigstraße zu etablieren. Mit einem Durchfahrtverbot wird die Straße erst einmal ruhiger. Aber Ruhe ist nicht das, was letzten Endes der echte Zweck einer Fußgängerzone sein soll. Zur Belebung des Fußgängerbereichs mangelt es dann an der nötigen Attraktivität, die sich in einladendem Design präsentiert. Sicher werden die Befürworter dann glücklich eine für Fahrzeuge gebaute Straße per pedes entfremden können, aber: der „Durchfahrer“ wird halt dann zum „Durchläufer“ werden. „Geht auch anders“, werden die vielen Radfahrer sagen – und dann erkennen, dass auch sie ihr Fahrzeug durch die Fußgängerzone schieben müssen. Und wo stellt man schnell mal einhundert Fahrräder ab, die dann nicht stören?
Der Versuch, vom Haus zuerst das Dach zu bauen, hat für viele Städte schon sehr enttäuschend geendet. Die Chance zum richtigen Schritt hat Friedberg mit dem aktuellen Ausbau der Ludwigstraße erst einmal wieder verspielt. Optisch ist die Straße jetzt breiter als zuvor. Mit der bestehenden Pflasterung sind Fahrbahnrand und Fußgängerbereich konsequent nicht auseinander zu halten. Ganz sicher ist nur: Es wird den Friedberger Bürger eine Menge Geld kosten ohne echte Aussicht auf Amortisation, wenn durch den Bürgerentscheid für eine Fußgängerzone entschieden wird.
Dem Bericht zur Entscheidung der Stadt „kein Bürgerentscheid auf die Schnelle“ vom 01. Mai 2009 in der Augsburger Allgemeinen und den darin kommentierten kritischen Äußerungen des Friedberger Bürgermeisters Dr. Peter Bergmair kann ich nur zustimmen.
Bürgerreporter:in:Franz Scherer aus Friedberg | |
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