Kurzgeschichte
Der Wendehals

- hochgeladen von Thomas Ruszkowski
Inmitten der weiten Landschaft von Amerika, genauer gesagt in den Sümpfen von Louisiana, lebte ein außergewöhnlicher Vogel namens Wendelin. Wendelin war kein gewöhnlicher Wendehals. Er war ein Meister der Täuschung und Anpassung. Seine schillernden Federn konnten sich nicht nur in verschiedene Farben verwandeln, sondern er war auch ein wahrer Künstler darin, Stimmen und Geräusche nachzuahmen.
Eines Tages beschloss Wendelin, die Welt außerhalb seines Sumpfes zu erkunden. Sein erstes Ziel war New Orleans, die pulsierende Stadt des Jazz. Dort begann Wendelin sein Unwesen zu treiben. Er imitierte die Trompete eines Straßenmusikers, wodurch eine Menschenmenge in die falsche Richtung strömte. Er erzeugte das Geräusch eines kreischenden Feueralarms und ließ Passanten auf der Suche nach einem nicht existierenden Feuer umherlaufen.
Doch Wendelin war nicht nur ein Spaßvogel. Er hatte eine besondere Fähigkeit: Er konnte sich in den Dialogen der Menschen einnisten und ihre Meinungen verändern. Wenn jemand überzeugt war, dass die beste Pizza aus Chicago stammte, flüsterte Wendelin in dessen Ohr, dass doch eigentlich New York das Zuhause der besten Pizza sei. Binnen weniger Minuten fand sich die Person in einer hitzigen Diskussion wieder, die sie selbst nicht ganz nachvollziehen konnte.
Die Chaoswelle, die Wendelin durch seine Tricks verursachte, begann sich langsam zu verbreiten. Bald war Wendelin nicht nur in Louisiana bekannt, sondern auch in den urbanen Zentren von New York und Los Angeles. Die Menschen wurden aufmerksam auf den mysteriösen Vogel, der scheinbar alles durcheinanderbrachte. Einige bewunderten ihn für seine Kreativität, andere wiederum wollten ihn unbedingt fangen, um die Ordnung wiederherzustellen.
Doch Wendelin war schlau. Er wusste, wann es Zeit war, weiterzuziehen. Mit einem letzten Ruf, der klang wie eine Mischung aus Glockenspiel und Donner, entschwand er in den Sonnenuntergang. Zurück ließ er ein Amerika, das nicht nur durcheinandergeraten war, sondern auch ein bisschen mehr über sich selbst lachen konnte.
Bürgerreporter:in:Thomas Ruszkowski aus Essen |
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