Respekt schlägt Folter
Im Rahmen der Vortragsreihe WAZ.Wissen war René Borbonus, einer der bekanntesten deutschen Rhetorik-Trainer überhaupt, im Essener Haus der Technik zu Gast. In 90 Minuten erklärte Borbonus, weshalb Respekt Unternehmen erfolgreicher macht. Er gab seinen Gästen Tipps und Anregungen wie diese Respekt bekommen und Respekt zeigen können. Der kurzweilige Vortrag war von zahlreichen Anekdoten und Beispielen aus dem Leben des Trainers gewürzt. Mit einer Vielzahl von Denkanstößen inspirierte der Redner sein Publikum und sensibilisierte für einen oft unterschätzten Aspekt der Kommunikation.
„Gespräche scheitern fast nie an der Sache“, erklärte René Borbonus gleich zu Beginn seines Vortrags. Vielmehr kämen Probleme immer dann auf, wenn eine abweichende Meinung des anderen nicht respektiert würde. Mit dieser Erkenntnis und einer unterhaltsamen Geschichte über einen Professor und seinen schlagfertigen Fahrer eröffnete Borbonus den Abend. Dabei galt es gut zuzuhören, denn aufgrund des schnellen Vortragstempos hätte man sonst einiges verpasst. „Wer Respekt möchte, sollte diesen auch selbst zeigen“, riet Borbonus und berichtete über das Spiegeln von anderen Menschen. Am Beispiel von Eltern, die den eigenen Mund öffnen, wenn sie ihr Kind füttern, beschrieb er das Phänomen. Als roten Faden für den Abend kündigte er sodann an zunächst zu erklären, was es mit Respekt auf sich hat. Anschließend standen Gründe für Respektlosigkeit im Alltag auf der Agenda und zum Schluss Ausführungen zur emotionalen Dickhäutigkeit.
„Respekt schlägt Folter“, zitierte René Borbonus einen ehemaligen Geheimagenten, der die Erfahrung gemacht hat, dass es wichtig ist gefangenen Feinden Respekt zu erweisen. Wer sich auf Sprache, Religion und gesellschaftliche Strukturen einlässt, hat es deutlich leichter ins Gespräch zu kommen und Antworten auf drängende Fragen zu kommen. Nicht umsonst lautet die wörtliche Übersetzung von „Respekt“ aus dem lateinischen „den anderen auf Augenhöhe sehen“. Respekt zeigt in vielen Situationen Wirkung. Mit Trainings für Führungskräfte konnten zum Beispiel bei der Post Fehltage von Mitarbeitern gesenkt werden. Auch deshalb ist Respekt in vielen Leitbildern verankert – doch die hängen, so Borbonus, oft nur an der Wand und werden im Alltag nicht gelebt.
Wie kommt es im Alltag zu soviel Respektlosigkeit? Dafür nannte Borbonus verschiedene Ansätze. Mangelnder Respekt unterhält, sodass er in manchen Casting-Shows unverzichtbar ist. Auch in der Medienlandschaft herrscht oft Streitlust. Am Beispiel des ehemaligen Bundespräsidenten beschrieb Borbonus wie der mangelnde Respekt die Situation immer mehr eskaliert hat. Auch Handy, Smartphone und Internet würden mehr Respektlosigkeit ermöglichen. Wo man früher den Versand eines Beschwerdebriefes oder einer kritischen Anmerkung noch einmal durchdacht habe, sei diese heute längst unwiderruflich gesendet. Hinzu kommt die Anonymität in Foren, Chaträumen und Bewertungsportalen, die zu wilden Tieren mache. „Ich kritisiere das nicht…“, setzte Borbonus an, um mit der Forderung nach einem Klarnamenszwang deutlich Position zu beziehen.
Anschließend führte er aus, welche Denk- und Sprachmuster häufig zu mangelndem Respekt führen. Gefährlich sei zum Beispiel die Pauschalisierung, bei der eine übergreifende Etikettierung die faire Einzelbetrachtung ersetzt. Auch der Konflikt zwischen Unabhängigkeit und Verbundenheit führe oft zu Konflikten. Verbundenheit entstehe zum Beispiel durch Nachfragen, Einmischen, Warnen und Mahnen und komme nicht immer gut an. Gleiches gilt für das Bagatellisieren. Formulierungen wie „Du schaffst das schon.“ oder „Andere Mütter haben auch schöne Töchter.“ seien oft ungeeignet. Gleiches gilt für das Gegenteil. Wer „Ich könnte das nicht…“ oder „dass du das aushältst“ sagt, macht anderen das Leben unnötig schwer. Ein weiteres Problem seinen „Warum-Menschen“, die andere manchmal unbewusst an den Pranger stellen und zu Rechtfertigungen nötigen und ihre Gesprächspartner so verlässlich in den Wahnsinn treiben. Borbonus empfahl bei echtem Interesse lieber Konkretisierungsfragen zu stellen.
„Ich rede privat sehr wenig“, bekannte Borbonus und brachte als Schnell- und Vielredner sein Publikum zum Schmunzeln. Das hatte den Lacher verdient, denn auch Borbonus teilte humorvoll die ein oder andere Spitze aus. Doch bevor man sich bewusst werden konnte, ob an diesen Stellen möglicherweise der eingeforderte Respekt fehlte, war Borbonus schon wieder beim Thema des Vortrags. Wer die Konsistenz eines anderen in Frage stellt („Aber gestern haben Sie doch…“), greife dessen Glaubwürdigkeit an und riskiere eine Verhärtung der Situation. Wer vergleicht und zum Beispiel einen Mitarbeiter des Monats ernennt, stelle damit die anderen in den Schatten und riskiere Konflikte. Auf der anderen Seite sei Ehrlichkeit wichtig. Wer zum Beispiel beim Feedback konstruktive Kritik in vermeintliches Lob einkleide, der setze auf unpassende Wellness-Kommunikation.
Einen guten Rat gab René Borbonus allen, die Probleme haben „nein“ zu sagen. Oft sei der Fehler das „nein“ zu begründen und so Ansatzpunkte für eine Diskussion zu schaffen. Besser sei es freundlich und ohne Begründung „nein“ zu sagen und dann eine Alternative vorzuschlagen. „Grundsätzlich sehr gerne… Aber heute geht das nicht…. Vielleicht können wir…“, sei deutlich wirksamer. Auch „Das ist eine tolle Idee… Aber leider geht das nicht… Kommen Sie am Montag zu mir, dann…“ helfe unnötige Diskussionen zu vermeiden. Im Umgang mit anderen Menschen sei es wichtig, die eigenen Gefühle im Griff zu haben. Denn nicht die anderen Menschen sind für diese verantwortlich, sondern das, was wir über diese Denken.
Am Beispiel verschiedener Emotionen erläuterte Borbonus anschließend wie diese wirken. Wut zum Beispiel entsteht durch einen Schaden oder eine Zielverfehlung und die Annahme einer schlechten Absicht des anderen. Angst beruhe auf einer existenziellen Bedrohung und sei zumindest in der Frühzeit der Menschheit ein Selektionsvorteil gewesen. Trauer stehe für den Verlust von etwas, das am Herzen liegt und Kränkung repräsentiert erwartete aber nicht eingetretene Beachtung. Warum Borbonus nur negative Gefühle thematisiert? Auch das konnte der Top-Speaker erklären: „Mit Freude komme ich gut klar. Darüber gibt es nicht viel zu lernen.“ Jede der Emotionen bringe einen Auftrag mit sich. Wut heißt „wehre dich“. Angst heißt „rette dich“. Trauer heißt „nimm Abschied“. Kränkung heißt „Stärke dein Selbstbewusstsein“. Und Freude bedeute „noch mal, mehr“. René Borbonus empfahl die Wirkung der Gefühle auf den Körper zu beachten. Eine flatternde Stimme oder Anspannung wären deutliche Hinweise auf Gefühle des Gegenübers.
Abschließende Tipps wie den Abbau von Spannungen bei Konflikten oder den Versuch dem anderen durch die Einladung in ein ruhiges Büro die Bühne zu nehmen, leiteten über zum Abschluss des Vortrags. Oft gelte es die angemessene Reaktion zu finden und dafür auch die eigene Bewertung einer Situation zu überprüfen. Zwar löst das nicht das Problem, aber die Gefühle lassen sich besser kontrollieren. Deshalb riet Borbonus im Gespräch zunächst zu benennen was passiert ist, dann empathisch auf die Emotionen einzugehen und dann den anderen zu fragen, welche Lösung dieser vorschlägt. René Borbonus berichtete von seiner Aversion gegen Verkehrsstaus und dem Griff zu einer roten Plastiknase, die auch bei der Begegnung mit notorischen Linksfahrern für einen Moment des Schmunzelns sorgt. Abschließend riet er seinen Gästen weiter in die eigene Weiterbildung zu investieren: „Wer noch grün ist, kann reifen. Wer denkt, dass er reif ist, beginnt zu verfaulen.“ Der nächste Vortrag der Reihe WAZ.Wissen findet am 9. September statt. Dann referiert Martin Limbeck über das Thema „Nicht gekauft hat er schon“.
Bürgerreporter:in:Christian Kolb aus Essen |
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